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Sascha Zimmermann, Inhaber des "Speed"-Fitnessstudios, zu den Querelen um die Jahnhalle "Schon eine gehörige Portion Frust"

Von Tom Koch 04.08.2012, 03:14

Sascha Zimmermann hat sein monatelanges Schweigen gebrochen. Der Inhaber des "Speed"-Fitnessstudios spricht über die Jahnhalle, über Fehler aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Und der 34-Jährige appelliert an die Fairness.

Wolmirstedt l Sascha Zimmermann hat genaue Vorstellungen. Wo soll das Foto aufgenommen werden? Er sagt vor den alten Fotos der Jahnhalle. Den 2009 beim Umbau gefundenen Medizinball in den Händen will er ausdrücken: "Ich gebe den Ball zurück ins Spiel."

Der 34-Jährige ist Inhaber eines Fitnessstudios in der Jahnhalle. In eben jener Halle, über die die Wolmirstedter und ihre Stadträte seit mehr als zwei Jahren kontrovers diskutieren. Diese Debatte füllt regelmäßig die Volksstimme-Seiten. Warum hat sich Zimmermann als einer der Hauptakteure bislang nicht zu Wort gemeldet? Er bemüht das Sprichwort von den getroffenen Hunden, die bellen. Dass er nun doch das Gespräch sucht, hat seinen Grund in der Volksstimme-Umfrage in der Vorwoche. Kaum machte diese Nachricht in der Kleinstadt die Runde, griff auch Sascha Zimmermann zum Telefon.

"Ich muss mich jetzt schützend vor meine fünf festangestellten Mitarbeiter und vor unsere vielen Mitglieder stellen. Aus unternehmerischer Sicht ist diese Debatte längst schädlich", muss er einschätzen. Offen bekennt er, von vielen öffentlichen Wortmeldungen auch persönlich sehr getroffen zu sein. Und während er das sagt, rutscht er auf dem Hocker unruhig hin und her. Sascha Zimmermann ist der Sohn von Gerald Zimmermann, der in Personalunion den Taekwondo-Verein "Wolves" leitet und als CDU-Politiker den Sitzungsvorsitz im Stadtrat innehat.

Dieses Beziehungsgeflecht war nicht nur einmal ein Thema in den vergangenen Monaten. Der unausgesprochene Vorwurf, die Familie habe sich irgendwie bei der 1,4Millionen Euro teuren Hallensanierung vielleicht doch persönlich bereichert, dieser so schwerwiegende Verdacht zerre extrem an den Nerven der Familie, gibt er unumwunden zu. Dabei habe doch das Landesverwaltungsamt nach monatelanger - demzufolge wohl intensiver - Prüfung dem Verein attestiert, alle Fördergelder seien korrekt verwendet und abgerechnet worden, sagt Zimmermann. Freimütig berichtet er von einem privaten Kredit, den die Familie aufgenommen habe, um eine größere Fliesenrechnung für die Halle zwischenfinanzieren zu können. "Wäre es den Wolmirstedtern lieber gewesen, die Jahnhalle wäre wie geplant abgerissen worden", fragt er hypothetisch. Die Stadt habe aber nicht 150000Euro für den Abriss der ersten Wolmirstedter Sporthalle ausgegeben, sondern diese Summe dem Verein als Eigenanteil für das Fördergeldpaket zur Verfügung gestellt.

Sascha Zimmermann findet, das ist gut angelegtes Geld. Ansonsten hätten in Brüssel, Berlin und in Magdeburg die Fördergeldgeber kein grünes Licht gegeben. Zur Suche nach den Ursachen für den jahrewährenden Finanzstreit um die Jahnhalle gehören für Sascha Zimmermann auch eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen, die die Stadtverwaltung seinerzeit zu verantworten gehabt habe. Beispielsweise habe die fehlerhafte Dachentwässerung das Projekt verzögert und verteuert, ein Bauleiter habe abgelöst werden müssen. Baukosten von 68000Euro für den Sanitärbereich seien in den Unterlagen plötzlich nur noch als 18000Euro aufgelistet worden. Für Zimmermann "ein Versehen mit großer Wirkung". Auf Anzeigen des Vereins von Bauverzögerung in jener Phase, als die Stadtverwaltung die Verantwortung für das Projekte hatte, sei mit einem Stopp des Vorhabens reagiert worden. Mit der Folge, dass im Stadtrat noch heute über Fragen von Krediten, Zinskosten und Bürgschaften gestritten werde.

Sascha Zimmermann benötigt für das ausführliche Gespräch keine Akten, er hat sich auch keine Notizen gemacht. Dennoch weiß er mit Details aufzuwarten, von Gesprächen und Ereignissen, die teils mehrere Jahre zurückliegen. Er betont, wichtiger als der Blick zurück sei nun endlich der Blick nach vorn. Stadtrat, Stadtverwaltung und ja, auch der "Wolves"-Verein müssen endlich gemeinsam eine Lösung finden. Was Sascha Zimmermann nicht sagt, die intern bereits diskutierte Idee einer Vereinsinsolvenz scheint nicht geeignet, die Finanzquerelen zu beenden. In diesem Falle müsste die Stadtverwaltung die Fördermillionen zurückzahlen, Wolmirstedt könnte sich auf lange Zeit kaum noch Ausgaben für Kultur und Sport, für Vereine, für Projekte leisten, von denen Jung und Alt in der Stadt profitieren. Dem in Wolmirstedt jetzt immer lauter werdenden Ruf, die Vorgänge um die Jahnhalle müssen aufgeklärt werden, schließt er sich an. Ob die "Wolves"-Spitze dabei bestmöglich agiere, dazu sagt Sascha Zimmermann erwartungsgemäß nichts.

Auf dem Flachbildschirm neben dem Tresen im "Speed"-Studio läuft die Olympia-Berichterstattung. Der 34-jährige sagt eher beiläufig und so, dass es nicht als Angeben wirken soll, er sei ein erfolgreicher Taekwondo-Kämpfer gewesen. Aus dieser sportlichen Erfahrung und den Jahren als Parteiloser im Wolmirstedter Stadtrat heraus, fordert er alle Kritiker zu Fairness auf. Weder die Stadträtin Gisela Gerling-Koehler (FDP) noch ihre Kollegen Albrecht Greiser (SPD), Sebastian Filipp (Linke) oder Heinz-Ulrich Borgsdorf (Unabhängige Wähler) hätten sich jemals in der Jahnhalle umgesehen oder mit ihm als Inhaber des "Speed"-Leistungs- und Gesundheitszentrums unterhalten. Könne dennoch ein objektives Urteil gefällt werden? Zimmermann findet nein und nennt zum Beispiel den Vorwurf, mit Fördergeldern sei eine Saunalandschaft für einen privaten Betreiber errichtet worden. "Für unsere Sauna gibt es gerade mal sieben Ruheliegen, eine Saunalandschaft sieht anders aus." Sowohl für dieses Schwitzbad als beispielsweise auch für die Geräte im Fitnessstudio habe die "Speed Leistungs- und Gesundheitszentrum Wolmirstedt UG" Kredite aufgenommen, dafür sei kein einziger Förder-Cent ausgegeben worden, beteuert Zimmermann.

Dass es diese Firma überhaupt gibt, liege daran, dass der Sportverein selbst nur bedingt wirtschaftlich tätig werden dürfe. "Speed" sei daher die Betreibergesellschaft, sie erwirtschafte auch durch das Fitnessstudio Geld, von dem beispielsweise die Miete für die Jahnhalle gezahlt werde. Der Verein könne somit im Gegenzug die moderne Sportanlage quasi kostenfrei nutzen, erläutert der studierte Sport-Manager Zimmermann. Beim Thema Geld ärgert ihn auch der Vorwurf, sein Verein sei verantwortlich dafür, dass die Stadtverwaltung ein Büro mit der Buchhaltung für die Fördergeldabrechnung habe beauftragen müssen. Jene dafür gezahlten 30000Euro würden nun anderen Wolmirstedter Vereinen fehlen. Stimmt nicht, so Zimmermann, von Anfang an sei geplant gewesen, dass dieses Projektbüro auch diese Leistungen erbringen solle.

Kurz vor Gesprächsende ein tiefer Blick in seine Gefühlswelt. Manchmal, so verrät Sascha Zimmermann, sorgen die ewig gleichen Vorwürfe und die endlosen Debatten bei ihm für eine gehörige Portion Frust. Warum nicht alles hinwerfen? Als Sportdirektor der Deutschen Taekwondo Union habe er sein berufliches Auskommen, er müsse also nicht auf Teufel komm\' raus auch Inhaber und Betreiber des "Speed"-Studios sein. Doch noch immer sei er Sportler genug, ein Aufgeben nicht sein Ding. Spricht\'s und greift nach dem Medizinball.