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Verschollener Fund Warum ein einzigartiges Fundstück aus dem Dom Jahrzehnte in der Börde lag

Seit 1959 wurden rund um die verschiedenen Grabungen am Magdeburger Dom viele Entdeckungen gemacht. Eines der Fundstücke landete 1965 bei einem Gutensweger in Privatbesitz. Darum ist dieser wiederentdeckte Fund einzigartig.

Von Kristina Reiher 09.02.2024, 18:26
In Gutenswegen berichtet Archäologe Rainer Kuhn über den Fund, der jahrelang in Gutenswegen verweilte. Vermurtet wird, dass das Bruchstück seinerzeit zu einer antiken Büste gehörte.
In Gutenswegen berichtet Archäologe Rainer Kuhn über den Fund, der jahrelang in Gutenswegen verweilte. Vermurtet wird, dass das Bruchstück seinerzeit zu einer antiken Büste gehörte. Foto: Kristina Reiher

Gutenswegen. - „Das Stück ist ebenso ungewöhnlich wie seine Fundgeschichte“, erklärt Archäologe Rainer Kuhn bei seinem Vortrag in Gutenswegen. Bekannt ist der Fachmann für seine Grabungen am Magdeburger Dom, allen voran aber für die Wiederentdeckung des Grabes der Editha, der Ehefrau Ottos des Großen, für das er und Grabungstechnikerin Claudia Hartung 2008 gefeiert wurden. Immer wieder werden bei neuen Grabungen herausragende Funde gemacht. Dass aber ein Altfund, der jahrzehntelang in der Börde in Privatbesitz war, auftaucht, ist eher selten der Fall. Wie aber kam das Stück nach Gutenswegen und was ist daran so besonders?

„Bei dem faustgroßen Altfund handelt es sich unzweifelhaft um ein Bruchstück aus rötlichem Marmor mit einer weißlichen Äderung, das einmal zu einer antiken Büste gehört haben muss“, erklärt Kuhn. Das Teilstück sei dabei von vergleichsweise einfacher, aber handwerklich qualitätvoller Gestaltung und könne aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus stammen. „Im erhaltenen Schulterbereich überlappen sich zwei Teile eines Gewandes und werden mit einer runden Fibel zusammengehalten“, beschreibt der Fachmann.

„Besonders daran ist, dass das Stück eine im Magdeburger Antikenbestand bisher unbekannte Anstück-Technik aufweist“, ergänzt Kuhn. Sprich: Scheinbar wurde das zerstörte Brustbild der Büste aus verschiedenen Materialien hergestellt und zusammengesetzt. „Leider haben sich die einzelnen Teile nicht erhalten oder wurden bisher nicht gefunden.“ Wahrscheinlich werden sie das auch nie, denn entdeckt wurde das Stück seinerzeit eher zufällig und vor dem Abfall bewahrt.

So landete das Stück in der Börde

Zu verdanken, dass das Marmorstück überhaupt noch existiert, ist es Heinrich Rebenklau, dem ehemaligen Bürgermeister Gutenswegens. Während der Grabungen, die Archäologe Ernst Nickel von 1959 bis 1968 auf dem Magdeburger Domplatz durchführte, arbeitete Denkmalpfleger Rebenklau bei einem Betrieb, der Sand für die Verfüllung der Nickel-Grabungen anlieferte. „Auf der Rückfahrt wurde der Aushub der Grabung mitgenommen. Dabei fiel einem aufmerksamen LKW-Fahrer ein besonderer Stein ins Auge“, erklärt Kuhn. Darauf angesprochen habe Rebenklau diesen dankenswerterweise an sich genommen.

Einer der bedeutendsten Funde bei den Grabungen Rainer Kuhns und Claudia Hartungs ist das Grab mit Bleisarg von Königin Editha 2008.
Einer der bedeutendsten Funde bei den Grabungen Rainer Kuhns und Claudia Hartungs ist das Grab mit Bleisarg von Königin Editha 2008.
Foto: dpa

Der Gutensweger Rebenklau lernte später den Archäologen Kuhn kennen und überreichte ihm dann im Zuge von Kuhns Domgrabungen bereits Anfang der 2000er Jahre das gerettete Fundstück, dass sich seit 1965 in seinem Besitz befand. Nun wurden die Gutensweger mittels eines Vortrags über die Erkenntnisse rund um den Fund und die Domausgrabungen aufgeklärt. Anfangs mit Skepsis betrachtet, entpuppte sich der Fund schnell als echtes antikes Stück vom Domplatz. Zumal sich bei der Durchsicht der Domplatzfunde aus den Jahren 2001 bis 2003 ein zweites Stück sehr ähnlichen rötlichen Marmors gefunden habe, bestätigt Kuhn. Nach Magdeburg dürfte das Marmorstück mit dem ottonischen Antikentransport in den 960er Jahren gekommen sein. „Das Material ist in Magdeburg äußerst selten und dieses Stück bisher einzigartig.“

Sind mehr Funde verloren?

Ausgeschlossen werden kann aber nicht, dass noch mehr kleinere Fundstücke durch den Abtransport verloren gingen. Denn Nickel musste seinerzeit in der DDR unter schwierigen Bedingungen arbeiten. „Er hatte eine sehr große Grabungsfläche, wo sogar nachts gebaggert und das Material abgefahren wurde“, erklärt Kuhn.

Auch Erhard Jahn, vom Heimat - und Kulturverein Wolmirstedt, der den Vortrag von Rainer Kuhn in Gutenswegen organisiert hat, zeigt sich begeistert: „Dass so ein Stück wieder da ist, wo es hingehört, ist ein Glücksfall.“ Sicher verwahrt wird es seit der Übergabe von Rebenklau an Kuhn seit Jahren im Dommuseum. Dort war es eine Zeit lang sogar ausgestellt. Wann es dort wieder zu sehen sein wird, kann derzeit aber nicht mit Sicherheit gesagt werden.