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Landkreis Börde Wolmirstedts digitale Zukunft

Corona hat gezeigt, wie wichtig es für Wolmirstedter Bürger ist, digital gut aufgestellt zu sein.

Von Gudrun Billowie 28.01.2021, 00:01

Wolmirstedt l Homeoffice und Homeschooling sind keine Schlagworte mehr, sondern in vielen Familien längst Realität. Was soll die Stadt beitragen? Wolmirstedt hat die Zeichen der Zeit erkannt, will digitaler werden, musste aber erst einmal eine Schlappe einstecken. Die Stadt wollte ein Digitalisierungszentrum einrichten, hat Fördermittel beantragt, dieser Antrag wurde abgelehnt. Doch was braucht Wolmirstedt eigentlich, um zukunftsfähig zu sein? Da hat Marco Langhof gute Ideen.

Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der IT- und Multimediaindustrie Sachsen-Anhalts lebt mit seiner Familie in Wolmirstedt und sieht, dass die digitale Zukunft den Glasfaseranschluss benötigt. „Wenn wir 20 oder 30 Jahre zurückschauen, sehen wir, dass sich der Bedarf an Bandbreiten alle zwei Jahre verdoppelt hat und es gibt kein Zeichen, dass diese Entwicklung aufhört.“

Wolmirstedt hat dieser Entwicklung schon ein Stück weit Rechnung getragen. Längst wurde Glasfaser in der Stadt verlegt, jedoch nur bis zum Verteilerkasten. Die restliche Strecke legen die Daten über die alte Telefon-Kupferleitung zurück. Das verhält sich so, als wären die Daten zuerst auf der Autobahn unterwegs, das letzte Stück bis ins Haus müssen sie die enge Dorfstraße nutzen. Wer nah am Verteilerkasten wohnt, kann Glück haben, dass trotzdem genug ankommt. Wessen Kupferleitung erst längere Wege zurücklegen muss, kann mit Verlusten rechnen.

„Glasfaserausbau müsste eigentlich zur Daseinsvorsorge gehören.“

Bürger spüren das unter anderem, wenn Daten verzögert ankommen, wenn die Videokonferenz im Homeoffice zur Geduldsprobe wird. Müssen die Kinder außerdem beim Homeschooling mit der Schule Kontakt halten, gerät so ein Netz schnell an die Grenzen. Corona zeigt, was das Internet 2021 können muss.

„Glasfaserausbau müsste eigentlich zur Daseinsvorsorge gehören“, sagt Marco Langhof. Bisher obliegt es den Geschicken jeder Kommune, welche Entwicklung sie nimmt. Er rät dazu: „Die Stadt und die Bürger sollten das ausnutzen, was man Wettbewerb nennt.“

Letztlich komme es bei der Preisgestaltung des Glasfasernetzes darauf an, wieviele Bürger sich anschließen. Wirtschaftlich gesehen sei nicht das Glasfaserkabel das Problem, sondern der Tiefbau. Es mache also Sinn, wenn sich viele Bürger anschließen, einerseits wegen des eigenen Geldbeutels, aber auch, damit Unternehmen überhaupt bauen wollen. Auch für sie muss sich der Netzausbau rechnen.

Die Hohe Börde beispielsweise hat einen Anbieter aus der Wirtschaft gefunden, der Glasfaser bis ins Haus legt, sobald sich 40 Prozent der Haushalte einer Ortschaft dafür entschieden haben. In drei Ortschaften wird seit dem 17. Januar gebuddelt, weitere folgen.

Ein Selbstläufer war das nicht. Die Bürger mussten zuvor ausreichend informiert werden, sodass die geforderte Anschlussquote erreicht werden konnte. Steffi Trittel, Bürgermeisterin der Hohen Börde, sagt: „Wir und unser Kooperationspartner – das Telekommunikationsunternehmen Deutsche Glasfaser - sind in alle Gemeinden gegangen und haben informiert. Es war ein Kraftakt, ein Marathon an Gesprächen und das in Corona-Zeiten. Aber es hat sich gelohnt.“

Die Gemeinde Barleben prescht ebenfalls vor. Sie bekam am Dienstag einen Förderbescheid in Höhe von knapp 3,4 Millionen Euro, zählt damit zu bundesweit zehn Projekten Deutschlands, die sich die Vorteile des neuartigen 5G-Mobilfunkstandards zunutze machen wollen.

Trotz dieser beeindruckenden Nachrichten aus den Nachbargemeinden sieht Marco Langhof die Zukunft Wolmirstedts vor allem in der konsequenten Versorgung mit Glasfaser. Die Stadt wäre zunehmend attraktiver für junge Familien, die sich ohnehin verstärkt in den neuen Wohngebieten Lindhorster Weg, Elbeu oder Glindenberg ansiedeln. Diese Personengruppe ist es auch, die Einkommenssteuer zahlt und gerade für sie ist es in Corona-Zeiten wichtig, im Internet stabil unterwegs zu sein.

Marco Langhof sieht aber auch Bedarf in den Schulen, von denen sich die Grundschulen in Trägerschaft der Stadt befinden. „Geht es um Digitalisierung, müssen sie dringend moderner werden.“

„Wie können wir dem lokalen Gewerbe helfen?“

Die Corona-Krise habe zudem den Trend zum Online-Handel deutlich verschärft. Der lokale Einzelhandel ist in dieser Entwicklung schnell außen vor. „Wie können wir dem lokalen Gewerbe, den Innenstadthändlern helfen?“, sieht Marco Langhof ein weiteres Ziel, das Wolmirstedt mit dem Digitalisierungszentrum im Blick haben sollte.

Ebenso kann es Möglichkeiten geben, wie ältere Menschen an das virtuelle Leben herangeführt werden. Auch dazu hat Marco Langhof Ideen aus anderen Städten mitgebracht. „Vielleicht gibt es in einem Café die Möglichkeit, eine Ecke sozusagen als Internetcafé einzurichten.“ Dorthin können sich Senioren zu einer Videoschalte mit den Enkeln zurückziehen. Im Idealfall wäre jemand da, der den Zugang zur Technik ermöglicht.

Der IT- Fachmann, der ein eigenes Informationstechnologie-Unternehmen in Barleben leitet, sieht den Internetausbau auch mit der künftigen Gewerbeansiedlungspolitik im Zusammenhang. „Wenn die A14 eines Tages an Wolmirstedt vorbeigeht, entstehen Chancen. Das heißt, wir müssen uns überlegen, welche Art Unternehmen wir dorthin ziehen wollen.“ Auch dort sollte die Stadt im Blick haben, dass es Unternehmen sind, die viele Mitarbeiter haben und gut bezahlen. Gut ausgebautes Internet oder auch die Verfügbarkeit von 5G Mobilfunk sind wichtige Standortfaktoren.

Wie soll Wolmirstedt nun agieren? Marco Langhof schlägt vor: „Zuerst müssen wir die Diskussion führen: Was wollen wir wirklich?“ Das gehört vor allem in die politischen Gremien. Dann müsse die Stadt mit Anbietern verhandeln und erfragen, wie groß die Anschlussquote sein muss, bevor zu bauen begonnen wird. Dass die Stadt und die Ortsteile schon jetzt im Wesentlichen von der Telekom und MDDSL erschlossen wurden, solle kein Hinderungsgrund sein. Die Hohe Börde zeigt: Kunden können Anbieter wechseln.