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Wasser Stadt Wernigerode klagt gegen Bescheid

Die Stadt Wernigerode wehrt sich mit einer Klage gegen Anschlussbeiträge für eine alte Kläranlage.

Von Ivonne Sielaff 11.08.2019, 06:53

Wernigerode l Rathaus, Harzmuseum, Feuerwehr, Kinderbibliothek – all das sind Gebäude, die zum Stichtag 15. Juni 1991 an die alte Kläranlage in der Schmatzfelder Chaussee angeschlossen waren. Ein Fakt, der die Stadt Wernigerode teuer zu stehen kommt. 469.879,11 Euro verlangt der Wasser- und Abwasserverband Holtemme-Bode nachträglich – als „besonderen Herstellungsbeitrag“. Der Bescheid ist vor wenigen Wochen ins Wernigeröder Rathaus geflattert.

Ungefähr zwei Dutzend größere und kleinere städtische Grundstücke sind betroffen, informiert Ordnungsdezernent Christian Fischer, der sich auch um die Rechtsangelegenheiten der Stadt kümmert.

Das Geld sei in der Vergangenheit bereits per Rückstellung im Haushalt verankert worden, weil die Forderung absehbar war. Dennoch strebt die Stadt eine gerichtliche Überprüfung an. „Wir verklagen als Stadt natürlich nicht einfach so den eigenen Verband“, so Fischer weiter. „Wir sehen uns geschlossen und auf der gleichen Seite wie der Verband.“

Warum? Der Wasser- und Abwasserverband hat sich in den vergangenen Jahren selber mit Händen und Füßen gegen die Erhebung des Beitrags gewehrt. Allerdings erfolglos. Insgesamt geht es um 9 Millionen Euro, die der Verband von den Eigentümern von 4200 von privaten und gewerblichen Grundstücken in der Stadt eintreiben muss. Also nicht nur die Stadt, sondern auch etliche Wernigeröder sehen sich in diesen Tagen mit der Geldforderung konfrontiert.

Bereits 2015 hatte die Kommunalaufsicht des Harzkreises vom Verband die Eintreibung der Beiträge von den „Altanschließern“ verlangt. Dem vorausgegangen war eine Änderung im Kommunalabgabengesetz des Landes. Im Verband war man damals allerdings der Ansicht, die Altanschlüsse nicht mit Beiträgen belasten zu dürfen. „Wir dürfen nur das Geld ruhigen Gewissens einnehmen, auf das wir einen gesetzlichen Anspruch haben“, so Verbands-Geschäftsführer Nikolai Witte im Volksstimme-Gespräch. Und eben das war strittig.

Knackpunkt ist die alte Kläranlage selbst. Würde diese lediglich als Provisorium eingestuft, wären keine Altbeiträge zu erheben. Nach den bisher geltenden Kriterien war die Anlage als eben solches Provisorium anzusehen. Bis 2015 – als das Landesverwaltungsgericht per Eilverfahren entschied, dass die Anlage doch kein Provisorium ist und die besonderen Beiträge zu erheben sind. Der Verband entschloss sich damals, dagegen zu klagen. Den Kunden wurde empfohlen, Widerspruch gegen den Gebührenbescheid einzulegen und eine Aussetzung der Vollstreckung zu beantragen.

Inzwischen ist die Rechtsfrage geklärt: Das Oberverwaltungsgericht hat Anfang des Jahres entschieden, dass die marode Kläranlage kein Provisorium im Sinne des Beitragsrechts ist. „Wir dachten eigentlich, wir hätten gute Argumente“, so Witte. Diese hätten dem Oberverwaltungsgericht allerdings nicht gereicht. Der Wasser- und Abwasserverband ist nun gezwungen, die Bescheide zu versenden - was in den letzten Wochen geschehen ist.

„Wir haben unseren Kunden ein mehrseitiges Schreiben geschickt, in dem wir die rechtliche Situation erläutern und warum sie zur Zahlung verpflichtet sind“, so der Verbandschef gegenüber der Volksstimme. Gleichzeitig werden die rechtlichen Möglichkeiten dargestellt, die die betroffenen Kunden nun haben:

1: Rücknahme des Widerspruchs,

2: keine Rücknahme des Widerspruchs. Der Verband hat dann darüber zu befinden, muss sich aber an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes orientieren. Den Kunden steht es frei, den Rechtsweg auf eigene Kosten zu beschreiten.

3. Die Bearbeitung des Widerspruchs ruht, bis das Gerichtsverfahren, dass die Stadt Wernigerode anstrebt, beendet ist.

Gezahlt werden muss in jedem Fall erst einmal.

Zurück zur Klage der Stadt Wernigerode: Mit ihrem Musterverfahren will die Stadt eine Klageflut verhindern, erläutert Christian Fischer. „Es kann nicht im Sinne der Justiz und des Verbandes sein, wenn die Klagen von mehreren hundert Kunden zu bearbeiten sind.“ Gleichzeitig wolle man die Bürger vor Prozesskosten bewahren. Am Musterbeispiel Kleinstes Haus soll laut Fischer geprüft werden, ob der Verband tatsächlich gezwungen ist, die Beiträge für den Anschluss an die alte Kläranlage einzufordern und ob bei der Kalkulation der Beitragshöhe alles korrekt ist. „Ich kann deshalb nur jedem Bürger raten, den eigenen Bescheid zu prüfen“ – zu schauen, ob die Angaben zu Grundstücksgröße, zu den Flurstücken und zur Geschosshöhe richtig sind. „Da kann es bei der Masse an Bescheiden durchaus zu Fehlern gekommen sein.“

Nicht alle Kunden haben so viel Geduld, um ein weiteres Gerichtsverfahren abzuwarten. Rund die Hälfte der Betroffenen habe sich bereits zurück gemeldet, informiert Verbandschef Nikolai Witte. Zwar wollen davon mehr als 50 Prozent die Klage der Stadt abwarten. Ein Großteil habe sich aber für Möglichkeit 1 entschieden, ihren Widerspruch zurück genommen und gezahlt. Kommentar