Im Festumzug zur 800-Jahr-Feier wurden die Kostbarkeiten spazieren geführt Steffi Burrath näht Kleider, die einer echten Märchen-Prinzessin würdig sind
Steffi Burrath mag Prinzessinnen, solche, wie Sissy und Co. Vor allem wegen der Kleider. Damit sie auch ab und zu wie eine Prinzessin aussehen kann, näht sie sich solche Gewänder selbst. Und lustwandelt manchmal darin.
Glindenberg l Zu besonderen Anlässen dürfen auch andere diese Kleider tragen. Der Festumzug zur 800-Jahr-Feier Glindenbergs war so ein Anlass. Die Frauen der Line-Dance-Gruppe gestalteten mit Steffi Burraths Kleidern das Bild "Sonntagsspaziergang".
Es regnete an diesem Tag sehr. "Dank unserer schön gepflasterten Fußwege waren die Kleider nur nass und nicht schmutzig", atmete Steffi Burrath auf. Trotzdem wurde es danach für ein paar Tage eng bei Familie Burrath. "Überall hingen die voluminösen Kleider zum Trocknen. Sogar am Katzenkratzbaum."
Doch das passiert selten, denn Steffi Burrath betreibt keinen Kleiderverleih. "Ich müsste sie stets aufwändig reinigen lassen", sagt sie, "außerdem ist das Bügeln gerade bei den Faltenröcken sehr mühsam." Also hängen die Kleider meist ordentlich auf einer Stange im Keller.
Es würde wohl niemanden wundern, wenn aus einer der Türen eine Kammerzofe heraus träte. Die Kleider mit Streifen und Blumenmustern, mit Pelzkragen oder mit Rüschen, mit Pailletten und in tausend Falten gelegten Röcken sind wunderschön anzusehen, aber beim Ankleiden können helfende Hände nicht schaden. Unter manchem der Röcke muss Prinzessin von Welt zusätzlich einen Reifrock tragen. Der ist so breit, dass er nur hochkant durch die Zimmertüren passt. Beim Anblick solcher Röcke wird klar, warum die Türen in Schlössern etwas breiter geraten sind.
Die Sache mit den Kleidern begann für die 49-jährige vor ein paar Jahren. "Wir waren in der Westernstadt im Harz und mein Mann, meine Tochter und ich ließen uns in historischen Kostümen fotografieren." Das Bild hielt dem geschulten Blick Steffi Burraths nicht stand. "Der Hut saß viel zu hoch und der Kragen des Kleides war eigenartig hochgeklappt", sagt sie. Die Glindenbergerin hat einst den Beruf der Damenmaßschneiderin gelernt und später ein Studium als Modezeichnerin absolviert. Die Lehrbücher nehmen in ihrem Regal ein paar Meter ein. "Ich stöbere immer noch gerne darin herum", sagt Steffi Burrath.
Ansonsten hat sie diesen Beruf längst an den Nagel gehängt und verdient ihre Brötchen bei der Kriminalpolizei. Das klingt nur auf den ersten Blick ein wenig schräg zur ursprünglichen Tätigkeit, aber auch bei der Polizei ist Steffi Burraths Zeichengeschick gefragt. "Ich erstelle Phantombilder", sagt sie. Zu ihren Aufgaben gehört, aus einem Skelett wieder ein Gesicht zu rekonstruieren. Nach ihrer Aussage ist das gar nicht so schwierig, wie es für Unbedarfte erscheint. "Unsere Proportionen sind durch den Knochenbau vorgegeben", sagt sie.
Nach dem Besuch in der Westernstadt holte sie also Nadel und Faden wieder hervor, kaufte Stoff und das erste Prinzessinenkleid nahm an langen Winterabenden Gestalt an. Steffi Burrath zeigt es, auf dessen schwarzem Stoff glitzert es überall silbern.
"Ein Kleid wird erst durch die Details perfekt", macht die Designerin klar, zieht ein paar Kisten hervor und öffnet eine nach der anderen. Spitzenstoff, Federn, Spangen, feine Handschuhe, Broschen und Steine warten dort sauber geordnet auf ihren Einsatz. Im Regal stapeln sich Hutschachteln, in der Ecke spitzenbezogene Sonnenschirme. Dieses Ambiente verströmt etwas Hochherrschaftliches. Aber nur beinahe, denn dazu gleiten, pusseln und streichen Steffi Burraths Hände viel zu emsig über alles hinweg, nehmen hier eine Feder in die Hand, ziehen dort an einem Stück Borte oder zup- peln einen Kragen zurecht. "Ich schaue in Schmuckläden und vor allem in der Faschingszeit in Kaufhäusern nach guten Angeboten", sagt Steffi Burrath. Irgendwann braucht sie diese Kostbarkeiten, um ein Dekolleté zu betonen oder die Raffung an der Taille. Oder für Hüte. Die fertigt Steffi Burrath nämlich auch selbst. "Die Grundlage dafür sind manchmal Platzdeckchen", plaudert sie aus dem Nähkästchen, "die lassen sich schneiden, formen und durchstechen." Von den Platzdeckchen selbst sieht niemand mehr etwas, denn sie werden mit Stoff bespannt und mit eben diesen kleinen Kostbarkeiten aus den Kisten besetzt.
Inzwischen sind 17 Kleider entstanden und ab und zu gestalten die Line-Dance-Frauen eine Modenschau. "Es ist schon viel, was die Damen früher anziehen mussten, bis alles vollständig war", sagt sie, "zu einem Outfit gehören mindestens zehn Teile und ein paar Schuhe."
Steffi Burrath trägt ihre Kleider gerne mal selbst. Wunderschön macht sich die mädchenhaft wirkende Mutter zweier erwachsener Kinder zurecht. Ehemann Detlef schlüpft ebenfalls in eine Uniform und dann lustwandeln sie durch die Westernstadt im Harz und hauchen als Statisten dem historischen Ambiente Leben ein. Hobbyisten nennt Steffi Burrath solche Leute, die einfach aus Spaß den Besuchern einen Augenschmaus bieten.