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Stadtrat Wernigerode Vorstoß zur Stasi-Überprüfung

Stadträte, Bürgermeister sowie leitende Verwaltungsmitarbeiter in Wernigerode sollen auf eine Mitarbeit beim DDR-Ministerium für Staatssicherheit überprüft werden. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Fraktion CDU/Haus und Grund eingebracht.

Von Dennis Lotzmann 18.06.2015, 03:11

Wernigerode l Haben gewählte Volksvertreter zu DDR-Zeiten als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter mit dem Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) zusammengearbeitet? Eine Frage, die nach Wahlen von Gemeinderäten oder Kreistagen immer wieder gestellt wird und mit Regelmäßigkeit in einer Überprüfung der Gremiumsmitglieder mündet.

Auch die 2014 neu gewählten Stadträte in Wernigerode sollen jetzt durchleuchtet werden. André Weber hat im Namen der Fraktion CDU/Haus und Grund einen Antrag eingereicht. Dieser bezieht sich nicht nur auf Stadträte und Ortsbürgermeister, sondern soll auch das Stadtoberhaupt, Amtsleiter und Dezernenten einschließen.

Im Stadtrat sowie in der Verwaltung sind die Reaktionen auf Webers Vorstoß geteilt. Weber selbst sieht im Prinzip ein "Standard-Thema" bei der Aufarbeitung der "SED-Unrechts-Diktatur". "Die Stasi-Landesbeauftragte, Frau Birgit Neumann-Becker, hat nach den Wahlen die Überprüfung angeregt. Ich denke, diesen Schritt zu maximaler Transparenz sollten wir gegenüber den Wählern gehen", so der 27-Jährige, der aufgrund seines Alters außen vor bleibt. Geprüft werden soll, wer 1990 das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Als Stichtag gilt ein Geburtsdatum vor dem 12. Januar 1972.

Konsequenzen aus Briefaffäre

Webers Vorstoß überrascht beim Blick aufs Detail: Er schlägt vor, einen Sonderausschuss zu bilden, in dem das Überprüfungsprozedere abgearbeitet werden soll. Betroffene mit belastendem Ergebnis sollten dort nichtöffentlich die Möglichkeit bekommen, Stellung zu beziehen. Anschließend soll das Prüfresultat mit Nennung von Namen im Stadtrat öffentlich publik gemacht werden. "Nur dann macht die Überprüfung mit Blick auf die Wähler Sinn", so Weber. Er habe bei der Erarbeitung der Vorlage Kontakt mit Juristen der Stasi-Landesbeauftragten gehabt.

Im Rathaus stößt sich am Prozedere niemand. "Hauptamtsleiter Rüdiger Dorff hat den Vorschlag geprüft", lässt Verwaltungssprecher Andreas Meling wissen. Einziger Korrekturvorschlag für die Sitzung des Hauptausschusses, in dem das Thema am 24. Juni erstmals behandelt werden soll: Statt eines Sonderausschusses würde Dorff eher dem Ältestenrat die Regie übertragen. Im Übrigen, so Meling auf Anfrage, unterstütze Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) den Vorschlag.

Ein Aspekt, der in einer aktuellen Debatte in Wernigerode einen besonderen Stellenwert bekommt. Dort war vor zwei Monaten ein Schreiben aufgetaucht, in dem auf Gafferts dreijährigen Wehrdienst bei einem Wachregiment der Stasi angespielt wird. Gaffert selbst hatte diesen Wehrdienst später eingeräumt und versichert: "Darüber hinaus hatte ich keine Kontakte zur Stasi."
Problem der Stasi-Zwangsüberprüfung

Zu den Befürwortern von Webers Vorstoß im Stadtrat gehört Präsident Uwe-Friedrich Albrecht (CDU): "Obwohl die Stadträte schon mehrfach überprüft wurden, hat die Stasi-Landesbeauftragte für einen neuerlichen Check plädiert", so Albrecht. Weil in den Jahren immer mehr geschredderte Akten rekonstruiert worden seien und weil in der Vergangenheit immer wieder neue Dokumente aufgetaucht seien.

So beispielsweise die so genannten Rosenholz-Dateien. In den Wende-Wirren waren jene Mikroverfilmungen von personenbezogenen Stasi-Karteikarten in die USA gelangt und erst 2003 zurück nach Deutschland gekommen. Webers Antrag nimmt auf sie direkt Bezug.

Thomas Schatz von der Linksfraktion sieht den Vorstoß nüchtern: "Wir beschäftigen uns seit 25 Jahren mit der Vergangenheitsaufarbeitung - für die Linkspartei ist das besonders wichtig. Ich sehe aber ein Problem darin, die Überprüfung unter Zwang zu realisieren."

25 Jahre nach der Wende wird Schlussstrich gefordert

Sabine Wetzel von Bündnis 90/Grüne/Piraten sieht im dem Check ein "demokratisches Grundverständnis, das in allen Parlamenten vorhanden sein sollte. Der Vorstoß wird von uns natürlich unterstützt." Stadtratspräsident Albrecht - nach eigenen Worten schon zweimal geprüft - sieht noch einen anderen Aspekt: "Man kann Menschen damit auch entlasten."

Anders Rainer Schulze von der SPD-Fraktion: "Ich bin seit 20 Jahren im Stadtrat, wurde viermal überprüft - was soll das?" Er sei dafür, 25 Jahre nach der Wende einen Schlussstrich zu ziehen. Zumal der Check allenfalls moralische Folgen habe. Es gebe Stadträte, die trotz Belastung noch immer im Stadtrat säßen, so Schulze. Konkrete Namen wollte er nicht nennen.