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Verwaltung Tauziehen um Kfz-Zulassungsstelle

Der Harzkreis plant, die Kfz-Zulassungsstelle am Wernigeröder Dornbergsweg zu schließen. Unternehmer aus dem Altkreis laufen dagegen Sturm.

Von Katrin Schröder 25.01.2020, 00:01

Wernigerode l „Modern, effzient, gut organisiert“: Andreas Heine, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wernigerode, ist voll des Lobes für die Kfz-Zulassungsstelle im Dornbergsweg. Doch die Harzer Kreisverwaltung will die Einrichtung schließen und mit der Servicestelle in Halberstadt zusammenlegen. „Verwaltungskonzentration“ ist das Ziel des Beschlusses, der im Dezember fast geräuschlos den Kreistag passiert hat. In Wernigerode formiert sich jedoch Widerstand gegen die Schließungspläne.

116 Unterschriften überreichte Andreas Heine nach der Kreistagssitzung an Landrat Martin Skiebe (CDU), ebenso einen offenen Brief, den er mit Kreishandwerksmeister Heinz Sallier und Karl-Heinz Erlebach, Obermeister der Innung des Kfz-Handwerks, verfasst hat. Die Wirtschaft und insbesondere das Kfz-Gewerbe nehme die Nachricht von der geplanten Zentralisierung „mit großer Betroffenheit“ auf, heißt es darin. Mehr als 100 Unternehmen gebe es im Kfz-Gewerbe des Altkreises Wernigerode.

Große Autohäuser wickelten täglich sicherlich acht bis neun Anmeldungen ab. „Das wird eine hohe Belastung für die Betriebe bedeuten“, sagt Heine voraus. Dafür müssten die Unternehmen im Falle einer Zentralisierung der Kfz-Zulassung lange Wege nach Halberstadt zurücklegen – was besonders Betriebe der Oberharz-Stadt treffen würde. Neben der Umweltbelastung, die tägliche Fahrten in die Kreisstadt bedeuten würden, müssten die Betriebe mehr Zeit und Personal einplanen. „Und für uns ist nicht erkennbar, dass es tatsächlich Synergieeffekte bringen würde“, sagt Kfz-Meister Erlebach. Doch nicht nur die Unternehmen, auch die privaten Fahrzeughalter müssten Mehraufwand hinnehmen. „Das hat dann nichts mehr mit Bürgernähe zu tun“, so Heine.

Der Schilderdienst Homann, der neben der Zulassungsstelle seinen Sitz hat, stünde bei einem Umzug vor dem Aus. „Für uns wäre das eine Katastrophe“, sagt Filialleiter Andreas Riedel. Fünf Mitarbeiter habe das Unternehmen, die seit Bekanntwerden der Pläne um ihre Arbeitsplätze fürchteten. Die Auftragslage in Wernigerode sei gut. „Doch mit einem Umzug wäre uns die Geschäftsgrundlage entzogen“, so Riedel. In Halberstadt gebe es bereits drei Schilderpräger: „Das ist für uns keine Alternative.“

Der Harzkreis hingegen will mit der Verwaltungskonzentration langfristig Geld sparen – zum Beispiel indem er die Zulassungsstelle aus den gemieteten Räumen im Dornbergsweg ausziehen lässt. Dafür muss der Kreis aber zunächst kräftig in die Kasse greifen. Rund 500 000 Euro sind für den Kauf eines Gebäudes in der Halberstädter Augustenstraße vorgesehen, rund 2,9 Millionen Euro würden benötigt, um binnen zwei Jahren das Kreisordnungsamt und einen Katastrophenschutzraum zu planen und zu sanieren.

Weitere 2,6 Millionen Euro sollen an dem Standort in die Einrichtung eines Zentralarchivs investiert werden. Zum Gesamtpaket, das unter dem Stichwort „Verwaltungskonzentration“ firmiert, zählen zudem der Umzug der Rettungsleitstelle von Halberstadt in die Wernigeröder Bahnhofstraße und die Sanierung von Haus III der Kreisverwaltung in der Friedrich-Ebert-Straße in Halberstadt.

Allerdings stehen die kostspieligen Pläne unter Haushaltsvorbehalt: Sie dürfen laut Kreistag erst umgesetzt werden, wenn sich das Geld dafür im Kreishaushalt findet. Und danach sieht es derzeit nicht aus: Im Etat klafft ein Loch von rund 16 Millionen Euro, womit er nicht genehmigungsfähig wäre. Der Haushaltsvorbehalt wurde im Dezember im Kreistag eingebracht und mehrheitlich beschlossen – trotz Widerstands aus der Politik. So hat sich Frank Diesener, CDU-Kreistagsmitglied aus Wernigerode, an CDU-Fraktionschef Thomas Balcerowski gewandt, um für den Vorstoß der Kreishandwerkerschaft zu werben.

Für Balcerowski ist das Vorhaben wegen des Haushaltsvorbehalts „de facto vom Tisch“, wie er auf Volksstimme-Anfrage sagte. Bei der prekären Haushaltslage des Harzkreises sei es unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit Geld für das Vorhaben bereitgestellt wird. Zudem gebe es in Wernigerode einen langfristigen Mietvertrag bis 2021. „Solange dieser läuft, wird die Zulassungsstelle nicht schließen.“

Für ihn hat das Thema politischen Zündstoff. „Ich bin der Meinung, dass es diese Vorlage zu dem damaligen Zeitpunkt gegeben hat, um einige Dinge durchzudrücken, bevor sich im Landratsamt etwas ändert“, sagt Thales Bürgermeister, den die CDU im Juli als Kandidat für die Landratswahl ins Rennen schickt.

Frank Diesener und Andreas Heine sähen es hingegen gern, wenn die Kfz-Zulassung bei der Verwaltungskonzentration komplett außen vor bliebe. Dass die Außenstelle in Wernigerode „stark frequentiert“ sei, wie beide betonen, und das stärker als die Halberstädter, untermauerten die Nutzerzahlen, die die Kreisverwaltung auf Volksstimme-Nachfrage nennt. In Halberstadt wurden laut Pressestelle 2019 insgesamt 10.430 Fälle bearbeitet, in Wernigerode waren es 14.060. Beide Zulassungsstellen zählten 2019 44.258 Besucher, davon hatten 12.500 vorab einen Online-Termin reserviert. Die Nutzerzahlen sinken: 2012 zählten die Zulassungsstellen etwa noch 48.355 Besucher.

Neben dem Umweltgedanken, den Zusatzkosten und dem Zeitaufwand für Betriebe und Privatleute sehen die Kritiker ein weiteres wesentliches Moment: den Mangel an Alternativen, namentlich in Sachen Online-Anmeldung. Bisher können Halter im Harzkreis ihre Fahrzeuge via Internet lediglich abmelden oder wieder zulassen. Das Interesse daran steigt: 2017 nutzten 17 Harzer die Online-Abmeldung, 2018 waren 258 und 2019 bereits 960.

Voraussichtlich ab 1. Februar erweitern sich die Möglichkeiten für Internetnutzer. Dann soll die dritte Stufe des Projekts „i-Kfz“ umgesetzt werden, teilt die Kreis-Pressestelle mit. Damit sollen private Fahrzeughalter auch die Erstzulassung und Umschreibung von Fahrzeugen sowie Adressänderungen online erledigen können. Für Andreas Heine sind aber noch viele Fragen offen: „Der Grundgedanke der Digitalisierung ist nicht verkehrt. Es ist nur die Frage, wie er im Detail umgesetzt wird“, so der Handwerks-Geschäftsführer. Kommentar