Dreitägiger Graffiti-Workshop für Kinder und Jugendliche aus der Hohen Börde Wenn der Sprühnebel Ideen zu Bildern verwebt
In die bunte Graffiti-Welt tauchten 14 jungen Leute aus der Hohen Börde ein. Ein Workshop des Jugendteams der Gemeinde wollte sie für das Sprühen auf legale Art sensibilisieren und faszinieren.
Hermsdorf/HoheBörde l Verbotenes macht doppelt Spaß. Mit neun hat Chris (heute 14) das erste Mal gesprüht. Oft nachts. Das hat ihm Ärger eingebracht. Auch mit der Polizei: "Das ist geklärt. Vorbei. Ich will weg vom illegalen Sprühen. Dafür ist der Workshop hier Klasse. Endlich genügend Zeit beim Sprühen zu haben, das ist ein neues, ein schönes Gefühl. Ich war sehr überrascht, was wir hier alles machen können. Wir lernen Leute kennen, die Kontakte zu legalen Projekten haben, die echt cool sind und was draufhaben", schwärmt Chris.
"Wir wollen den Spaß an unserem Hobby an die Jugendlichen weitergeben, zeigen, was alles möglich. Alternativen zum illegalen Sprühen gibt es genug. Und ich denke, das haben alle hier verstanden."
Tim Höhne (Graffitikünstler)
Zusammen mit den 13 anderen Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 17 Jahren aus sechs Dörfern macht er mit beim Graffiti-Projekt des Jugend-Teams der Hohen Börde. "Der Landkreis fördert dieses Präventionsprojekt, das Kinder und Jugendliche für legales Graffiti-Sprühen begeistern und gewinnen soll", beschreibt Rebecca Ebeling, die Streetworkerin der Hohen Börde.
Einige junge Leute haben das erste Mal eine Sprühdose in der Hand, andere sind seit Jahren aktive Sprayer, einige im Halbdunkel der Straßen.
Basti (29) und Tim (23) kennen das Gefühl der jungen Leute mit dem Graffiti-Virus. Sebastian "Basti" Przyluski stellt im Hauptberuf Leuchtreklame her, Tim Höhne ist gelernter Mediengestalter. Graffiti sind ihre Leidenschaft. In Samswegen besprühen sie derzeit mit jungen Leute den Jugendklub. In der Hohen Börde leiten sie den dreitägigen Graffiti-Workshop.
Auftakt mit Pilgerausflug in die Magdeburger "Aerosol-Arena"
Was legal alles möglich ist, das bestaunten die 14 jungen Leute mit Tim und Basti am Montag in der Aerosol-Arena Magdeburg-Rothensee. Gigantische Wandbilder von Graffiti-Künstlern aus ganz Deutschland prangen dort von Wänden einer Industriebrache. Die Sprayer-Legende "Pest" (alias Jens Märker aus dem Ruhrgebiet) hatte die Idee zum Rothenseer Freiluft-Atelier, das inzwischen zum Mekka der Graffiti-Szene avanciert. Ganz legal.
"Wir wollen den Spaß an unserem Hobby an die Jugendlichen weitergeben, zeigen, was alles möglich. Alternativen zum illegalen Sprühen gibt es genug. Und ich denke, das haben alle hier verstanden", betont Tim. Tim und Basti zeigen die "Basics" im Umgang mit der Dose, demonstrieren die Effekte des Farbennebels bei kurzen und weiten Abständen von der Bildflläche.
"Caps", Schablonen und die Dosenhaltung erzeugen Effekte
"Einige haben die Lust schon verloren, andere sind Feuer und Flamme. Manchmal ist es einfach nur die Angst vor der Dose, die überwunden werden muss. Dann kommt auch der Spaß", meint Tim. Ihre Schützlinge probieren, fragen, meckern und verzweifeln. Sie übersprühen alles und fangen von vorn an. Sie neigen ihre Dosen und erzeugen imposante Farbverläufe, sie verstehen die Effekte der "Caps", jener Sprühköpfe, die breite und feine Linien auf die Holzplatten und Leinwände ziehen. Es entstehen Buchstaben, Punkte, Kreise, geschwungene Formen und lustige Figuren. Mit Pappe und Schere basteln die Graffiti-Jünger Schablonen, die das Aufbringen von Schriftzügen und Bildelementen erleichtern. Nicht immer folgt der Sprühnebel dem Willen. Die Skizze mit Bleistift und Fasermaler ging eben leichter. Tim und Basti helfen, wo sie können. Das kreative Chaos auf den Tischen und vor und auf den Leinwänden macht Hoffnung.
"Bei Einigen ist echt Leidenschaft und Willen zu spüren. Vielleicht können wir in einigen Wochen zusammen mit den Samsweger Jugendlichen im Aerosol-Areal ein Bild sprühen. Mal sehen", sagt Tim. Und neben Tim beginnen hinter den Schutzmasken die Augen zu strahlen.