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Coronavirus Corona-Bremse für Harzer Schmalspurbahnen

Die Corona-Krise trifft auch die Harzer Schmalspurbahnen GmbH. Wegen des Fahrstopps wird mit hohen Einnahmeverlusten gerechnet.

Von Ivonne Sielaff 16.04.2020, 01:01

Wernigerode l Wo sonst ganze Touristenscharen nach Tickets anstehen, wo Harzbesucher auf ihren Zug warten, herrscht im Moment gähnende Leere. Die Fahrkartenschalter sind geschlossen, die Bahnsteige verwaist. Bereits am 17. März hat die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB) ihren Fahrbetrieb fast komplett eingestellt. Und zwar zu diesem Zeitpunkt noch aus eigenen Stücken, wie HSB-Sprecher Dirk Bahnsen im Gespräch mit der Volksstimme informiert. „Wir sind ein touristischer Hotspot und ziehen viele Leute an. Mit dem Fahrstopp wollten wir dazu beitragen, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.“

Leicht gefallen sei der Schritt allerdings nicht. „Es hat weh getan, diese Entscheidung zu treffen“, sagt Bahnsen. Die Mitarbeiter hätten jedoch Verständnis gezeigt. „Es geht ja auch darum, die Kollegen zu schützen.“ Lediglich zwischen Nordhausen und Ilfeld verkehren – wenn auch eingeschränkt – noch Triebwagen der HSB, da diese dort als Stadtlinie eingesetzt sind und den Berufsverkehr aufrecht erhalten.

Für einen Großteil der HSB-Mitarbeiter bedeutet die Einstellung des Fahrbetriebs den Weg in die Kurzarbeit. „Über 100 Kollegen sind betroffen“, sagt Dirk Bahnsen. Darunter Lokführer, Heizer, Triebfahrzeugführer und die Mitarbeiter an den Fahrkartenschaltern. Auch die Verwaltung habe ihre Arbeit heruntergefahren und zum Teil ins Homeoffice verlegt. „Lediglich in der Lokwerkstatt wird noch voll gearbeitet.“ Darüber hinaus würden die Gleise im Streckennetz der HSB instandgehalten.

Sorge bereiten der Geschäftsleitung vor allem die finanziellen Auswirkungen auf das Unternehmen. „Durch die Corona-Krise haben wir immense Einnahmeverluste“, erklärt Dirk Bahnsen. „Über Ostern haben wir normalerweise volle Züge. Einnahmen wie diese fehlen uns jetzt.“ Dennoch sei der Fahrstopp alternativlos gewesen.

Dabei blickt die Harzer Schmalspurbahnen GmbH auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2019 zurück, wie der HSB-Sprecher informiert. „Mit insgesamt 1,2 Millionen Fahrgästen war 2019 für uns eines der besten Jahre.“ In der Regel lag die Zahl in der Vergangenheit bei etwa 1,1 Millionen Passagieren pro Jahr. Allein zum Brocken wollten 664.000 Fahrgäste – ebenfalls eine Steigerung zum Vorjahr. 2018 waren es 650.000 Kunden, die die Züge zum Brocken nutzten. Mit 14 Millionen Euro Jahresumsatz sei die Rekordmarke von 2018 wieder erreicht worden.

Auffällig: Im Laufe der vergangenen Jahre sei zudem das Interesse aus dem Ausland gestiegen. So stammten 2019 rund zwölf Prozent der Fahrgäste nicht aus Deutschland. 2008 waren es lediglich sechs Prozent. Grund dafür sind laut Dirk Bahnsen die historischen Lokomotiven. „Global gesehen werden ja kaum noch Dampfloks genutzt. Wir sind weltweit einer der Anbieter mit den meisten Dampfloks. Und das lockt die Leute an.“

Trotz der Rekordumsätze und der gestiegenen Fahrgastzahlen sieht sich das Unternehmen mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Da ist zum einen die finanzielle Situation der GmbH. Die Kosten für den Betrieb der HSB sind in der Vergangenheit sukzessive gestiegen. Für die kommenden Jahre werden sie bei über 15 Millionen Euro jährlich veranschlagt. Vor allem der Erhalt der Bahninfrastruktur, die technische Sicherung der Bahnübergänge, die Sicherung des Dampflokbetriebs und die Tarifanpassungen für das Personal schlagen zu Buche. Die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen hatten bereits signalisiert, ihre Zuschüsse für die nächsten Jahre erheblich zu erhöhen. Auch die Gesellschafter müssen sich an den gestiegenen Betriebskosten beteiligen. „Die Gespräche dazu müssen wir fortführen“, sagt Bahnsen.

Darüber hinaus kämpft die GmbH mit Fahrzeug- und Personalmangel. „Fachkräfte stehen nicht mehr auf der Straße“, so Bahnsen. „Das macht sich bemerkbar.“ Um die Dampfloks künftig verstärkt vor Ort warten und reparieren zu können und damit dem Fahrzeugmangel entgegenzuwirken, baut die HSB in Wernigerode für 10,5 Millionen Euro eine Werkstatt. Diese gehe 2022 in Betrieb – wenn alles planmäßig läuft.

„Wir haben also einen ganzen Ranzen voll mit Aufgaben“, fasst Sprecher Dirk Bahnsen zusammen. Mit der Corona-Krise sei noch eine weitere dazugekommen. „Wann wir den Fahrbetrieb wieder aufnehmen, ist im Moment nicht abzusehen.“ Keiner könne sagen, wie lange sich die Krise noch zieht. „Wir hoffen aber inständig, dass wir so bald wie möglich wieder im Normalbetrieb fahren können.“