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Landtagswahl Sachsen-Anhalt 2021 Wahl-Quedlinburgerin Sziborra-Seidlitz will zeigen, wie farbenfroh Grün sein kann

Bei der Landtagswahl kämpfen am 6. Juni im Wahlkreis 17 (Quedlinburg) sieben Direktkandidaten um die Gunst der Wähler. Die Volksstimme stellt Kandidaten und ihre Ziele vor – heute: Susan Sziborra-Seidlitz (Bündnis 90/ Die Grünen).

Von Sandra Reulecke Aktualisiert: 30.06.2021, 17:22
Susann Sziborra-Seidlitz tritt für die Bundesgrünen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an.
Susann Sziborra-Seidlitz tritt für die Bundesgrünen bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an. Foto: Sandra Reulecke

Quedlinburg - Wie sie so in ihrem türkisfarbenen Blümchenkleid – samt passendem Regenschirm – und einem breiten Lächeln im Gesicht auf dem Quedlinburger Marktplatz steht, bildet Susan Sziborra-Seidlitz einen farbenfrohen Kontrast zu diesem nass-kalt-grauen Maitag. Kontraste und Gegensätze sind es auch, die sich wie ein roter Faden durch das Leben der Grünen-Politikerin ziehen. Nicht nur, weil ausgerechnet die CDU-Kanzlerin Angela Merkel zu ihren politischen Vorbildern zählt. Nicht zuletzt ist Susan Sziborra-Seidlitz auch vor elf Jahren von der pulsierenden Großstadt Berlin ins beschauliche Quedlinburg gezogen. Ihre Wahlheimat ist ihr so ans Herz gewachsen, dass sie sich politisch für sie starkmacht – und nun in den Landtag ziehen will.

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich die 43-Jährige für dieses Gremium zur Wahl stellt. 2016 ist sie mit Listenplatz sieben knapp an einem Mandat vorbeigeschlittert. „Ich stehe quasi seit fünf Jahren in Wartestellung“, sagt sie lachend. Nun, mit Listenplatz drei, und dank des bundesweiten Aufschwungs ihrer Partei – laut www.bundestagswahl-2021.de könnten die Grünen im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 16 Prozentpunkte dazugewinnen – dürfte auch ihrer Wahl auf Landesebene nichts mehr im Wege stehen. „Man soll den Kuchen aber nicht zerschneiden, solange er noch im Ofen steht“, bleibt sie vorsichtig.

Zwar könne sie sich gut vorstellen, künftig im Landtag tätig zu sein und dass die Karten für Annalena Baerbock als erste grüne Kanzlerin ebenfalls gut stehen – allerdings sei das Wählerverhalten trotz aller Umfragen nicht immer vorhersehbar. Zumal: „In Sachsen-Anhalt polarisieren die Grünen noch mehr als anderswo“, weiß Kandidatin Sziborra-Seidlitz.

Pöbeleien auf Straße und im Internet gewohnt

Das spüre sie am eigenen Leib. Pöbeleien, vor allem im Internet, aber auch auf offener Straße, seien ihr nicht fremd. Ihre Parteizugehörigkeit sei aber nur ein Grund dafür, glaubt die 43-Jährige. „Es gibt eine Grundaggressivität gegenüber Frauen, die den Mund aufmachen – und so eine bin ich nun einmal.“

Sie halte es aus, anzuecken, wenn es für etwas ist, woran sie glaubt. Auch gegenüber Menschen, denen sie nahesteht. „Ich bin das grüne Schaf der Familie“, gesteht sie und lacht. Ihre Eltern und Großeltern seien zwar auch politisch aktiv, allerdings linksgerichtet. Bei Familientreffen werde gern schon mal hitzig über Politik diskutiert, berichtet die Wahl-Quedlinburgerin. Für Gesprächsstoff und Debatten habe auch ihre Entscheidung, sich taufen zu lassen, gesorgt.

Dabei trat sie in ihrer Jugend, noch in Berlin, sogar kurzzeitig in die Fußstapfen ihrer Familie. Susan Sziborra-Seidlitz lief auf der Liste der PDS, trat 1995 zur Kommunalwahl an und wurde mit 18 Jahren in die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Köpenick gewählt. Rückblickend gesehen keine gute Erfahrung. „Damals hatte ich das Gefühl, Kommunalpolitik ist eine Zumutung für junge Menschen“, erläutert sie. Die starren Strukturen und die Art der Kommunikation hätten ihr den Eindruck vermittelt, nichts bewegen zu können.

Sie entschied sich, vorerst nicht mehr in der Politik mitmischen zu wollen und sich stattdessen ihrer neuen Rolle als Mutter zu widmen. „Aber ich war dennoch immer politisch interessiert und engagiert.“ Zum Beispiel auf Demonstrationen.

Im Herzensberuf in der Krankenpflege gelandet

Zudem arbeitete die junge Mutter an ihrem beruflichen Werdegang. Nach mittlerer Reife und Fachoberschule für Sozialwesen jobbte sie zunächst in der Medienbranche. „Ich habe mich erst spät dazu entschlossen, Gesundheits- und Krankenpflegerin zu werden“, berichtet sie. 2005 begann sie die Ausbildung in ihrem Herzensberuf.

Der Wunsch, wieder politisch tätig zu sein, wurde erst nach dem Umzug nach Quedlinburg, dem Heimatort ihres Mannes, geweckt. Eine bewusste Entscheidung zugunsten der Familie. „Das zweite Kind war mittlerweile da und wir lebten in Berlin mitten im Prenzlauer Berg, mitten in der Partymeile.“ Keine Umgebung, in der sie ihre Kinder aufwachsen sehen wollte.

Von vorherigen Besuchen kannte Sziborra-Seidlitz Quedlinburg bereits gut, mochte die Stadt und konnte sich vorstellen, hier einen Neuanfang zu wagen. Ein Eindruck, der sich nach dem Umzug noch verstärkte. „Ich habe mich sofort in die Stadt verliebt. Quedlinburg ist wahnsinnig liebens- und lebenswert.“ Vor allem die Einwohner, die aus eigenem Antrieb und oft ohne großartige finanzielle Unterstützung Dinge auf die Beine stellen, beeindruckten die neue Einwohnerin der Welterbestadt zutiefst.

Sziborra-Seidlitz sieht viel Potenzial in Harz und Quedlinburg

Dennoch habe sie viel Potenzial in der Stadt und der Region gesehen, das noch nicht genutzt wurde. „Ich hatte gleich das Gefühl, hier kommunalpolitisch etwas bewegen zu können.“ Das Programm der Grünen sei das gewesen, mit dem sie sich am meisten identifizieren konnte. 2010 trat sie der Partei bei, wurde 2015 Kreisvorsitzende im Harz und ein Jahr später Landesvorsitzende. „Wenn ich das Gefühl habe, dass Dinge getan werden müssen und ich es könnte, dann tue ich es auch“, sagt sie schulterzuckend zu ihrem schnellen Aufstieg innerhalb der Partei. Sie sei angst-, aber nicht respektfrei.

Eine Herausforderung seien die politischen Aufgaben zusätzlich zum Familienleben mit mittlerweile drei Kindern und ihrem Job im Krankenhaus schon gewesen. Aber sie habe Rückhalt. „Ich habe ein Netzwerk, auf das ich mich verlassen kann.“ Auf dieses baue sie auch im Hinblick auf einen potenziellen Posten im Landtag von Sachsen-Anhalt. Dort wolle sie nicht nur mit ihren bunten Outfits und auffälligen Kopfbedeckungen für Farbtupfer sorgen, sondern vor allem politischen Debatten einen grünen Anstrich verleihen.

Eine starke Stimme für die Pflege in Sachsen-Anhalt

„Ich bin mit Leib und Seele Gesundheits- und Krankenpflegerin“, betont Susan Sziborra-Seidlitz. „Es reißt mir ein Loch ins Herz, nun nicht am Krankenbett sein zu können.“ Seit dem 15. März sei sie von ihrem Arbeitgeber freigestellt worden, um sich voll und ganz dem Wahlkampf für die bevorstehende Landtagswahl widmen zu können. Wird die Landeschefin der Grünen in das Gremium gewählt, würde sie mindestens eine Legislaturperiode lang – fünf Jahre – nicht mehr in ihrem erlernten Job arbeiten können. Eine Tatsache, die ihr sichtlich nicht leicht fällt.

Warum geht sie dann den Schritt Richtung Vollzeit-Politikerin? „Ich denke, dass ich mehr für die Berufsgruppe in der Politik tun kann“, erläutert die Quedlinburgerin. „Ich möchte als starke Stimme aus der Pflege dastehen.“

Der Bereich Soziales und Pflegeberufe sei eigentlich keiner, der im Wahlprogramm der Grünen in Sachsen-Anhalt nach vorne gestellt werde. „Hier steht vor allem die Klimapolitik im Vordergrund“, so die Landtagskandidatin. Das bedeute aber nicht, dass nicht auch auf andere Bereiche geschaut werde.

Auch Nahverkehr und Flüchtlingsdebatte im Fokus

„Die Grünen sind keine monothematische Partei mehr“, betont sie. Auch die Flüchtlingsdebatte, der öffentliche Personennahverkehr, der im Harz große Lücken aufweise, Kulturfragen sowie soziale Themen etwa hätten einen hohen Stellenwert.

Besonders wichtig ist es der 43-Jährigen, „als Politikerin Feedback zur Realität zu halten“. „Wir müssen erfahren, wie sich politische Entscheidungen vor Ort auch wirklich auswirken.“ Um das zu erreichen, sei es unumgänglich, in der Region, die man vertritt, vernetzt zu sein. „Ich werde weiterhin eine von hier sein – ich bin zwar nicht hier geboren, aber von Herzen Harzerin.“ Für den Blick auf eine Region, die Leidenschaft dafür, sei es manchmal von Vorteil, nicht in einer Gegend großgeworden zu sein, sondern sich ganz bewusst für sie entschieden zu haben.

Sie wolle weiter für die Menschen ihres Wahlkreises ansprechbar sein. „Die Leute kennen mich mittlerweile, sie kommen mit ihren Fragen auch dann zu mir, wenn ich auf dem Markt einkaufen bin.“ Etwas, was sie auch als Abgeordnete gern so fortführen würde.

Und auch ihren Beruf wolle sie trotz der vielen neuen Aufgaben im Landtag nicht ganz aus dem Blick verlieren. „Ich werde mich dem Harzklinikum, einem der größten Arbeitgeber der Region, immer verbunden fühlen und versuchen, mit den Mitarbeitern in Kontakt zu bleiben.“ Wenn es ihre Zeit als Abgeordnete erlaube, wolle sie zudem im Klinikum aushelfen und so nicht nur politisch ihre Kollegen unterstützen.