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Arbeitsstreit Raus aus der Behindertenwerkstatt

Drei Mitarbeiter der Werkstatt für Behinderte in Wolmirstedt sind beurlaubt worden. Sie hatten sich anderswo nach Arbeit umgeschaut.

Von Gudrun Billowie 13.07.2017, 01:01

Wolmirstedt l Heike Böttcher, Christian Klebe und Sven Seidel arbeiten seit über zehn Jahren in der Holzwerkstatt des Bodelschwingh-Hauses. Zuvor waren sie in anderen Werkstätten des Hauses beschäftigt und die Arbeit machte immer Spaß. Das beteuern alle drei. Doch nun hat sich das Blatt gewendet.

Sie wurden von der Arbeit freigestellt, nur wenige Tage, nachdem sie sich in einer anderen Werkstatt für behinderte Menschen nach einer Arbeit umgesehen haben. „Ich wollte gar nicht kündigen“, sagt Sven Seidel, „ich habe mich nur mal umgeschaut.“ Er fühlt sich, wie die anderen beiden, zu Unrecht vor die Tür gesetzt.

Mit dem Gedanken, woanders hin zu wechseln, spielen alle drei allerdings schon länger. Sven Seidel, habe sich in der Werkstatt alleine gefühlt. Christian Klebe litt unter Meinungsverschiedenheiten. Heike Böttcher sah sich zur Arbeit angetrieben, brauche als psychisch Kranke aber Pausen. Außerdem sei sie aus der Holzwerkstatt weg versetzt worden und sollte stattdessen Schaltschränke zusammenbauen. Das gefiel ihr nicht.

Ihr ehemaliger Werkstatt-Gruppenleiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, stärkt den Dreien den Rücken: „Psychisch kranke Menschen kann man nicht einfach umsetzen.“

Der Mann ist nicht mehr für das Bodelschwingh-Haus tätig, ließ den Kontakt zu den behinderten Menschen und ihren Eltern jedoch nicht abreißen. Er scheint sich weiter sehr um seine ehemaligen Schützlinge zu sorgen und verurteilt scharf: „Stress muss von den behinderten Menschen ferngehalten werden, mit Druck können sie nicht umgehen.“ Außerdem müsse der Arbeitsschutz beachtet werden.

Mängel gäbe es, die sind inzwischen beim Gewerbeaufsichtsamt des Sozialministeriums angezeigt worden. Anonym. Aufgeführt wurden unter anderem eine fehlende Absaugvorrichtung, obwohl mit Klebstoffen gearbeitet wurde. Außerdem haben sich Fenster in der Werkstatt nicht öffnen lassen.

Eine Prüfung durch Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes in der Holzwerkstatt habe es daraufhin gegeben, bestätigt Ministeriumssprecherin Ute Albersmann. Mehr könne sie dazu derzeit nicht sagen, das anschließende, immer längerfristig dauernde Verfahren in Kooperation mit der Werkstatt laufe noch.

Im Bodelschwingh-Haus sind die Vorwürfe ebenfalls bekannt. Bodelschwingh-Haus-Vorstand Swen Pazina, Werkstattleiter Raimund Heinke und Nadine Stegert vom begleitenden sozialen Dienst bestätigen zudem, dass sie die drei Beschäftigten beurlaubt haben. Sie wollten wieder Ruhe in den Arbeitsalltag bringen. Die war seit Längerem gestört, die oft und laut geäußerten Wechselabsichten der Mitarbeiter hätten andere verunsichert. Manche hätten sich sogar bedrängt gefühlt.

Als die drei dann wirklich gehen wollten, seien sie die vier Wochen bis zur Wirksamkeit der Kündigung freigestellt worden. „Wir haben ihnen auch gesagt, dass es uns sehr leid tut“, sagt Nadine Stegert. „Sie können gerne zurückkehren, wenn sie wieder dauernd und fair mitarbeiten möchten“, bekräftigt Swen Pazina.

Die Holzwerkstatt befindet sich in der Glindenberger Straße 6d am Handwerkerring, die Halle wurde 2009 für zehn Jahre gemietet. Ein Rundgang zeigt, dass es in der Halle Fenster gibt, in einem Nebenraum sind keine, dort lassen sich bei Bedarf Rolltore öffnen. „Bis vor Kurzem hat sich niemand über fehlenden Arbeitsschutz beschwert“, sagt Swen Pazina. Produziert wird derzeit kaum und das hat wirtschaftliche Gründe.

In der Werkstatt werden Rahmen für Boxspringbetten hergestellt, bis vor Kurzem auch noch Lattenroste. Acht Mitarbeiter haben dort gearbeitet, dann lief der Auftrag für die Lattenroste aus. „Seit Oktober haben wir versucht, neue Auftraggeber zu finden“, sagt Werkstattleiter Raimund Heinke, „doch seit drei Monaten ist klar, dass der alte Zustand nicht wieder hergestellt werden kann.“

Allein deshalb mussten Mitarbeiter wie Heike Böttcher umgesetzt werden, nun arbeiten noch vier Mitarbeiter in der Holzwerkstatt, dazu ein Springer. Ob der Vertrag für die Halle verlängert wird, ist aufgrund der Auftragslage unklar.

Zum Vorwurf großen Arbeitsdrucks sagt Nadine Stegert: „Unsere Beschäftigten können Pausen fordern und unterliegen keinem Leistungsdruck.“ Außerdem werde mit jedem Beschäftigten einmal im Jahr ein sogenanntes Gesamtplanungsgespräch geführt, wo Pläne, das Empfinden und auch Krisen angesprochen werden. Gerade mit den drei Wechselwilligen habe es in der Vergangenheit viele weitere Gespräche gegeben.

Natürlich haben sie ein Wunsch- und Wahlrecht“, sagt Swen Pazina und lässt verbal die Tür weit offen, „vielleicht ist diese Trennung der beste Weg, um zu schauen, wie es miteinander weitergeht.“