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Rathaus Wernigerode beteuert Unschuld, Staatsanwaltschaft ermittelt Toter Hirsch wird nicht zu Hundefutter, sondern landet auf dem Teller

Von Regina Urbat 01.02.2013, 02:19

Die Jägerschaft ist in Verruf geraten. Ein Wildhändler, der einen toten Hirsch nicht zu Hundefutter verarbeitet, sondern als Fleisch in den Verkehr gebracht hat, fühlt sich hintergangen. Im Wernigeröder Rathaus wird die Unschuld beteuert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Wernigerode l Der Hirsch ist tot und längst verspeist - jedoch noch nicht vom Tisch. Mit dem von einem Wanderer am 28.September 2012 im Stadtwald von Wernigerode tot aufgefundenen 14-Ender beschäftigen sich seit Jahresbeginn Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. Ermittelt wird wegen des Verstoßes gegen das Lebensmittelgesetz, weil - so eine anonyme Anzeige am 20. Dezember im Kreisveterinäramt - ein Hirschkadaver in den Verkehr gebracht wurde. Das ist verboten und kann mit einer Haftstrafe bis zu drei Jahren, einer Geldbuße sowie dem Entzug des Jagdscheins beziehungsweise der Händlererlaubnis geahndet werden.

Aus dem Rathaus wird nach wie vor beteuert, sich richtig verhalten zu haben, wobei Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos), selbst Jäger, gegenüber der Volksstimme einschränkte, es sei "halb gut gelaufen". Halb gut in der Hinsicht, dass das tot aufgefundene Tier "vielleicht lieber nicht an einen Wildhändler hätte abgegeben werden sollen". Aber schließlich sei dem Händler mitgeteilt worden, dass der Hirsch nicht durch einen Erleger (Jäger) getötet wurde. Man sei davon ausgegangen, dass das Fleisch zu Hundefutter verarbeitet wurde. Das bestätigte auf Nachfrage auch der Leiter des Stadtforsts, Michael Selmikat.

Als Jagdausübungsberechtigter habe er den Wildursprungsschein ausgefüllt und unterschrieben sowie dem Wildhändler den Hirsch zum Verkauf angeboten. "So, wie wir verfahren sind, ist es nicht verboten", sagte Michael Selmikat. Die Stadt habe ein Tier abgegeben. Wie dessen Fleisch verwendet wird, entscheidet der Abnehmer.

In diesem Fall ein Wildhändler. Auf dem Schein sei bei der Todesursache im Feld "Sonstiges" ein Kreuz. "Das kann vieles heißen und ist gerade in der Brunftzeit nicht ungewöhnlich", weiß der Wildhändler. Für ihn, der das Tier später als Fleisch in den Verkehr gebracht hat, sei ausschlaggebend gewesen, wie der Jagdausübungsberechtigte, hier Michael Selmikat, den Schein ausgefüllt hat. So gab es keinen Hinweis wie "Fallwild" im Feld "Bemerkungen" und Kreuze in zwei Feldern. Demnach wurden "vor dem Erlegen keine Verhaltensstörungen des Tieres beobachtet" und "bei der Untersuchung des Tieres keine auffälligen Merkmale festgestellt, die das Fleisch als bedenklich zum Verzehr durch Menschen erscheinen lassen".

Auf die Wahrheit dieser Aussagen "muss ich doch vertrauen, ansonsten kann ich meinen Laden schließen", so der Wildhändler. Und: "Für 118 Kilogramm Hirschfleisch, das ich zu Hundefutter verarbeitet habe, bezahle ich doch keine 320 Euro an die Stadtverwaltung Wernigerode. Das glauben die Verantwortlichen doch selber nicht." Glück im Unglück für den Wildhändler: "Der Tierarzt hatte das Hirschfleisch als unbedenklich eingestuft, und vom Kunden ist keine Beanstandung gekommen." Hintergangen fühle er sich dennoch.

"Dieser Fall bringt die Jägerschaft in Verruf", haderte Dietrich Kramer. Nach seiner Recherche beim Wildhändler habe der Jagdchef der Stadt gegen geltende Vorschriften für Jäger und gegen Bestimmungen der Lebensmittelhygiene "verstoßen". Der Vorsitzende der Jägerschaft Wernigerode wolle dem Ergebnis der Ermittler nicht vorgreifen, er hofft jedoch: "Dass solch ein Verhalten, das nach einer Straftat riecht, entsprechend geahndet wird." Dietrich Kramer weiter: "Schließlich geht es um das Ansehen der Jäger."

Bis zur Klärung werden noch einige Tage vergehen. Wie Hauke Roggenbuck, Leiter der Staatsanwaltschaft in Halberstadt, gegenüber der Volksstimme mitteilte, untersucht die Polizei derzeit den Fall. Er rechne damit, "dass die Ermittlungen nicht vor Mitte, Ende Februar abgeschlossen sein werden".

Für einige Mitglieder der CDU-Fraktion im Stadtrat passen die Ungereimtheiten um den in Oberhasserode verendeten Hirsch zu ihrer Kritik am Stadtforst. Zwar sind ihre Vorwürfe - Schluderei beim Holzverkauf und anderen Abrechnungen - im Rathaus geprüft worden und hat Oberbürgermeister Peter Gaffert daraufhin Dienstanweisungen und Verantwortlichkeiten geändert, doch bleibt ihre Skepsis, dass "dort nicht immer vorschriftsmäßig gearbeitet wird", heißt es aus der Fraktion.

Die Christdemokraten hatten in der Dezembersitzung gefordert, künftig die Jagdangelegenheiten von der neu zu fassenden Waldordnung zu trennen. Außerdem soll der Oberbürgermeister die Aufsicht im städtischen Jagdrevier übernehmen. Bislang liegt diese bei Ordnungsdezernent Volker Friedrich, dem das Sachgebiet Stadtforst untersteht.

Die neuen Wald- und Jagdordnungen werden gegenwärtig erarbeitet und müssen vom Stadtrat beschlossen werden.