"Neue Fassaden – alte Geschichten" (Teil 22) / Marktstraße 7 Wo einst Bier abgefüllt wurde, wird heute Brot verkauft
In der Serie "Neue Fassaden –alte Geschichten" stellt die Harzer Volksstimme historisch interessante Häuser in Wernigerode vor. Mit diesem Thema haben sich auch Heimatforscher wie Dr. Uwe Lagatz und Mitarbeiter der Oskar Kämmer Schule, unterstützt von der KoBa, befasst. Ihre Erforschung fließt in die Beschreibungen mit ein. Der Rundgang führt heute zur Marktstraße 7.
Wernigerode. Im Quedlinburger Brauhaus Lüdde wird noch heute Bier mit dem ungewöhnlichen Namen "Puparschknall" gebraut und ausgeschenkt. Dieses Schwarzbier hatte einst offensichtlich auch in Wernigerode viele Liebhaber. Im Haus Marktstraße 7 wurde es abgefüllt.
An diese Zeit erinnert nicht mehr viel. Außen fällt zunächst die große Toreinfahrt auf. Dahinter befindet sich ein größeres Nebengebäude mit einem alten Flaschenzug. "Dort wirkte ab 1901 der Bierverleger Heinrich Strahsburger", erläutert Günter Sturm, der jetzt in dem Vorderhaus mit seiner Frau Renate wohnt. Von beiden aufbewahrte Inserate verweisen auf den Vertrieb "hiesiger und fremder Biere". Auch das Köstritzer Schwarzbier wird ausdrücklich mit erwähnt.
Bis zum Jahr 1415 lassen sich einstige Hauseigentümer zurückverfolgen. Ein "Hans von Minsleben" wird in der Chronik vermerkt. Für die folgenden Jahrhunderte sind die Familien Remling, von Lengerke und von 1714 bis 1816 mehrere Sprösslinge der Familie Hornung, überwiegend waren es Schlosser, nachgewiesen. Nach Christian Friedreich Dempewolf (1816) werden der Schuhmacher Ludwig Kühne (1833) und der Schuhmachermeister Heinrich Ludwig Kühne (1884) genannt. Im Jahr 1901 gehörte das Grundstück dem Bierverleger Strahsburger, der es Anfang der 20er-Jahre an Hermann Michaelis verkaufte.
Uhrmacherwerkstatt und Orchesterbüro
"Dieser war sowohl Schuhmacher als auch Bierverleger", weiß Günter Sturm anhand eines Grundbuchauszuges zu berichten. Dessen Tochter Ruth Becker verkaufte das Haus in der Wendezeit an die Familie des Uhrmachermeisters. "Wir waren damals sehr froh", erinnert sich der jetzige Bewohner. Denn der Vermieter seines damaligen Ladens in der Westernstraße wollte die Miete so in die Höhe treiben, dass Verluste absehbar waren.
"Obwohl das Haus in der Marktstraße seinerzeit in einem sehr desolaten Zustand war, griffen wir im Jahr 1990 zu, sanierten es umfassend und eröffneten dort Anfang 1991 unsere Uhrmacherwerkstatt", erinnert sich der Meister. In der leerstehenden Wohnung im Erdgeschoss wurde ein weiterer Laden eingerichtet, so dass von nun an zwei Geschäfte in dem traditionsreichen Haus existieren.
Die Läden wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten sehr unterschiedlich genutzt. Sie dienten als Orchesterbüro, beherbergten die Harzburger Zeitung, Verkaufsräume des Glaswerkes Derenburg und bis Ende 1994 die Uhrmacherwerkstatt Sturm. "Aus gesundheitlichen Gründen musste ich damals aufgeben", sagt der Meister. Nachdem in seinem Laden einige Zeit Schmuck verkauft wurde, werden jetzt Geschenkartikel für den Wohnbereich angeboten, im benachbarten Laden seit längerem Backwaren. Das Haus selbst hat das Ehepaar Sturm inzwischen seinen Kindern übertragen.