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Ringen Amy Keller will an die Spitze

Amy Keller ist Deutschlands zweitbeste Ringerin ihrer Altersklasse. Doch die 13-jährige Wolmirstedterin möchte noch mehr.

Von Gudrun Billowie 26.06.2018, 01:01

Wolmirstedt l Vor dem Ringkampf lauert Amy Keller wie eine Raubkatze. Der Körper ist angespannt, angriffsbereit, die Augen zu Schlitzen verengt. Blitzschnell springt sie vor, fasst den Gegner, dreht ihn, legt ihn auf den Boden. In diesem Falle hat sie ihren Bruder Robin auf die elterliche Wiese gerungen. Der 24-jährige Lehramtsstudent stellt sich gern als Schau-Kampfpartner zu Verfügung. Er wuschelt Amy die Haare: „Ich bin auf meine kleine Schwester sehr stolz.“

In Sportwettkämpfen tritt Amy hingegen nur gegen Mädchen der eigenen Altersklasse an. Und das mit vollem Erfolg. Vor wenigen Tagen wurde sie in ihrer Alterklasse Deutsche Vizemeisterin.

Das Ringen wurde Amy schon in die Wiege gelegt. Papa Andreas war Ringer, wurde DDR-Meister, mehrfach sogar. „Schon als kleines Mädchen hat Amy gefragt, ob sie ebenfalls ringen könne“, erzählt Andreas Keller. Das hat ihn gefreut, aber er wollte seiner Tochter die Griffe nicht in der Küche beibringen. Also hat er sie in einem Magdeburger Sportverein angemeldet.

Mit dem Sportverein „Roter Stern Sudenburg“, fuhr sie zu Meisterschaften und schnell wurden dabei andere Trainer auf die Wolmirstedterin aufmerksam. Sie wiesen ihr den Weg nach Frankfurt/ Oder. An der dortigen Sportschule werden Ringer professionell ausgebildet. Als diese Offerte kam, besuchte Amy gerade die siebte Klasse und war von der Idee fasziniert, ihre Ringer-Fähigkeiten zu perfektionieren.

Ihre Eltern waren weniger begeistert. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, Amy so jung in ein Internatsleben gehen zu lassen, so viele Kilometer von Wolmirstedt weg. Peggy, die Mama, litt. Amy wollte nach Frankfurt. Unbedingt. Die Eltern erfüllten den Wunsch, wollten keine Steine in den Weg legen, sich später nicht sagen lassen, sie hätten ihre Tochter zu Hause festgehalten. Amy ging und ist glücklich. „Heimweh kenne ich nicht“, sagt sie nun, ein gutes Jahr später, „es hat mir von Anfang an gut gefallen.“

Wer sich mit einer Ringerin verabredet, erwartet ein Mädchen, dass eher massig daherkommt. Amy, das Fliegengewicht, steht in der Tür und lacht. „Alle Ringerinnen sind sehr schlank“, sagt sie. Vermutlich spielt das Bild der Sumo-Ringer einen Streich, jedenfalls den Menschen, die sich nicht gut mit Ringern auskennen.

Ringen gehörte schon in der Antike zu den olympischen Disziplinen. Ein Kampf dauert zwei mal zwei Minuten, wer den Gegner mit beiden Schultern auf die Matte bringt, siegt, ebenso, wer 15 Punkte Abstand zum Gegner erkämpft.

Amy Keller hat schon viele Mädchen ihrer Alterklasse niedergerungen. Den persönlichen Beziehungen schadet das nicht, die Matte ist eine eigene Welt. „Wir gehen als Freunde auf die Matte, kämpfen und gehen wieder als Freunde.“ Außerdem gefalle ihr der Zusammenhalt unter den Ringerinnen. „Wenn eine kämpft, stehen die anderen an der Matte und fiebern mit.“

Ringen ist Kampfsport. Wie ist es, wenn jemand auf der Straße einer Ringerin etwas anhaben will? „Ich würde wegrennen“, ist sich Amy gewiss, „das haben mir auch die Trainer empfohlen.“ Ringen gehört in die Sporthalle, auf die Matte, hat viel mit Technik und Schnelligkeit zu tun, aber nichts mit Gewalt.

Seit Amy in Frankfurt trainiert, werden ihre Wettkämpfe größer, internationaler. Beim internationalen Frauenturnier in Berlin erreichte sie in ihrer Altersklasse den dritten Platz. Die gesamte Weltklasse war dort versammelt, Amy konnte von den Ringerinnen lernen, die ihr schon ein paar Jahre voraus sind.

In deren Leistungsklasse will Amy ankommen und braucht dabei nichts zu überstürzen. „Ringer erreichen ihren Leistungshöhepunkt mit etwa 24 Jahren“, weiß Papa. Amy kann ihrem Ziel also Schritt für Schritt entgegengehen: „Ich möchte bei Olympischen Spielen starten, das wäre schön“, sagt sie, „ich möchte das Flair erleben, mit den Athleten aus aller Welt zusammen sein.“

Zwischendurch behält die 13-Jährige auch ihre nachsportliche Zukunft im Blick, doch die sieht sie noch verwackelt. „Ich kann mir vorstellen, als Lehrerin, in der Mordkommission oder als Architektin zu arbeiten.“

Die Traurigkeit der Eltern ist längst der Freude gewichen. Sie sehen, wie stark und selbstbewusst Amy ist, wie gut sie sich in der Welt zurechtfindet.

Außerhalb des Sports ist Amy dennoch Mädchen, lernt für die Schule, kichert mit Freundinnen im Internats-Fernsehraum. Sie grinst: „Manchmal singen wir auch zusammen.“