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Kaugummi kauen und bewegen sind gut fürs Lernen

12.10.2012, 18:02

"Menschen lernen nur das, was sie für wichtig halten": Der Erziehungswissenschaftler Peter Struck sprach beim Elternstammtisch der Hohen Börde über Ergebnisse der Hirnforschung bei Kindern und Konsequenzen für das Lernen.

Hermsdorf/HoheBörde l In deutschen Klassenzimmern redet ein Lehrer mehr Minuten als alle seine Schüler zusammen. Im Durchschnitt redet ein Schüler pro Unterrichtstunde eine einzige Minute. Das haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Hirnforscher haben festgestellt: Durch eigenes Reden bleiben beim Schüler aber 80 Prozent des Gesagten hängen bleibt, bei eigenem Tun sind es sogar 90 Prozent.

Dagegen merkt sich ein Schüler nur zehn Prozent von dem, was er liest und nur 20 Prozent, von dem, was er gehört hat. "Deshalb lautet eine Kritik: Die deutsche Schule ist nach wie vor mehrheitlich eine Belehrungsanstalt, die Lernen durch Zuhören fordert. Dabei lernt man allein durch sehen drei Mal schneller."

Ein Plädoyer für eine Neuorientierung des deutschen Bildungssystems hielt der renommierte Erziehungswissenschaftler Peter Struck im Hermsdorfer Mehr-Generationenhaus. Die Gemeinde Hohe Börde hatte den Hamburger Professor zum Auftakt der zweiten Reihe von Elternstammtischen eingeladen, auf denen ab diesem Schuljahr anerkannte Experten zu aktuellen Themen rund um Bildung und Erziehung sprechen.

Garniert mit einem ordentlichen Schuss hanseatischen Humors berichtete Struck von Ergebnissen der Hirnforschung und davon, wie Schulen in Deutschland und in aller Welt jene Erkenntnisse erfolgreich umgesetzt haben. "Menschen lernen nur das, was sie für wichtig halten", erklärte Struck, "sie lernen gut, wenn sie das Gelernte mit etwas verbinden - mit einem Lächeln, mit Humor, mit Motivation, einer Eselsbrücke, mit Bewegung, mit Rhythmus oder einem Reim."

Und: Kinder lernen Struck zufolge immer gut, wenn sie sich bewegen. Sogar das vom deutschen Michel in Klassenzimmern verpönte Kaugummi kauen, sei lernfördernd, weil das Gehirn durchblutend.

Doch der deutsche Durchschnittsschüler sitzt in der Regel brav auf dem Stuhl. Dabei lernen laut Struck Schüler bis 13 Jahren am besten, wenn sie mit dem Bauch auf dem Teppich liegen und die Beine nach oben baumeln lassen. "Auch das ist wissenschaftlich messbar", betonte Struck und nannte eine "übertriebene Beschämungskultur" und eine "falsche Fehlerkultur" als weitere Kritikpunkte am deutschen Schulsystem.

"In Deutschland werden Fehler für ein Übel gehalten, statt sie zu bestaunen."

"Die Schüler verwirren. Ja! Aber nicht beschämen, bestrafen oder bloß stellen. In Deutschland werden Fehler für ein Übel gehalten, statt sie zu bestaunen. Die Hirnforscher sagen: Alle Menschen lernen am Besten durch Handeln, Probieren, durch Fehlermachen und Erkenntnisse, die \'nebenbei\' reifen", berichtete Struck. Besonders die Jungen - laut Untersuchungen 90 Prozent aller Jungen, lernen so am besten. Bei den Mädchen sind es 40 Prozent. Somit leiden die Jungen viel mehr als die Mädchen an deutschen Schulen. Noten bringen laut Struck erst etwas ab 14 Jahren, "erst dann sind Menschen in der Lage, die Noten als etwas zu begreifen, was mit ihnen selbst zu tun hat". Das habe auch die Wirtschaft erkannt. "In Befragungen haben renommierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen erklärt, sie gehen weg von der einseitigen Betonung von Wissen und Noten. Viel wichtiger werden Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Konfliktfähigkeit, Flexibilität im Denken und emotionale Eigenschaften."

Diese Kompetenzen erlernen Kinder am besten beim Spielen und Lernen in altersgemischten Gruppen", betonte Peter Struck und fügte an: "Erklärt ein Kind dem anderen etwas, bleibt mehr als doppelt so viel hängen, als wenn es der Lehrer tut - beim Kind, das vermittelt, ebenso wie beim Kind, dem etwas vom anderen Kind vermittelt wird."