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Geldsammler Billionäre treffen sich in der Mühle

In Wolmirstedt treffen sich am Sonnabend, 27. Juli, Papiergeldsammler aus ganz Deutschland.

Von Gudrun Billowie 25.07.2019, 01:01

Wolmirstedt l Oliver Sens ist Billionär. Und er ist nicht allein. Er wird sich mit anderen Billionären, Milliardären und Millionären am Sonnabend, 27. Juli, in Auerbachs Mühle treffen. Von 10 bis etwa 16 Uhr freuen sie sich auch auf Besucher. Wer allerdings auf superreiche Männer abfährt, auf einen Ehemann mit dickem Bankkonto erpicht ist, kann lieber baden gehen. Denn mit dem Geld, das diese Herren mitbringen, lässt sich nicht mal mehr ein Eis bezahlen. Viele Scheine stammen aus der Zeit des ersten Weltkriegs und der Inflation danach und haben nur noch einen Wert für Sammler.

Diese Sammler treffen sich regelmäßig, aber das erste Mal in Wolmirstedt, überhaupt das erste Mal in Ostdeutschland. Der Haldensleber Oliver Sens hat den Tag organisiert und Auerbachs Mühle ausgewählt, weil ihm das Ambiente gefällt und weil die Nähe zur Landeshauptstadt den mitreisenden Ehefrauen einen Abstecher nach Magdeburg erlaubt, während die Herren fachsimpeln. „In der Tat sind Papiergeldsammler meistens Männer“, weiß Oliver Sens, „schade eigentlich.“

Natürlich hat die „Gattung“ der Papiergeldsammler einen Namen, sie heißen Notaphilisten, wie Münzsammler Numismatiker und Briefmarkensammler Philatelisten sind.

Oliver Sens sammelt seit über 30 Jahren, der Architekt hat bereits als Student damit begonnen. „Damals fehlte mir das Geld für Münzen, deshalb habe ich auf Papiergeld gesetzt.“ Und ist dabei geblieben. Durch diese Leidenschaft hat er so manche Überraschung erlebt, das Geschichtswissen erheblich ausgedehnt.

„Während der Inflation war es kaum möglich, genug Geld nachzudrucken, deshalb haben Kommunen und Unternehmen eigenes Geld gedruckt.“ Das sogenannte Notgeld. Das war auch deshalb vonnöten, weil es immer weniger Münzen gab, denn deren Material wurde für Rüstungszwecke eingeschmolzen. „Die Menschen mussten darauf vertrauen, dass dieses Notgeld als Zahlungsmittel anerkannt wurde“, berichtet Oliver Sens, „und sie mussten es schnell ausgeben, weil es am nächsten Tag schon einen ganz anderen Wert haben konnte.“

Doch gerade diese unsichere Zeit von 1914 bis 1924 ist für Sammler spannend, denn Geld wurde längst nicht nur auf Papier gedruckt. Kommunen und Unternehmen nutzten dafür Stoff, Holz, Leder oder Leinen. „Eine Schokoladenfabrik druckte ihr Geld auf der Rückseite des Schokoladenpapiers“, staunt Oliver Sens.

Das Staunen hat er sich nach 30 Sammlerjahren immer noch bewahrt. Zumal er manchmal auf Geschichten stößt, die längst vergessen scheinen. Zum Schnipsel eines Notgeldes aus einem Steinbruch in der Nähe Haldenslebens hat er recherchiert und erfahren, dass es diesen Steinbruch tatsächlich gab, dass die Gestapo darin Zwangsarbeiter schuften ließ. Generell lasse sich durch Notgeldscheine gut nachvollziehen, welche Unternehmen es in einer Stadt gegeben hat.

Auch Wolmirstedt kommt in seiner Sammlung vor. Der Kreisausschuss hat am 27. Oktober 1923 einen Fünf-Milliarden-Mark-Schein herausgegeben. Die Sparkasse kreierte am 10. August 1923 einen Verrechnungsscheck über eine halbe Million Mark. Die Magdeburger Post verfügte offenbar über Scheine mit einem Nominalwert von fünf Billionen Mark. Eine Billion ist eine Eins, der zwölf Nullen folgen.

„In diesen zehn Jahren während und nach dem ersten Weltkrieg gab es etwa eine Million Geldscheine“, weiß der Notaphilist, „und Sachsen-Anhalt hat einen großen Fundus.“ Viele Exemplare hat er in seiner Sammlung, die er in Karteikartenkästen aufbewahrt. „Da lässt sich schnell ein Schein dazwischenschieben, das ist in Alben nicht so einfach möglich.“

Besonders scharf ist er auf die ausgefallenen Exemplare, auf Banknoten beispielsweise, die auf Schuhsohlen gedruckt sind. Für solche Raritäten müssen Sammler mitunter ein paar hundert Euro auf den Tisch legen. „Vielleicht“, hofft Oliver Sens, „begegnet mir am Sonnabend das große Sammlerglück.“