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2. Textilkunsttag des Europäischen Frauen Kultur Museums in Morsleben Techniken aus dem Mittelalter sind lebendig

Von Marita Bullmann 06.08.2013, 03:17

Um Blumen und Blüten ging es beim 2. Textilkunsttag im Info-Haus in Morsleben. Die Frauen kamen zu diesem Workshop, der wieder mit einer Ausstellung verbunden war, aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg.

Morsleben l Das Interesse an alten Hansarbeitstechniken hatte Frauen aus drei Bundesländern nach Morsleben geführt. Einen Tag lang saßen sie im Info-Haus des Endlagers Morsleben beisammen, um von einander zu lernen. Und es kamen immer wieder Gäste, die sich ansahen, was sie ausgestellt hatten oder ihnen auch beim Klöppeln oder anderen Techniken zuschauten.

Organisator des Textilkunsttages ist das Europäische Frauen Kultur Museum in Königslutter, das erst vor wenigen Jahren entstanden ist. Der Ursprung sind Frauen, die sich zum Klöppeln treffen und sich auch mit anderen Textiltechniken ihrer Großmütter beschäftigen. Sie wollen diese Textilkunst erhalten und haben nach der Grenzöffnung dazu auch Verbündete in Sachsen-Anhalt gesucht. Aus ersten gemeinsamen Klöppeltreffen sind Freundschaften gewachsen.

"Ich vergrößere die Aufnahmen von den Funden am Computer"

Regina Schößler aus Brandenburg ist häufiger bei Workshops zu Gast. Sie ist Klöppelexpertin und zeigt den Frauen immer wieder Besonderheiten. "Sie erklärt uns, wo man die Fäden lässt, damit sie nicht sichtbar sind, wie neue Fäden zugeführt werden, ohne dass Knoten entstehen", erklärt Heidrun Leixnering aus Möser. Angelehnt an das Motto des Textilkunsttages wird ein Blatt geklöppelt. Auch Christine Cynybulk aus Gröningen verfolgt die Erklärungen der Brandenburgerin. Sie hat vor fünf Jahren mal von einem Schnupperkurs in der Zeitung gelesen und so klöppeln gelernt. Inzwischen fährt sie häufig auch zu einem Klöppelkreis nach Ballenstedt. Aus dieser Runde hat sie auch Karin Voigt mit nach Morsleben gebracht.

An einem anderen Tisch erklärt Hannelore Schmidt-Becher aus Flechtorf die Brettchenweberei. 1960 hat sie eine Handweblehre gemacht und dann auch in diesem Beruf gearbeitet. Seit etwa zehn Jahren beschäftigt sie sich vorrangig mit Bändern, die mittelalterlichen Funden nachempfunden sind. Sie studiert Berichte über Grabungsfunde und liest Fachbücher. "Häufig vergrößere ich die Aufnahmen von den Funden am Computer, um danach das Webmuster auf Karopapier zu zeichnen", sagt sie. Für den Textilkunsttag hat sie zahlreiche gewebte Bänder mitgebracht und die Erläuterungen dazugestellt. Viele Vorlagen entstammen Kenntnissen aus einer archäologischen Arbeitsgemeinschaft in Helmstedt. Auch ein golddurchwirktes Band ist zu sehen, das der Braunschweiger Herzogin Mathilde zugeordnet wird.

Diese Brettchenweberei erfordert Mut zur Langsamkeit, sagt die Flechtorferin, und sie erfordert Fingerfertigkeit, denn man müsse mit allen zehn Fingern arbeiten. Bei komplizierten Bändern schafft sie in einer Stunde gerade einen Zentimeter. In dem Workshop in Morsleben geht es jedoch um sehr viel einfachere Arbeiten, versichert sie.

Blüten aus Stoff mit vielen Verzierungen entstehen am nächsten Tisch. Auch Filzarbeiten gehören zu diesem Tag. Auf einem Tisch sind gefilzte Blumenkinder zu sehen, so lebensecht, als würden sie gleich loslaufen, und sehr beeindruckend in der Verarbeitung der Filzwolle. Neben der Erhaltung alter Handarbeitstechniken geht es den Frauen schließlich auch darum, alte Techniken mit modernen Anforderungen zu verbinden.

"Handarbeitsleute sind zufriedene Leute, fast glückliche Leute"

Dafür stehen auch Jutta Wopa und Angela Bettge aus Wespen in der Schönebecker Gegend ein. Sie zeigen an einem Tisch ihre Arbeiten. Jutta Wopa hat unter anderem eine weiße Gardine mit Blumenmotiven gefilzt. Sie hat in eigens dafür angefertigten Keramikrahmen kleine Wandbilder gewebt, hat Taschen für Handys mit unterschiedlichen Techniken angefertigt und ähnliches mehr. Wie Edelgard Tessenow, die sich zu den beiden Frauen gesellt hat, gehört Jutta Wopa zu den Klöppel-, Spinn- und Stricklieseln aus Schönebeck.

"Handarbeitsleute sind zufriedene Leute, fast glückliche Leute, wenn sie bei ihrer Handarbeit sind", sagt Jutta Wopa und schaut von ihrer Arbeit auf. "Und man hat immer etwas, was sonst niemand hat", ergänzt Angela Bettge. Manches entstehe aus Resten, früher aus der Not heraus, heute aus Freude daran.

Karin Bergel geht von Tisch zu Tisch und schaut zu. Gleichzeitig verteilt sie Einladungen zu einer Textilkunstausstellung im Schloss Leitzkau, die am 17. August eröffnet wird. "Alte Technik Neue Form" ist das Motto. Mitglieder der Gruppe Zeitwerk stellen hier aus. Zeitwerk ist eine lose Gruppe von Frauen aus fast ganz Deutschland, erzählt Karin Bergel. Sie hat unter anderem auch bei Barbara Fiedler, einer der Initiatorinnen der Klöppel- und Textilkunsttreffen, schon Kurse belegt.

"Klöppel wurden selbst gedrechselt und mit der Nagelfeile bearbeitet"

Renate Mertins aus Magdeburg interessiert sich ebenfalls für den Workshop. Sie engagiert sich in der Klöppelgruppe im Magdeburger AMO. "Ich hatte im Urlaub ein paar Klöppel ergattert, aber das reichte nicht", erinnerte sie sich an DDR-Zeiten. "Also schrieb ich an das Kaufhaus in Karl-Marx-Stadt und schilderte meine Sorgen. Ich habe noch Klöppel bekommen. Die wurden dann noch nachgedrechselt, für Feinarbeiten haben wir die Nagelfeile genommen."

Das Interesse an den Techniken, die die Großmütter und Urgroßmütter im täglichen Leben angewandt haben, ist groß und verbindet die Frauen. Das Frauen Kunst Museum bietet jetzt auch wieder Kurse im Museum in Königslutter an. Klöppeln für Anfänger beginnt am 21. August und findet an sechs Abenden ab 18.30 Uhr statt. Eine Klöppelausrüstung kann ausgeliehen werden. Ein Wochenendkurs Wollvorbereitung zum Spinnen ist für den 2. und 3. November angesetzt. Anmeldungen nimmt Gudrun Hildebrand an, Tel. (05365) 2921 oder run.hildebrand@gmx.de.

www.Frauenkulturmuseum.jimdo.com