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Harz Heiße Schlacht im Bodetal

Einen Kraftakt sondersgleichen fordert der Waldbrand, der seit Sonntag unterhalb der Rosstrappe im Bodetal wütet.

Von Dennis Lotzmann 02.06.2020, 21:37

Thale l Der Waldbrand an der schwer zugänglichen Rosstrappe in Thale ist wohl nun gelöscht. "Unter Vorbehalt: Das Feuer ist aus", sagte ein zuständiger Feuerwehrmann am Mittwochmorgen am Einsatzort der Deutschen Presse-Agentur.

Eigentlich kann man Frank Reese, Alexander Otte und Kay Schmidt glatt beneiden. Das Trio macht das, was Otto Normalbürger in aller Regel nicht vergönnt ist: Die drei Hauptkommissare der Bundespolizei-Fliegerstaffel Gifhorn heben von Amts wegen ab und arbeiten in luftiger Höhe. Sie steuern als Trio einen Hubschrauber des Typs Super-Puma und absolvieren bundesweit diverse Einsätze.

Am Dienstagmorgen eilten sie mit ihrem „Pirol 760“ vom niedersächsischen Gifhorn Richtung Bodetal. Wo sie aus Sicht der Feuerwehren zusammen mit einer weiteren Helikopter-Besatzung der Landespolizei Sachsen-Anhalt das letzte Mittel waren, um einen Flächenbrand, der seit Sonntag unterhalb der Rosstrappe loderte, endlich unter Kontrolle zu bringen. Zuvor waren alle Versuche der Feuerwehren, die Flammen an den Baumgruppen im steilen Fels auf klassische Weise zu löschen, gescheitert.

Für das Trio im Super-Puma indes war der Einsatz ein gutes Stück Routine. Schließlich waren die Beamten schon bei vielen anderen großen Waldbränden im Einsatz – im vergangenen Jahr unter anderem bei den Flächenbränden in Brandenburg.

Während Reese und Otte den Helikopter nun punktgenau über die Brandstellen am Rosstrappen-Felsen manövrierten, betätigte Schmidt die elektro-hydraulische Öffnung des angehängten Wassersacks. Jenes Bambi-Bucket kann in Seen oder Flüssen binnen Sekunden rund zwei Kubikmeter Wasser aufnehmen, um sie anschließend über schwer zugänglichen Brandstellen abzulassen.

So auch hier: Das Löschwasser wurde der Wendefurther Talsperre entnommen, anschließend unterhalb der Ross-trappe gezielt auf die Flammen- und Glutnester abgelassen – und ab ging‘s zur nächsten Runde. Ganze acht Minuten, berichtet Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse, dauere ein Durchlauf. Insgesamt 14 hatten das Trio und der Helikopter mit der Kennung „Pirol 670“ kurz nach 9 Uhr bereits absolviert. Dann ging‘s erstmal zum Nachtanken auf den Flugplatz Ballenstedt.

Dabei, erklärte Bordoperator Schmidt aus technischer Sicht, würden nur rund 1200 statt 2000 Liter Sprit aufgenommen. Das schränke die Flugzeit bis zum nächsten Tankstopp zwar auf eine gute Stunde ein, mache aber trotz schwieriger thermischer Bedingungen aufgrund von Sommerhitze und der Wärme der Brandstellen die maximale Zuladung von zwei Tonnen im Wassersack möglich.

Am Dienstag flogen die Gifhorner Bundespolizisten und ihre Kollegen von der Landespolizei nahezu pausenlos vom Morgen bis zum Sonnenuntergang. Für die Kameraden der Feuerwehren am Boden waren sie damit die Rettung in letzter Not, denn „eine andere Möglichkeit zum Löschen gab es wegen der extrem schwierigen Geländebedingungen nicht“, so Lohse. Die eng getaktete Abfolge mit Wassernehmen, Ablassen am Brandort und Auftanken in Ballenstedt ließ zugleich erkennen, wie optimal die Rahmenbedingungen für derartige Einsätze im Harz sind. Die großen Talsperren liegen zentral – von dort sind alle denkbaren Einsatzorte binnen Minuten erreichbar.

Letztere, erinnert Lohse, der zugleich Chef des Landesfeuerwehrverbandes ist, seien hinsichtlich konventioneller Waldbrand-Bekämpfung mit Schlauchleitungen oftmals schwer oder gar nicht zugänglich. Deshalb, davon ist er überzeugt, würden Einsätze mit Lösch-Helikoptern in Zukunft zahlenmäßig an Bedeutung gewinnen.

Der Grund liegt für 57-Jährigen auf der Hand: Laut Prognosen der Klimaexperten immer heißere, trockenere Sommer. Dazu flächenhaft absterbende Fichtenwälder. Wenn das Totholz wie im Bereich des Nationalparks bewusst im Wald belassen werde, steige damit das Brandrisiko weiter, warnt Lohse. Das sieht die Göttinger Forstwissenschaftlerin Bettina Kietz ähnlich. Sie hatte im Februar wegen der Menge an Totholz vor katastrophalen Waldbränden gewarnt. Besonders in Hanglagen könnten sich Feuer rasch ausbreiten. Deshalb fordern Anrainerkommunen wie Schierke das Entfernen des Totholzes und das Anlegen von Schutzschneisen.

Eine Forderung, die mit dem Brand in Bodetal neu befeuert wird. Gestern unterstrichen Landtagsabgordnete von CDU und SPD ihre Forderung nach besserer technischer Ausstattung der Brandschützer und besserem vorbeugendem Brandschutz gerade im Harz. Das Land, so ein Sprecher des Innenministeriums, investiere bis Ende 2021 gezielt in die Anschaffung von Löschtechnik zur Waldbrand-Bekämpfung.

Signale, die Verbandschef Lohse, der im Harzkreis zugleich Kreisbrandmeister ist, durchaus erfreut registriert. Er sieht mit Blick auf alle Prognosen aber noch mehr Bedarf für Zusammenarbeit und gemeinsames Agieren auf allen behördlichen und kommunalen Ebenen. Bei der Ausrüstung und Vorsorge seien leichte Einsatzkleidung für die Wehrleute ebenso wichtig wie ausreichend große Löschwassertanks, die vorsorglich und in ausreichender Zahl an neuralgischen Punkten in den Wäldern platziert werden müssten. Und: „Wenn die Einsatzleitungen unserer Feuerwehren entscheiden, Helikopter anzufordern, muss das schnell und ohne weitere Diskussionen umgesetzt werden“, so Lohses zentrale Forderung.

Wie gefährdet nicht nur die Wälder im Bodetal sind, macht indes der Blick nach Schierke deutlich. Dort gab es am Pfingstmontag zwei Waldbrände, so Wehrleiter Ronny Schuck. Gegen 13 Uhr wegen eines illegalen Lagerfeuers unweit der Leistenklippen bei Drei Annen Hohne und eine Stunde später im Gleisbett der Brockenbahn unweit des Eckerlochs.

Hier waren jeweils 16 Kameraden gefordert – kein Vergleich zum Bodetal, wo zeitweilig 90 Kameraden eine heiße, kräftezehrende Schlacht gegen die Flammen führen mussten. Am Dienstagnachmittag rückten die Berufsfeuerwehren Magdeburg und Braunschweig mit Hochleistungs-Wasserförderanlagen an, um Nass von Thale hinauf zur Rosstrappe zum pumpen. Das THW Oschersleben baute auf dem Berg ein Speicherbecken auf. Das Ziel der Aktion: Wenn die Helikopter die Flammen abgelöscht haben, muss wohl noch längere Zeit von der Rosstrappe nachgelöscht werden, um alle Glutnester zu elimieren. Soll heißen: Der heiße Kampf wird noch dauern.