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"Neue Fassaden - alte Geschichten" (Teil 26) / Westernstraße 9 Von Schweineschlachterei bis Betriebskantine der HO

Von Andreas Fischer 29.09.2010, 04:17

In der Serie "Neue Fassaden - alte Geschichten" stellt die Harzer Volksstimme historisch interessante Häuser in Wernigerode vor. Mit diesem Thema haben sich auch Heimatforscher wie Dr. Uwe Lagatz und Mitarbeiter der Oskar Kämmer Schule, unterstützt von der KoBa, befasst. Ihre Erforschung fließt in die Beschreibungen mit ein. Der Rundgang führt heute zur Westernstraße 9.

Wernigerode. Die Firma Kalz existiert längst nicht mehr. Trotzdem verbinden viele Wernigeröder diesen Namen noch immer mit dem Wohn- und Geschäftshaus Westernstraße 9.

Bis zurück auf 1456 lassen sich einstige Bewohner nachweisen, damals Johann Koppe, 1781 erstmals ein Fleischermeister namens Johann Heinrich Mühlert. Für 1797 ist der Knochenhauer Johann Diedrich Nehri als Eigentümer bekannt. Danach folgen drei Generationen von Fleischermeistern, alle mit dem gleichen Namen: Ernst Sonntag. Ab 1895 wird der Name Kalz als Vertreter dieser Zunft genannt.

Eine erhalten gebliebene Anzeige bestätigt, dass Gustav Kalz das Haus damals erwarb. Auf einer Ansichtskarte von 1910, die Otmar Groß aus Danstedt bei seinen Recherchen zur Geschichte dieses Hauses vorgelegen hatte, ist über der Tür "Schweineschlachterei von G. Kalz" zu lesen, auf einem Schild zusätzlich "Fleischerei und Schankwirtschaft". Wahrscheinlich vermietete er auch an Gäste, denn in einer Anzeige aus dem Jahr 1926 machte er auf seine "Guten Betten" aufmerksam.

Von 1929 bis etwa 1948 ist Karl Schmidt alleiniger Inhaber und nennt das Geschäft in der Westernstraße nun "Fleischerei Schmidt und Kalz Speisewirtschaft". Fleischermeister Martin Stagge führte das Geschäft um 1951 weiter als "Fleischerei und Gasthaus Kalz", bis es die staatliche Handelsorganisation (HO) übernahm. Sie richtete in der Speisewirtschaft eine Betriebskantine ein, damals Werksküche genannt. Dort wurden die HO-Mitarbeiter verpflegt, auch Angestellte umliegender kleinerer Betriebe und Institutionen. In den 60er Jahren schließlich entstand dort wieder eine Fleischerei, später Fischverkaufsstelle. Neben der noch immer bestehenden Betriebskantine, die auch als Kulturraum bezeichnet wurde, zog die Verwaltung der HO für die Bereiche Lebensmittel und Industriewaren ein.

Mit der Wende gab es neue Hauseigentümer, zunächst erwarb ein Unternehmer aus Cuxhafen das Haus von der Erbin der Familie Kalz. Es folgte eine Familie aus Karlsruhe, die als Mieter zunächst einen Sonderpostenhändler hatte, seit 2002 einen Modeshop. Die Wohnungen über dem Laden wurden allerdings bisher noch nicht saniert.