Verfahren wegen Beleidigung eingestellt / Gastronomen und Gäste verärgert Wahl-Nüsse und Auskehren: Grundgesetz schützt die Aktionen des Ex-Studenten
Er bietet auf dem Markt "Wahl-Nüsse" an, kritisiert den Oberbürgermeister und sorgt für Ärger im Rathaus, bei Gastronomen und Gästen in Wernigerode. Doch Eyk R. darf das. Das Grundgesetz schützt ihn.
Wernigerode l "Ob er Bürgermeister" steht auf dem Karton geschrieben, der vor der Rathaustreppe liegt. Immer wieder wird die Kiste von Windböen an diesem launigen Frühlingstag weggeblasen. Mit einem Besen fegt Eyk R. den Karton zurück auf Position - in den Fokus der Kamera, die er vor dem Wahrzeichen der Stadt Wernigerode aufgebaut hat.
Seit Dezember steht er laut Volksstimme-Informationen regelmäßig auf dem Markt und macht auf sich aufmerksam. Zunächst verkaufte der ehemalige Mediendesign-Student Mistelzweige. Dann waren es Walnüsse, die er Touristen und Wernigerödern als "Wahl-Nüsse" anbot. Er ruft Sätze wie "Jetzt gaffert er wieder", legt linke Schuhe auf die Treppe und behauptet, bei der vergangenen Kommunalwahl sei manipuliert worden. Hinter den Aktionen steckt stets Kritik am Oberbürgermeister.
Er habe auch Peter Gaffert (parteilos) schon persönlich einen Brief geschrieben. "Ich fordere ihn auf, seine Wahlversprechen zu halten", sagt er gegenüber der Volksstimme. "Im Wahlkampf hat Gaffert versprochen, dass es Fördergeld für Leuchtturmprojekte gibt. Jetzt wird das Geld aber mit dem Gießkannenprinzip verteilt." Welche Projekte er genau meint, darauf wollte er nicht näher eingehen.
Eyk R. ist der Stadtverwaltung, den Hoteliers, Gastronomen und Standbetreibern am Markt ein Dorn im Auge. "Ich war vor drei Wochen bei der Polizei, weil sich meine Gäste belästigt fühlten", sagt Café-Betreiber Michael Wiecker. "So entsteht ein Negativ-Image, das auf die gesamte Stadt Wernigerode zurückfällt", befürchtet er.
Unternehmen können die, die sich belästigt fühlen, nichts gegen die öffentlichen Aktionen. Der junge Mann hat - so wie alle anderen Bürger in der Bundesrepublik auch - das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, wissen die Behörden.
Nach Volksstimme-Informationen sei er zudem nicht schuldfähig. Für Eyk R. soll aus Krankheitsgründen ein Vormund verantwortlich sein, der ihm vom Amtsgericht zugeteilt wurde. Den Kontakt zu dem Vormund soll er jedoch ablehnen. Bei Ordnungsamt und Polizei seien zwar viele Beschwerden eingegangen. "Doch er hat wohl eine Art Freifahrtsschein", sagt Rathaus-Pressesprecher Andreas Meling und fügt hinzu: "Wir müssen uns mit ihm arrangieren."
Oberbürgermeister Peter Gaffert habe es sich nicht länger gefallen lassen wollen, in der Öffentlichkeit von dem Ex-Studenten verbal attackiert zu werden. "Er hat das Gespräch mit ihm gesucht, doch die Aussprache hat nicht funktioniert", so Meling. Auf die Frage, ob der Rathaus-Chef daraufhin rechtliche Schritte gegen den unliebsamen Marktbesucher eingeleitet habe, bejahte der Pressesprecher. Das Verfahren sei allerdings eingestellt worden.
"Weil er nicht schuldfähig ist und außerdem keine Straftat begangen hat", erklärt Revierleiter Tilo Schott, "sind wir für ihn nicht zuständig." Es gehöre zu einer freien Gesellschaft, dass Menschen ihre Meinung öffentlich äußern dürfen. Wernigerodes Polizeichef: "Meines Erachtens ist er nicht dumm. Und was er vor dem Rathaus tut, ist erlaubt. Es ist zwar unangenehm, aber gehört zu unserer Gesellschaft."
Versammlungen müssen erst ab drei Personen beim Ordnungsamt angemeldet werden. Dort hält man den unliebsamen Marktgast für kooperativ. Bei Hochzeiten räume R. stets die Treppe und halte sich im Hintergrund. Wegen Lärmbelästigung könne er ebenfalls nicht belangt werden. Ordnungsamtsleiter Gerald Fröhlich: "Es wäre schön, wenn nicht alle gegen ihn hetzen, sondern versuchen, ihn in die Stadtgemeinde zu integrieren. Wir sind eine weltoffene und eine bunte Stadt."
Der Mittdreißiger mit dem langen braunen Haar ist freundlich, wenn auch distanziert. Auf Außenstehende wirken seine Aussagen oft zusammenhangslos. Was er mit seiner Videokamera einfängt, wolle er für einen kritischen Film verwenden. Dass Passanten ihn für eine Last halten, glaube er indes nicht. Er hoffe, dass sein Film verstanden werde.