Gastronomie Warum in den Gaststätten in Wolmirstedt viele Überstunden anfallen
Die Statistik der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zeigt, dass im Landkreis Börde Überstunden an der Tagesordnung sind. Eine Bilanz.

Wolmirstedt. - „Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat“, so beschreibt es Holger Willem, Geschäftsführer der Gewerkschaften Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Der sogenannte „Überstunden-Monitor“ zeigt an, dass Mitarbeiter im Gastronomie- und Hotelgewerbe über zwei Millionen Überstunden angesammelt haben.
Mehr als eine Million davon sind unbezahlt. „Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Landkreis Börde durch unbezahlte Mehrarbeit rund 15 Millionen Euro quasi „geschenkt“, erklärt Willem. Diese Berechnung sei sparsam, da lediglich mit dem Mindestlohn gerechnet wurde. Die NGG warnt, dass Gastronomie und Hotellerie nicht dauerhaft auf die unbezahlten Überstunden der Beschäftigten zählen können. Für die Berechnung dieser Werte nutzen die Wissenschaftler die Übertragung von Branchendurchschnittswerten auf die Struktur der Beschäftigten, dabei greifen sie auf sogenannte Mikrozensusdaten zurück, also Daten bezüglich der Struktur sowie wirtschaftlichen als auch sozialen Lage der Bevölkerung.
Überstunden in der Börde
Für die Stadt Wolmirstedt sieht es ähnlich aus. Alle Gastronomen und Hotels sind sich einig: Der Fachkräftemangel ist stark zu spüren. Sowohl im Hotelgewerbe als auch in der Gastronomie – die Arbeitskräfte fehlen an allen Ecken und Enden. Doch nicht nur das. Wie auch in anderen Städten müssen hier die vorhandenen Arbeitskräfte die Lücken füllen. Das bedeutet für viele Überstunden. Jens Roepke, Inhaber der Gaststätte „Zur Glucke“, fasst alle Aussagen zusammen und geht sogar noch einen Schritt weiter: „Natürlich fehlen bei uns die Arbeitskräfte. Das geht uns allen so. Egal, in welche Branche man schaut, fehlen die Arbeitskräfte. Das können wir gar nicht so einfach ausgleichen.“ So würden die Arbeitskräfte nicht nur in der Gastronomie, sondern auch im Bereich des Handwerks, der Elektrotechnik, des Einzelhandels und vielen anderen fehlen.
Laut Holger Willems ist vor allem der Fachkräftemangel und die schlechte Bezahlung Grund für die vielen Überstunden. Während der Corona-Pandemie haben über 60 Prozent der Beschäftigten die Branche gewechselt. So sei die Hotellerie und Gastronomie kein sicheres Standbein mehr gewesen, viele sind in Logistik oder Einzelhandel gewechselt. Neben dem durch die Pandemie ausgelösten Fachkräftemangel sei die Branche nicht attraktiv für junge Menschen. Der NGG-Chef fordert einen fairen Ausgangslohn, vor allem in der Gastronomie. „Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen.“ Viele der heute besetzten Stellen in Küche, Bar, Service und Hotel würden durch angelernte Arbeitskräfte gefüllt, rund 34 Prozent sind lediglich Mini-Jobber.
Faire Bezahlung in der Gastronomie, dem Lebensmittelhandwerk und der Ernährungsindustrie sind unteranderem Thema auf dem Gewerkschaftstag der NGG Mitte November in Bremen - mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
