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Harz Was Nationalpark-Chef Andreas Pusch kurz vor seinem Ruhestand auf den Nägeln brennt

Von Ivonne Sielaff 28.04.2021, 13:12
Andreas Pusch kam 2004 nach Wernigerode. Seine erste Aufgabe als Leiter des Nationalparks Harz war es, die beiden eigenständigen Verwaltungen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu vereinen.
Andreas Pusch kam 2004 nach Wernigerode. Seine erste Aufgabe als Leiter des Nationalparks Harz war es, die beiden eigenständigen Verwaltungen in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu vereinen. Ivonne Sielaff

Wernigerode

Nicht nur der Wald ist im Wandel. Auch an der Spitze des Nationalparks Harz steht ein Wechsel an. Dessen langjähriger Chef Andreas Pusch hängt seien Job an den Nagel. Ab dem 1. Mai beginnt für den 65-Jährigen ein neuer Lebensabschnitt. Pusch geht in den Ruhestand.

„Es ist erstaunlich, wie hektisch die letzten Tage waren“, sagt Andreas Pusch im Gespräch mit der Volksstimme. Er habe zuletzt eine „Rundreise“ durch die Außenstellen gemacht, um sich coronakonform von so vielen Kollegen wie möglich zu verabschieden. Für ihn eine Herzensangelegenheit.

Mehr als 16 Jahre lang hat er den Nationalpark mit Verwaltungssitz in Wernigerode geleitet. Der Start sei schwierig gewesen – und das nicht nur weil er vor der Aufgabe stand, die zwei zuvor eigenständigen Verwaltungen auf niedersächsischer und sachsen-anhaltinischer Seite zu vereinen. Eine bekannte deutsche Boulevardzeitung habe ihn zu seinem Einstand mit den Worten zitiert: „Ich bin der König vom Harz“. Das sei allerdings nie so aus seinem Munde gekommen. „Ich habe damals lediglich gesagt, dass ich der Aufgabe mit Respekt begegne.“ Die Schlagzeile habe ihm die ersten Monate erschwert, blickt er nachdenklich zurück. „Danach konnten wir dann aber beginnen, ein gemeinsames Waldentwicklungskonzept umzusetzen – mit vielen Besprechungen, Exkursionen und Rat von außen.“

Den Wald schon immer im Blick gehabt

Der Wald liegt Andreas Pusch schon lange am Herzen, gehörte er doch immer irgendwie zu seinem Lebensumfeld dazu. „Ich bin in Bad Harzburg aufgewachsen – direkt am Waldrand.“ Als kleiner Junge schon sei er auf Bäume geklettert und durch den Wald gestreift. Als Jugendlicher habe er dann in den Ferien im alten Forstamt Bad Harzburg gejobbt. „Dabei habe ich erfahren, dass das Försterleben nicht nur darin besteht, mit einem Dackel an der Leine durch den Wald zu spazieren.“ Seither habe er sich ernsthaft für den Beruf interessiert. Nach dem Studium der Forstwissenschaften habe er in verschiedenen Dienststellen der Forstverwaltung gearbeitet. „Ich wollte ins Forstamt, wo man Wald gestalten kann“, sagt Pusch. „Schon damals habe ich gelernt, den Wald auch mal sich selbst zu überlassen und einfach wachsen zu lassen.“ Die forstliche Versuchsanstalt, das Forstplanungsamt und das Landesministerium sind weitere Etappen seiner Karriere gewesen. „Im Nationalpark Harz war ich aber am längsten.“

Die Diskussion um den Borkenkäfer habe ihn dort von Anfang an begleitet. „Damals war der Meineberg bei Ilsenburg betroffen.“ Diese Region sei inzwischen aber ein „Beispiel für eine positive Waldentwicklung. Die Kahlflächen von einst sind heute wieder geschlossener Wald. Dort wachsen jetzt Birken und Mischwald. Der Wald ist vielfältiger als vorher.“

Der Natur freien Lauf lassen

Der Waldwandel schreite momentan „rasant“ voran, so die Einschätzung des scheidenenden Nationalpark-Chefs. Der Klimawandel mit heißen trockenen Jahren habe zur Beschleunigung dieser Entwicklung beigetragen. Das aktuelle Baumsterben erstaune und erschrecke viele Menschen. „Und das zurecht“, sagt Pusch. „Sie sehen die Massen an totem Holz.“ Der Wald selbst aber sterbe nicht, er verjünge sich dynamisch. „In der Kernzone des Nationalparks lassen wir der Natur freien Lauf. Das Holz dort liegen zu lassen – also im natürlichen Kreislauf zu belassen – gehört zum Natur sein lassen dazu.“ Am Rand der Entwicklungszone seien dagegen in den vergangenen Jahren viele Bäume nachgepflanzt worden.

„Wir als Nationalpark verfolgen reine Naturschutzziele“, erklärt Pusch. Problematischer sei die Situation in den Wirtschaftswäldern. Dort seien die Waldbesitzer vom Absterben der Fichten hart betroffen. „Das muss man unterscheiden.“

Während die Entwicklung des Waldes weiter voranschreitet, sei der Nationalpark als Institution gefestigt und laut Pusch gut in der Region verankert. „Die Fusion der beiden Verwaltungen war schwierig, aber erfolgreich.“ Auch habe sich die Zusammenarbeit mit zwei Ministerien zweier Bundesländer als vorgesetzte Dienststelle „sehr erfolgreich“ etabliert. „Die Nationalparkverwaltung hat inzwischen großen Handlungsspielraum und die Rückendeckung von beiden Ministerien.“

Nachfolger steht in Startlöchern

Für die nächsten Jahre würden neue Aufgaben anstehen. „Der Bedarf an Information, Umweltpädagogik und wissenschaftlicher Begleitung steigt. Da müssen wir uns allmählich umorientieren.“

Eine der Herausforderungen, der sich sein Nachfolger wird stellen müssen. Und der ist mit Roland Pietsch bereits gefunden – auch wenn das niedersächsische Umweltministerium die Personalie auf Volksstimme-Nachfrage noch nicht offiziell bestätigt. Pietsch, der momentan noch bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz tätig ist, tritt die Stelle am 1. Juli an.

Andreas Pusch selber verabschiedet sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge aus dem Arbeitsleben. „Es war eine schwierige, anstrengende, aber gleichzeitig fantastische Zeit“, sagt der 65-Jährige. „Dennoch freue ich mich auf den Ruhestand.“ Für ihn sei es okay, jetzt loszulassen – den Nationalpark und den ganzen Harz auch mal in Ruhe durchwandern und vor allem genießen zu können. „Es gibt zwar nur ganz wenige Ecken, in denen ich noch nie oder lange nicht war. Aber da möchte ich gerne mal wieder hin.“ Er bleibe dem Wald also erhalten. Darüber hinaus will Pusch, der inzwischen in Berßel lebt, nun mehr Zeit mit der Familie verbringen und verreisen, wenn es wieder möglich ist.