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Instagram, TikTok & Co. So will eine Wolmirstedter Schule der Handy-Sucht vorbeugen

Jugendliche sitzen immer länger am Bildschirm, oft sogar mehr als sechs Stunden täglich. Das Gymnasium Wolmirstedt steuert nun dagegen. Wie aber sensibilisiert man Schüler nachhaltig?

Von Kristina Reiher Aktualisiert: 27.02.2024, 17:20
Die Wolmirstedter Sechstklässler Marie Habertorn (v.l.), Selin Kar, Noemi Adebahr und Luise Wiedemann hinterfragen ihre eigene Mediennutzung.
Die Wolmirstedter Sechstklässler Marie Habertorn (v.l.), Selin Kar, Noemi Adebahr und Luise Wiedemann hinterfragen ihre eigene Mediennutzung. Fotos: Kristina Reiher

Wolmirstedt - Florian Buschmann weiß, wovon er spricht, wenn er von Mediensucht redet. Als Jugendlicher spielte er bis zu 16 Stunden täglich und verbrachte fast seine gesamte Zeit vor dem Bildschirm. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass die digitale Welt die Kontrolle über mein Leben hatte und nicht mehr ich selbst“, sagt der Gründer der Initiative „Offline Helden“. Schließlich schaffte er den Sprung zurück in das reale Leben und hilft heute anderen. Seit Jahren bietet er Projekte und Präventionsarbeit für Schüler an. Wie aber bringt man Jugendliche dazu, sich statt stundenlang auf soziale Medien oder Computerspiele, wieder auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren?

Lesen Sie den passenden Kommentar zum Text: Je eher, desto besser

Denn die Zeit am Handy und PC nimmt immer weiter zu. Der aktuellen JIM-Studie von 2023 zufolge, die sich mit der Mediennutzung Jugendlicher beschäftigt, sind diese am Tag durchschnittlich 224 Minuten, also knapp vier Stunden, online. Empfohlen sind etwa anderthalb Stunden. Dabei spielen insbesondere Nachrichtendienste wie „Whatsapp“ und Soziale Medien eine große Rolle.

Wie groß, das zeigt sich auch am Wolmirstedter Gymnasium. Nach eigener Einschätzung der Sechstklässler während des dreitägigen Mediensucht-Projektes verbringen sie durchschnittlich sogar sechs Stunden ihrer Freizeit online. So mancher gibt zu, er sitze sogar mehr als zehn Stunden täglich am kleinen oder großen Bildschirm. Wird bedacht, dass zwei Drittel des Tages bereits für Schule und Schlaf benötigt werden, bleibt bei einer Bildschirmzeit von sechs Stunden praktisch keine Freizeit übrig. „Es ist schockierend, dass das, was bei mir damals als Sucht galt, heute schon normal ist“, findet Buschmann.

Schulische Leistung leidet

Corona hat das übermäßige Mediennutzungsverhalten noch befeuert, denn soziale Kontakte waren oft nur digital möglich, ist sich auch die Schulsozialarbeiterin des Gymnasiums Annika Thal sicher. „Immer weniger Jugendliche sind seitdem im Sportverein und immer mehr Lehrern fällt auf, dass die Schüler weniger aufmerksam sind, weil so mancher teilweise bis spät in die Nacht zockt oder am Handy hängt.“ Die weiteren Folgen kennt Gymnasial-Lehrerin Julia Tagowzew: „Da fehlt dann die Konzentration und die schulischen Leistungen nehmen ab.“

Florian Buschmann berichtet von seinen eigenen Erfahrungen.
Florian Buschmann berichtet von seinen eigenen Erfahrungen.
Foto: Kristina Reiher

Um eine übermäßige Mediennutzung zu vermeiden, sieht Buschmann vor allem die Eltern in der Pflicht. Stichwort frühzeitige Aufklärung: „Oft werden keine Regeln festgelegt. Oder es werden einfach Verbote erteilt, aber nicht darüber gesprochen, wie man kompetent mit Medien umgeht und ab wann die Nutzung kritisch oder sogar krankhaft ist.“ Soziale Medien aber seien wie Glücksspielautomaten. „In den Apps sind gewisse Suchtmechanismen verbaut. Deshalb ist es für Kinder und Jugendliche schwer, von sich aus ein gesundes Verhalten zu lernen.“ Medienkonsum sei aber nicht prinzipiell schlecht, wichtig sei, eine gesunde Einstellung dazu.

Der erste Weg zur Besserung

Zwar sind am Wolmirstedter Gymnasium Handys bis zur Siebten Klasse nicht erlaubt, aber auch für die Freizeit möchte die Schule die Kinder mit dem Mediensucht-Projekt sensibilisieren, damit sie ihr Verhalten hinterfragen und lernen, den Konsum besser und auch selbst zu regulieren. Geschafft hat das etwa Sechstklässlerin Luise Wiedemann. „Ich habe mich erschreckt, als ich gesehen habe, wie lange ich täglich bei TikTok war. Ich habe mir jetzt selbst eine Sperrzeit eingestellt, damit ich die App nicht länger als 90 Minuten nutze“, sagt die Schülerin.

Solche Einsichten will Buschmann fördern. Damit sich die Heranwachsenden am Ende selbst darüber klar werden, wie sie ihre Zeit sinnvoll nutzen wollen. „Wir haben nur ein Leben“, sagt der Psychologe in Ausbildung. „Deshalb sollten wir es uns wert sein, echte Träume und Erlebnisse zu sammeln und keine virtuellen.“