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Bauarbeiten sind 2013 fertig Der Mittellandkanal bekommt eine Umleitung

Von Gudrun Billowie 23.09.2011, 06:22

Seit Beginn des vergangenen Jahres wird das Bett des Mittellandkanals verbreitert. Derzeit läuft eine spektakuläre Baumaßnahme. Dort, wo die Eisenbahnlinie Magdeburg-Stendal den Kanal kreuzt, wird eine Umleitung für Schiffe gebaut.

Wolmirstedt. Von weitem sieht man einen Haufen Kies. Und Bagger. Eine gigantische Baustelle, die auf den ersten Blick nicht überschaubar ist. "Es passiert nur sehr selten, dass eine Umleitung für Wasserstraßen gebaut wird", sagt Karl-Heinz Wiese von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Er ist der Sachbereichsleiter im Wasserstraßen-Neubauamt Helmstedt und hat den Ausbau des Kanals von Beginn an begleitet.

Der Mittellandkanal ist etwa 325 Kilometer lang. Auf einer Strecke von 80,4 Kilometern wird er zwischen Wolfsburg und der Schleuse Rothensee verbreitert und vertieft. Die Arbeiten sind zu 90 Prozent abgeschlossen. Derzeit wird mit Hochdruck am Streckenabschnitt zwischen dem Bootshaus Elbeu und der Schleuse Rothensee gearbeitet. Auf 3,3 Kilometern Länge wird das Muldenprofil des Kanalbettes in ein Rechteckprofil verwandelt.

Muldenprofil bedeutet, das Wasser steht in einem halbrunden Bett, wie in einem längsseits aufgeschnittenen Rohr. Dadurch wird es für große, schwer beladene Schiffe an den Rändern eng, besonders, wenn sich zwei Schiffe begegnen. Das aneinander Vorbeifahren ist an manchen Stellen derzeit gar nicht möglich. Darum werden die Kanten des Kanals bis unten begradigt. Das Rechteckprofil ist vier Meter tief und 42 Meter breit. Diese Maße lassen den Schiffen auch in der Tiefe mehr Raum.

Um das Muldenprofil in ein Rechteckprofil zu verwandeln, wird zuerst das Kanalbett ausgebaggert. Dicke Spundwände sind gesetzt. Dann wird eine 30 Zentimeter dicke Tonschicht zur Dichtung zwischen die Spundwände eingebracht und diese mit einem textilen Filter vor Erosion geschützt. Wasserbausteine schützen die Sohle.

Zum einen wird der Kanal ausgebaggert, daneben wird eine Umleitung für die Schiffe gebaut. Für diese Umleitung werden riesige Kiesmengen angefahren und zu einer Trasse aufgeschüttet. Doch warum eine Umleitung? Karl-Heinz Wiese und Bauleiter Jan Bölke laden zu einer Besichtigungstour. Die ist nur mit Erlaubnis und Begleitung möglich, Betriebsfremden ist der Zutritt zur Baustelle strikt untersagt.

Mit Helm, Gummistiefeln und einer orangen Warnweste bekleidet, fahren sie hinauf zur Baustelle. Auf der künftigen Insel zwischen Kanal und Umleitung bleiben sie stehen. Überall rollen Bagger. Dicke Spundwände halten den Kies im künftigen Bett der Kanal-umleitung. In den Boden sind unendlich viele Betonpfeiler gerammt. Die sieht man nicht mehr, sie leiten unterirdisch die Lasten ab. Oben sieht man die Schiffe. Die fahren auf dem Mittellandkanal geradeaus. Noch. Bald müssen sie kurz vor der Bahnlinie abbiegen.

"Die Schwierigkeit in diesem Teilstück liegt darin, dass eine vielbefahrene Bahnlinie unter dem Kanal entlang führt", sagt Karl-Heinz Wiese. Die Bahn war zuerst da. Der Kanal wurde 1928 darüber gebaut. Über der Bahnlinie wurde damals ein Klinkergewölbe gemauert, das hält noch heute das Wasserbett des Kanals. Für das geplante Rechteckprofil ist dieses Klinkergewölbe nicht mehr tragfähig genug, die Bahn braucht eine neue Brücke. Der Kanal wird an dieser Stelle also komplett abgerissen und neu gebaut. Doch wohin in dieser Zeit mit den Schiffen? Große Kähne kann man ja schließlich nicht außen herum tragen wie ein Kanu beim Wasserwandern.

Im Zuge dieser Überlegungen entstand der Plan, eine Umleitung für die Schiffe zu bauen. Die sogenannte Ausweiche wird 900 Meter lang. Daran arbeiten derzeit Hunderte. "Wir schaffen für die Ausweiche einen Höhenunterschied von 15 Metern zum umliegenden Gelände", erklärt Karl-Heinz Wiese. Für die Ausweiche wird ein neuer Tunnel aus Stahlbeton über die Bahn gebaut. Zum Ende des Jahres soll die Ausweiche fertig sein. Dann wird die alte Fahrrinne im Bereich der Eisenbahnüberquerung mit Querdämmen abgeriegelt und die Umleitung geflutet.

Im März wird die Bahnlinie gesperrt

Das ist der Zeitpunkt, ab dem die Schiffe sozusagen außen herum fahren. Begegnungsverkehr ist unmöglich, aber die einschiffige Kanalführung wird von der Schifffahrt im Zuge der Baumaßnahmen akzeptiert. Mit der Flutung der Ausweiche ist der Zeitpunkt gekommen, an dem das Wasser aus dem abgeriegelten alten Kanalstück abgepumpt wird. Im nächsten Schritt kann die alte Kanalbrücke über der Bahnlinie abgebrochen werden. Das soll im März 2012 soweit sein. In dieser Zeit wird die Bahnlinie für zwei Wochen komplett gesperrt.

Nach dem Abbruch des alten Klinkergewölbes über der Bahnlinie wird an der selben Stelle die neue Kanalbrücke aus Stahlbeton errichtet.

Ist das neue Kanalbett fertig, wird es wieder geflutet. Die Ausweiche bleibt ebenfalls bestehen und voller Wasser. "Ein Rückbau wäre zu teuer", begründet Karl-Heinz Wiese. Damit gibt es dann über der Bahnlinie quasi zwei Waserstraßen nebeneinander. Der neue Bahn-Tunnel ist dann nicht mehr nur 100 Meter lang, sondern 164 Meter.

Die Verbreiterung des Mittellandkanals gehört zum Projekt 17 Deutsche Einheit. Der Ausbau zwischen dem Bootshaus und der Schleuse Rothensee und der Streckenausbau im Bereich Wolmirstedt kosten 56 Millionen Euro. Träger der Maßnahme ist das Wasserstraßen-Neubauamt Helmstedt als Baubehörde der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

Nach der Fertigstellung können sich 115 Meter lange Großmotorgüterschiffe mit einer Abladetiefe von 2,80 Meter und einer Breite von über elf Metern sogar begegnen. Die Gesamtmaßnahme wird Mitte 2013 fertig gestellt sein.