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Unfallstatistik Mehr tödliche Motorradunfälle im Harz

Die Zahl der Motorradunfälle im Oberharz bleibt konstant hoch. Die Saison ist noch nicht zu Ende.

Von Uta Müller 05.09.2019, 01:01

Hasselfelde l Jahrelang gingen die Zahlen zurück, doch seit 2014 verunglücken wieder mehr Motorradfahrer im Harz. Die einen schieben die Schuld aufs Wetter. Dass die günstigen Witterungsbedingungen die Mortalität im Verkehr erhöhen, ist ein zwar ungewohnter, aber plausibler Aspekt des Klimawandels. Denn kaum scheint am Wochenende die Sonne, verunglücken innerhalb von zwei Tagen Motorradfahrer, Dutzende werden zum Teil schwer verletzt.

Die Zahl der von der Polizei erfassten Unfälle im Oberharz wird sich bis zum Jahresende voraussichtlich leicht erhöhen. „Auf den Oberharzer Straßen ist die Zahl der Motorrad-Unfälle gleichbleibend schlecht“, sagt Ulrike Dallmann-Wagner vom Polizeirevier Harz. Die Motorrad-Saison 2019 ist noch nicht zu Ende, jedoch dürften die Zahlen in etwa bei denen von 2018 liegen, als sechs Motorradfahrer starben. Das bedeudete schon einen Anstieg gegenüber dem Vorjahr, so die Pressesprecherin vom Harzrevier weiter.

Im Jahr 2018 überlebten 21 Motorradfahrer im Land Sachsen-Anhalt ihren Unfall nicht. Vier starben allein im Bereich des Landkreises Harz bereits in diesem Jahr. Der Oberharz sei für Biker ein Anziehungspunkt, so die Polizeisprecherin weiter. Laut Dallmann-Wagner gilt die Schussfolgerung: Je besser das Wetter, desto mehr Motorräder, desto mehr tote Fahrer.

Doch das sei nicht der alleinige Grund, weiß Enduro-Rennsportfahrer Kay Ritzau. Viele Unfälle passieren seiner Meinung nach in Kolonnenfahrt. Wenn Motorradfahrer in einer Gruppe unterwegs sind, werde der erforderliche Sicherheitsabstand oft nicht eingehalten, so der 52-Jährige. Sämtliche Teilnehmer der Gruppe nähmen so in Kauf, dass entweder sie selbst oder der hinter ihnen fahrende Fahrer bei einer Unfallsituation nicht ausreichend bremsen könne.

Der Hasselfelder hat festgestellt, das viele Fahrer denken, sie seien auf einer Rennpiste unterwegs. Ein Großteil der Motorräder fahre tagtäglich und vor allem an sonnigen Wochenenden mit überhöhter Geschwindigkeit vor seinem Geschäft vorbei. Motorradfahrer meinten, einen Anspruch auf Dynamik zu haben, sodass sie immer wieder zu schnell unteewegs seien.

Der Inhaber eines Motorrad-Ladens weiß, wovon er spricht. Jahrelang war – und sofern es seine Zeit zulässt, ist er es auch noch – selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer. Seit 1985 fährt er regelmäßig Motocross-Rennen, war Drittplatzierter bei der DDR-Meisterschaft, Erster bei einer Meisterschaft in Sachsen-Anhalt und bei den Deutschen Enduro-Meisterschaften verfehlte er nur knapp das Treppchen.

„Die Fahrer liefern sich teilweise Rennen auf den Straßen im Oberharz“, so Ritzau weiter. Einerseits seien die Motorräder der neueren Bauart so schnell und so stark, und auf der anderen Seite verfügten die Fahrer über immer weniger Praxis. Sie schätzten die Situation häufig falsch ein.

Die Pläne von Andreas Scheuer (CSU), Autofahrern den Zugang zum Motorrad-Führerschein deutlich zu erleichtern, stoßen beim Hobby-Enduro-Fahrer auf deutliche Ablehnung. Der Vorschlag des Bundesverkehrsministers vor einigen Monaten sah vor, dass Autofahrer, die mindestens 25 Jahre alt sind und den Fleppen länger als fünf Jahre besitzen, ohne zusätzliche Prüfung ein Leichtkraftrad fahren dürfen. Gefordert werden solle nach Volksstimme-Informationen lediglich ein 90-minütiger Theorieunterricht sowie sechs praktische Fahrstunden, die auch auf einem Verkehrsübungsplatz stattfinden können.

Ritzau schlägt dagegen vor, dass Motorradfahrer lieber „in Motorsport-Arenen – wie in Oschersleben – üben oder sich austoben“ sollen. Für die richtige Selbsteinschätzung seien Fahrsicherheitstrainings – und zwar für Ungeübte wie für Routiniers – zu empfehlen. Außerdem solle die Maschine stets in einem technisch einwandfreien Zustand sein.

Die ADAC-Unfallforschung hat mehrere Faktoren identifiziert, die für schwere und tödliche Unfälle mitverantwortlich sind. Ein Grund für den oft tödlichen Ausgang von Motorradunfällen sei demnach, dass Autofahrer die Zweiradfahrer übersehen. Diese sogenannten Übersehen-Unfälle kommen gehäuft vor, vor allem auf Straßenkreuzungen. Autofahrer erkennen die schmalen Umrisse eines Motorrads oft zu spät oder übersehen sie ganz.

Für den Motorradfahrer bringe es ein Plus an Sicherheit, wenn er in seinem Fahrverhalten stets damit rechnet, übersehen zu werden, so das Fazit von Ritzau. Defensives Verhalten im Straßenverkehr zahle sich aus.