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Wasserverlust Meseberger wollen ihr Baggerloch retten

Das Baggerloch nördlich von Meseberg führt immer weniger Wasser. Der Ortsbürgermeister hat eine Idee, das Kleinod zu retten.

Von Sebastian Pötzsch 08.11.2019, 00:01

Meseberg l Die Bilder gingen über sämtliche TV-Kanäle: Anfang September 2019 hielt ein Fischsterben im Baggerloch nördlich der Ortschaft Meseberg die Bürger in Atem. Rund 400 Barsche, Rotaugen, Karpfen und weitere Arten verendeten aufgrund von Sauerstoffknappheit. Als Angler die toten Fische bemerkten, rückten sie sofort mit Pumpen an, um den Restbestand zu retten. Weil dies nicht ausreichte, wurde die Freiwillige Feuerwehr um Hilfe gebeten. Die Kameraden pumpten etwa 6000 Liter pro Minute aus dem See und führten das Wasser wieder zurück. Durch die Umwälzung konnte das Baggerloch mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden.

Wolfgang Schulze führt den Sauerstoffmangel nicht nur auf die Hitzewelle zurück, die Deutschland bis dato im Griff hielt. Aufgrund des Klimawandels hätten auch die Niederschläge nachgelassen, was zu einer fortwährenden Absenkung des Wasserspiegels im besagten Baggerloch und einem weiteren in direkter Nachbarschaft führe.

Doch der Ortsbürgermeister gibt noch einem weiteren Umstand die Schuld und zeigt auf ein Rohr, dass rund einen Kilometer nordöstlich von Meseberg in den Landgraben führt. Nach Schulzes Aussage wird hier ungenutztes Trinkwasser eingeleitet, welches in die Ohre und dann in die Elbe fließt. Das Wasser stamme aus der Westfassung, einem unterirdischen Grundwasserreservoir in der Colbitz-Letzlinger Heide. Es werde nicht in das Trinkwassernetz eingespeist, sondern diene seit dem Jahr 2007 zum Spülen einer Filteranlage der Trinkwasserversorgung Magdeburg (TWM). Eine Pumpstation befördere das Wasser über eine Rohrleitung in den Landgraben. „Rund 600 Liter kommen hier die Minute an“, sagt der Ortsvorsteher und zeigt auf den Wasserstrahl, der in den Graben fließt. Das Abpumpen des Grundwassers zum Filterspülen führe zu einer weiteren Absenkung des Grundwasserspiegels und damit der Pegel in den Baggerlöchern.

Rund zwei Meter seien diese über die vergangenen Jahre gefallen. Das sei gut an einem der Seen selbst zu erkennen. So ragt inzwischen eine Insel rund einen halben Meter aus dem von den Anglern genutzten Baggerloch hinaus. „Das war früher eine Sandbank, auf der ein Erwachsener stehen konnte. Das Wasser reichte bis in Brusthöhe“, erklärt Schulze.

So sei das Nass sei nicht nur wichtig für das Überleben der Fische. Der See samt angrenzendem Freizeitgelände mit Volleyballnetz und Sitzgelegenheiten sei auch ein wichtiges Kleinod für die Bürger Mesebergs. In diesem Zusammenhang erinnert er an das jährliche Fest im Sommer eines jeden Jahres am Ufer des Baggerlochs. „Wenn wir unser Kleinod verlieren, wäre das fatal für den Ort“, sagt der Ortsbürgermeister. Doch das könnte in fünf bis sechs Jahren soweit sein, so eine Prognose.

Um den See und das wertvolle Ackerland um Meseberg vor der völligen Ödnis zu bewahren, hat Wolfgang Schulze eine Idee. So könnte jenes Spülwasser, welches im Landgraben und später in der Elbe landet, in die ehemaligen Kiesgruben umgeleitet werden. „Das ist doch schade, wenn das Wasser weiter sinnlos abgeleitet wird. Wenn es in das Baggerloch geleitet würde, wäre doch allen geholfen. Die Äcker würden nicht weiter austrocknen und das Baggerloch würde genug Wasser führen“, stellt Schulze fest.

Allerdings müsste noch festgestellt werden, ab das Nass tatsächlich für solche Zwecke geeignet ist. „Deshalb wollen wir wissen, ob die Wasserqualität ausreicht und nicht doch eine Kontamination vorliegt“, sagt der Bürgermeister weiter. Vor Jahren schon habe er um eine Stellungnahme von der Unteren Naturschutzbehörde zu diesem Thema gebeten, doch bisher keine Nachricht erhalten.

Wie die Volksstimme von der Behörde erfuhr, hat es zu Beginn dieses Jahres einen gemeinsamen Ortstermin mit der unteren Forstbehörde gegeben. Hier sei zunächst festgestellt worden, dass die Baggerlöcher weder Zu- noch Ablauf etwa durch einen Vorfluter haben und somit „ausschließlich den natürlichen Grundwasserschwankungen“ unterliegen würden.

Der gewässerkundliche Landesdienst des Landesbetriebes für Hochwasserschutz betreibe in Sachsen-Anhalt Messstellen zur Beobachtung der Grundwasserstände, so auch Messstelle in Lindhorst und Vahldorf. „Aus den Ganglinien dieser Messstellen von 1966 bis heute ist ersichtlich, dass immer mal wieder, so zum Beispiel in den 70ern und Anfang der 90er und auch in den letzten vier bis fünf Jahren Grundwasserabsenkungen zu verzeichnen waren. Der diesjährige Grundwasserstand ist im Rahmen der langjährigen Beobachtung noch kein Spitzenwert“, teilte Anne Hochbach, Sachbearbeiterin für Arten- und Biotopschutz beim Natur- und Umweltamt des Landkreises Börde, mit.

Aufgrund der Besichtigung der örtlichen Gegebenheiten könne zwar eine Absenkung bestätigt werden, aber für die besonderen vergangenen zwei Trockenjahre sei diese nicht außergewöhnlich. Die lang anhaltenden Trockenphasen geprägt durch hohe Verdunstungsraten und Defizite bei der Grundwasserneubildung durch die fehlenden Niederschläge seien „tatsächlich ausschlaggebend für die Absenkung“.

Zudem erinnert Anne Hochbach an die durch den Landkreis als untere Wasserbehörde im Sommer erlassene Allgemeinverfügung zur Wasserentnahme aus oberirdischen Gewässern. „Diese ist erforderlich und angemessen, um vorsorglich die Lebensgrundlage Wasser aus gewässerökologischen, wassermengenmäßigen sowie wassergütewirtschaftlichen Anforderungen abzusichern“, teilte die Sachbearbeiterin weiter mit.

Eine Einleitung von Wasser in die Baggerlöcher würde jedoch dazu führen, dass dieses Wasser an anderer Stelle fehle. Eine Anhebung der Grundwasserstände sei aus wasserwirtschaftlicher Sicht nicht erforderlich und auch nicht praktikabel. Hochbach: „Die Baggerlöcher sind stehende Binnengewässer, welche durch Kiesabbau entstanden sind. Diese sind mit einem Schilfgürtel und von einer mit Gehölzen bestockten Fläche umgeben.“

Alle diese Biotoptypen sind gemäß des Bundesnaturschutzgesetz sowie des Landesnaturschutzgesetzes geschützt und die entsprechenden Flächen im Naturschutzregister Sachsen-Anhalts erfasst. „Eine aktive Zerstörung oder erhebliche Beeinträchtigung ist verboten. Ein Anspruch auf Anhebung des Wasserstandes kann allerdings auch aus arten- und naturschutzrechtlicher Sicht nicht gestellt werden, da Grundwasser als gespeiste Stillgewässer natürlichen Wasserstandsschwankungen unterlägen. „Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass der Fischbesatz in Niedrigwasserzeiten angepasst werden sollte und Maßnahmen zur Sauerstoffanreicherung zum Beispiel durch Umwälzen der Wassermenge durch Pumpen ergriffen werden können“, informierte die Fachfrau weiter.

Für Wolfgang Schulz indes sind diese Aussagen nicht zielführend. Er macht für die Absenkung des Grundwasserspiegels weiterhin auch die Entnahme des Grundwassers zum Spülen der Filter verantwortlich. Deswegen müsse gerade aus Naturschutzgründen das Wasser eingeleitet werden, um den Fischbestand sowie die Biotope im Umfeld der Baggerlöcher zu bewahren.

Von dem Ortstermin zu Beginn dieses Jahres habe er nichts gewusst, „und der Gemeindebürgermeister meines Wissens nach auch nicht. Es wäre schön, wenn wir als betroffene Gemeinde eingeladen worden wären“, ärgert sich der Ortschef und gibt sich kämpferisch: „Wir bleiben dran!“