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Archäologie Gräber stören Jersleber Straßenbau

Die Bauarbeiten an der Dorfstraße in Jersleben verzögern sich.

Von Sebastian Pötzsch 10.05.2020, 02:00

Jersleben l Ina Stimpel hatte es Mitte März bereits geahnt: Wegen der Regenfälle zu dieser Zeit könnte sich das Vorhaben „Grundhafter Ausbau Dorfstraße Jersleben“ verzögern. „Das wird sich jedoch erst in den kommenden Wochen zeigen“, hatte die Fachdienstleiterin „Gemeindeentwicklung“ der Niederen Börde damals gegenüber der Volksstimme erklärt. Die Anwohner wissen es bereits seit spätestens Ende April: Die Bauarbeiten werden nicht wie geplant in diesem Zeitraum fertig.

Die Bestätigung kommt indes von Holger Matz. Der Ingenieur hat im Auftrag der Gemeindeverwaltung die Bauüberwachung übernommen und erklärt: „Zwar hatten wir in diesem Jahr keinen frostigen Winter, dafür haben die vielen Regenfälle im März Probleme bereitet. Hinzu kommen aber auch Einschränkungen infolge der Corona-Krise und der Fund von Skeletten.“

Wegen der Skelette sei das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle informiert worden. Nur wenige Tage später reiste Helen Stohrl an den Fundort. Hier grub und sicherte die Archäologin des Landesamtes über mehrere Wochen ganz allein die Fundstelle. Was sie hier fand, ist eine kleine Sensation: So handelt es sich vermutlich um mehrere über 1000 Jahre alte Grabstätten. „Die unmittelbar bei den Skeletten gefundene Keramik weist auf das frühe Mittelalter hin. Bei einem konnte am linken Unterarm sogar eine Eisenklinge gefunden werden“, berichtet Stohrl. Dabei könnte es sich um ein Messer oder einen Dolch handeln.

Sichergestellte Grabbeilagen deuten darauf hin, dass die Menschen nicht zu heidnischer Zeit begraben wurden. „Ich gehe davon aus, dass es sich vermutlich um frühchristliche Gräber handelt “, schätzt die Archäologin ein. Wären die Stätten heidnischen Ursprungs, wäre Stohrl auf andere Grabbeilagen gestoßen

Auch die Nähe zur benachbarten Dorfkirche deutet darauf hin. Hier, am Ende der Regenwasserleitung im östlichen Teil der Dorfstraße, waren die Bauarbeiter auf die Skelette gestoßen. „Sie lagen in einer dunklen, fast schwarzen humosen Schicht, in welcher die Grabgruben nicht zu erkennen waren“, erklärt die Fachfrau weiter. Alte Leitungsgräben hätten die Befunde allerdings schon stark zerstört. „Es ist aber auch gut möglich, dass die Skelette schon früher aus ihrem ursprünglichen Bestattungskontext gerissen wurden“, führt Helen Stohrl weiter aus. Fundstellen mit durcheinanderliegenden Knochen mehrerer Individuen deuteten darauf hin. Mehr könne sie nach derzeitigem Kenntnisstand allerdings nicht sagen, da die Kampagne erst noch ausgewertet werden muss.

Unterdessen schreiten die Bauarbeiten wieder voran. Der Unterbau ist fertiggestellt. Zuvor war die alte Straße teils bis auf mehrere Meter ausgebaggert worden. Dann wurden Trink- und Regenwasseranschlüsse hergestellt und die Regenwasserkanalisation erneuert. Dazu gehörte auch die Installation sogenannter Rigolen. Dabei handelt es sich um unterirdische Pufferspeicher, die eingeleitetes Regenwasser aufnehmen, um es zu versickern. Dafür kann eine Rigole beispielsweise mit Kies oder anderen Stoffen ausgefüllt werden.

Auch der Gehweg war komplett aufgenommen worden. Ein Grund war die Verlegung von Leerrohren für das künftige kommunale Breitbandnetz für ultraschnelles Internet. Außerdem wurde unter einer künftigen Grünanlage im mittleren Teil der Dorfstraße eine Löschwasserzisterne gesetzt. Sie fasst 100 Kubikmeter Wasser. Nach der Fertigstellung des Unterbaus waren die Bordsteine gesetzt worden. Derzeit liegen die Plasterarbeiten an den Fußwegen im Endstadium, bevor die Straße eine neue Deckschicht bekommt.

Derweil haben auch die Arbeiten im nördlichen Teil der Dorfstraße begonnen. Hier wurde in den vergangenen Tagen das alte Pflaster aufgenommen und mit den Auskofferungsarbeiten begonnen.

Wann genau das Projekt beendet ist und alle Abschnitte wieder für den Verkehr freigegeben werden, steht bisher nicht fest. „Bis August kann es dauern“, erklärte Bauüberwacher Holger Matz.