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Jahnhalle Wolmirstedter Mieter will bieten

Der Wolmirstedter Stadtrat hat entschieden, die Jahnhalle nicht zu verkaufen. Damit ist das Angebot des einzigen Bieters ausgeschlagen.

Von Gudrun Billowie 16.05.2020, 01:01

Wolmirstedt l Sascha Zimmermann ist Mieter der Jahnhalle, betreibt darin das Gesundheits- und Fitnessstudio „Speed“. Er hätte die Halle gerne von der Stadt abgekauft, doch sein Angebot wurde abgelehnt. Es lag weit unter dem ermittelten Verkehrswert. Sascha Zimmermann will dennoch nicht aufgeben, will bei der Auktion mitbieten. Die Versteigerung wird demnächst in der Stadtverwaltung vorbereitet, ein Mindestangebot wird ermittelt. Das Ergebnis wird dem Stadtrat am 13. August vorgelegt. Stimmt der zu, kommt die Halle unter den Hammer.

Der Verkehrswert der Halle wurde mit 600 000 Euro angegeben. Sascha Zimmermann hatte zu Jahresbeginn etwa zwei Drittel der Summe geboten, dann kam die Corona-Krise. Fitnessstudios mussten schließen, die Einnahmen brachen weg. „Dann konnte ich nur noch ein belastbares Angebot von 250 000 Euro abgeben“, räumt Sascha Zimmermann ein, „war aber bis zu 350 000 Euro gesprächsbereit.“

Abgestimmt und abgelehnt hat der Stadtrat wohl das 250 000-Euro-Angebot. Vertrags- und Grundstücksangelegenheiten werden stets nichtöffentlich behandelt. Sowohl die Verwaltung als auch die Stadtratsmitglieder sind zu Stillschweigen verpflichtet.

Dennoch: War sich der Stadtrat einig darin, Sascha Zimmermanns Angebot abzulehnen? Oder gab es auch Stimmen, die auf einen Verkauf drängten, die Causa Jahnhalle endlich abschließen wollten?

Offenbar nicht viele. Der Stadtratsvorsitzende Heinz Maspfuhl spricht gegenüber der Volksstimme von einer satten Mehrheitsentscheidung, sagt: „Wenn Sie meinen, dass die Fetzen geflogen sind, das war nicht so. Es wurde sehr sachlich argumentiert und sehr sachlich entschieden. Es war keine schwere Entscheidung.“

Die Stadt hätte bei einem Verkauf unterm Verkehrswert auf Gelder verzichtet, die allen Bürgern zugute kommen würden. Schon jetzt ist viel Steuergeld in die Halle geflossen. Wieviel, darüber wird im Rathaus Stillschweigen gewahrt. Klar ist: Ende vergangenen Jahres wurden 216 000 Euro an die Bank überwiesen und die Grundschuld getilgt, eine von vielen Wunden in der Hallengeschichte geschlossen.

Bevor die Halle an die Stadt überging, gehörte sie zur Insolvenzmasse des Taekwondovereins. Der war Bauherr der Sanierung. Die ist geprägt von Fördermittelskandalen, Ungereimtheiten, Gerichtsverfahren, Prüfungen der Korruptionsjäger der Europäischen Union. Das Fördermittelkonstrukt war seltsam gestrickt, das Land hatte Geld vorgestreckt, an die Stadt überwiesen, die hat das Geld an den Taekwondo-Verein weitergereicht. Irgendwann fiel auf, dass Geld fehlte, restlos aufgeklärt wurden die Vorgänge nicht, die Ermittlungen 2016 eingestellt.

Dass Sascha Zimmermann nun, vier Jahre später, leer ausgeht, verstehen die Menschen nicht, die dort regelmäßig trainieren. „Die Stadt soll froh sein, dass sich überhaupt ein einziger Interessent gefunden hat“, sagten Burgit Boragk und Ingrid Krause, nachdem sie in der Zeitung gelesen haben, dass der Stadtrat gegen den Verkauf entschieden hat. Es gab bereits drei Ausschreibungen, auch europaweit, Sascha Zimmermann blieb der einzige Anwärter.

Die beiden Damen haben vor der coronabedingten Schließung regelmäßig das Fitness- und Gesundheitszentrum genutzt und machen sich Sorgen, was zukünftig daraus werden könne. Sie sehen für ihren Gesundheitssport keine Alternative, auch nicht in einem Verein. „Hier habe ich keine festen Zeiten, kann kommen, wenn die Enkelkinder weg sind und werde individuell betreut“, sagt Burgit Boragk. Auch Schichtarbeiter nutzen diese Flexibilität, die Profis der SBB-Baskets trainieren dort. Sascha Zimmermann spricht von weit über 200 Besuchern pro Tag in früheren guten Zeiten.

„Wir kommen gerne her, weil wir uns gut betreut fühlen“, sagen Burgit Boragk und Ingrid Krause, „und letztlich soll es doch um das Interesse zahlreicher Bürger gehen, die sich im einzigen Sport- und Gesundheitszentrum Wolmirstedts sportlich und gesundheitlich betätigen.“ Sie fürchten, dass die Halle nach einer Versteigerung nicht mehr sportlich genutzt werden kann.

Sascha Zimmermann möchte ebenfalls bleiben, „Wir haben in den vergangenen elf Jahren viel aufgebaut, das Studio, die Verbindungen zu den Menschen, die sich hier fit halten. Mir liegt Wolmirstedt am Herzen und es wäre komisch, wenn eine Stadt mit fast 12 000 Einwohnern kein Gesundheits- und Fitnessstudio hat.“ Sollte er bei der Versteigerung überboten werden, wolle er sich beim neuen Eigentümer um einen Mietvertrag bemühen.

Die Sorge der Nutzer bleibt. „Was“, fragt Burgit Boragk, „wenn die Versteigerung zu keinem Ergebnis führt?“