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Gutenberg-Schule lädt zum Tag der offenen Tür und präsentiert neue Wege Rechnen und Schreiben an der Lernstraße

07.01.2012, 04:29

Am 14. Januar lädt die Gutenberg-Schule zu einem Tag der offenen Tür. Dann können sich Eltern unter anderem über das neue Prinzip der Lernstraßen informieren.

Von Gudrun Billowie

Wolmirstedt l Die Lernstraße ist keine richtige Straße, doch wäre es eine, stünden am Straßenrand Kisten. An der Rechenstraße die Rechenkisten, an der Lesestraße die Lesekisten. Grundschulkinder gehen die Straße entlang, eines bleibt bei der Lesekiste stehen, sucht einen Text und liest. Ein anderes Kind stürmt zur Rechenkiste, zieht ein Aufgabenblatt heraus und vertieft sich darin. Nachdem die Kinder alle Kisten nach und nach abgearbeitet haben, können sie alles, was ein Kind am Ende der zweiten Klasse wissen muss.

Diese Lernstraßen sind allerdings keine richtigen Straßen, sondern nur ein Begriff, einer, der das Prinzip ganz gut veranschaulicht. In Wirklichkeit stehen die Kisten im Klassenraum, im Regal, ordentlich sortiert. "Die Kinder arbeiten in ihrem eigenen Lerntempo", sagt Brita Großmann, eine der vier Lehrerinnen, die nach dem Lernstraßen-Prinzip arbeiten. Der Vorteil liegt darin, dass kein Grundschüler ausgegrenzt wird. Ein Kind wechselt in die dritte Klasse, wenn es reif dafür ist. Das kann ein, zwei oder drei Jahre dauern. Über diesen Zeitraum erstreckt sich die Schuleingangsphase.

"Wir sind darauf gekommen, weil manche Kinder mehr Zeit zum Lernen brauchten", sagt Brita Großmann. Da diese drei Jahre ohne Weiteres vorgehalten sind, bleibt das Kind so lange in der Gruppe, bis es den Stoff der Schul-eingangsphase verinnerlicht hat.

"Früher wären manche vielleicht zurückgestuft worden", erklärt Brita Großmann und meint damit das klassische Sitzenbleiben, das ein Kind in eine andere Klasse katapultiert und das Selbstwertgefühl mächtig ankratzt. Andere Kinder bewältigen den Stoff innerhalb eines Jahres. "Die werden wiederum nicht in den Himmel gehoben", sagt Brita Großmann. "So ist jeder ein Teil der Gruppe."

Die Lernstraße ist keine Erfindung der Gutenberg-Schule, dennoch ist diese Grundschule die einzige im Landkreis Börde, die das praktiziert. Die Lehrerinnen haben das Arbeitsmaterial für die Lese-, Rechen- und Sprachkisten selbst erstellt, Karteikarten geschrieben, Aufgabenzettel gestaltet und laminiert, Arbeitshefte entwickelt. Der Aufwand war enorm, aber zurzeit arbeiten bereits 75 Kinder nach diesem Prinzip.

Vor der sechsjährigen Kira liegt ein Blatt mit einem Bild, das in viele kleine Felder geteilt ist. In jedem Feld steht eine Rechenaufgabe, deren Lösung eine Zahl bis Zehn ergibt. "Wenn ich die Lösungszahl habe, schaue ich, welche Farbe zu dieser Zahl gehört und male das Feld aus." Am Ende entsteht das Bild eines Hasen auf der Frühlingswiese.

Hat Kira die Rechenkiste durchgearbeitet, meldet sie sich zur Prüfung an. "Die Kinder entscheiden selbst, wann sie soweit sind", erklärt Brita Großmann. Das Prüfungsergebnis wird im Arbeitsplan festgehalten. Dann widmen sich die Kinder der nächsten Kiste.

"Wegen des individuellen Lerntempos gibt es keinen Frontalunterricht", so die Lehrerin. Muss etwas erklärt werden, geschieht das für jedes Kind extra, stehen mehrere Kinder an der selben Stelle, erklärt sie in kleinen Gruppen.

Obwohl beinahe jedes Kind mit einem anderen Thema beschäftigt ist, ist es ruhig im Raum. Laura hat sich schon zur dritten Lesekiste vorgearbeitet und liest einen Text über den Wichtel Alfons. Drei Mädchen sitzen hinter einer Regalwand an den Computern. Andere Kinder zeigen ihrer Lehrerin Rechenaufgaben. Michelle trägt Kopfhörer, denn sie möchte es mucksmäuschenstill. Wer nicht gestört werden möchte, legt ein rotes Plättchen auf seinen Platz.

"Diese Art des eigenständigen Lernens ist die höchste Form des Lernens", sagt Brit Großmann, "denn was man sich selbst erarbeitet hat, bleibt am besten hängen."