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Tierplage Wildschwein-Serengeti in Wernigerode

Eine Bache hat in einem verwilderten Garten in Hasserode Frischlinge geboren. Die Stadt warnt vor möglichen Gefahren.

Von Ivonne Sielaff 29.05.2018, 01:01

Wernigerode l Die Wildschweine sind los, und einige Hasseröder leben nun in Angst. Birgit Hannover machte die tierische Entdeckung. „Erst polterte es im Nachbargarten, dann huschte etwas vorbei“, sagt die Wernigeröderin, die in der Friedrichstraße nahe des Netto-Marktes wohnt. Sie schaute genauer und sah eine Bache mit ihren Frischlingen liegen, nur Meter von ihr entfernt. „Es war zwar ein Zaun dazwischen. Ich hatte trotzdem Angst. Das Tier hätte jederzeit durchkommen können.“

Sie wendete sich umgehend an das Ordnungsamt. Die Reaktion: ein Brief, in dem die Anwohner vor möglichen Gefahren gewarnt werden. In dem Schreiben wird den betroffenen Hasserödern geraten, die Gärten bis zum Ende der Säugezeit im Juli/August zu meiden. Die Bache habe auf dem verwilderten Grundstück vermutlich einen Wurfkessel errichtet und dort Frischlinge geboren, heißt es auf Volksstimme-Nachfrage von Rathaussprecher Tobias Kascha. Es bestehe die Gefahr, dass das Muttertier Menschen angreift, um ihren Nachwuchs zu verteidigen. Deshalb wurden zusätzlich am Fuß- und Radweg „Am stillen Wasser“, an den die Gärten grenzen, Warnschilder aufgestellt.

Ansonsten seien der Stadt vorerst die Hände gebunden, so Kascha. Die Wildschweine dürfen während der zweieinhalb- bis dreieinhalbmonatigen Säugezeit weder gejagt noch vertrieben werden – das schreibt das Jagdgesetz vor. Zudem sei das Grundstück in Privatbesitz. Die Eigentümer leben nicht in Wernigerode und seien laut Kascha „schwer zu greifen“. „Die Stadt ist bemüht, zeitnah eine Lösung für das Problem zu finden“, versichert der Sprecher. „Wir haben mit dem Landkreis Kontakt aufgenommen und wollen abwarten, was uns aus Halberstadt empfohlen wird.“

Birgit Hannover und ihren Nachbarn ist das zu wenig. Sie alle hatten in den letzten Tagen Besuch von den Waldtieren. Nicht nur in den Nachtstunden herrsche „Remmi-Demmi“ in den Gärten, berichtet Rainer Grimm. Auch tagsüber würden sich die Tiere blicken lassen. „Da ist keine Hemmschwelle. Die sind hier geboren und sind an den Menschen gewöhnt.“ Nachbar Reinhard Richter sagt: „Ich verlange ja keinen Abschuss. Aber kann man die Wildschweine nicht mit einer Lebendfalle fangen? Das kann doch nicht so schwer sein.“ Seine Ehefrau Barbara Richter traut sich nicht mehr in den Garten. „Ich schaue jeden Morgen vorsichtig nach, ob Wildschweine da sind.“ Zudem würden auch kleine Kinder in der Nachbarschaft wohnen. „Was wenn plötzlich eine Bache vor ihnen steht“, fragt Jacqueline Grünig aufgebracht. „Steht das Wohl der Tiere hier etwa über dem Wohl der Menschen?“

Seit Frühjahr 2017 werden die Wernigeröder von Wildschweinen terrorisiert. Zuerst nur in Hasserode, längst aber auch in anderen Stadtteilen stürmen die Borstentiere Nacht für Nacht Grundstücke und Gärten. Auf der Suche nach Fressbarem zerwühlen sie Beete und Rasen, zerstören ganze Ernten – und sorgen bei den Geschädigten für Ärger. Besonders heimisch fühlen sich die Tiere in der städtischen Gartenanlage im Nesseltal. Weil die Jagd im bewohnten Gebiet zu riskant ist, hat die Kreisverwaltung dort zum Aufstellen einer Lebendfalle geraten.