Zerbster Wohnungsbaugenossenschaft hat Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke GmbH verklagt Abfallstreit im September vor Gericht
Am 11. September wird am Landgericht in Dessau über den Abfallentgelt-Streit zwischen der Wohnungsbaugenossenschaft "Frohe Zukunft" und den Anhalt-Bitterfelder Kreiswerken verhandelt. Das Gericht soll auch das Anhalt-Bitterfelder Abfallrechtskonstrukt betrachten.
Zerbst l Die Zerbster Wohnungsbaugenossenschaft "Frohe Zukunft" (WG) verwaltet 1460 Wohneinheiten. Am Beispiel der Wohnungen in den Objekten Breitestein 10 bis 16 und 18 bis 24 will sie vor Gericht deutlich machen, dass nicht nur die Abfallentsorgungskosten seit 2011 drastisch und ohne gerechtfertigten Grund gestiegen sind, sondern dass die Übertragung des Abfallgeschäftes durch den Landkreis Anhalt-Bitterfeld auf sein Tochterunternehmen "Anhalt-Bitterfelder Kreiswerke GmbH" (Abikw) nicht rechtens ist.
Letzteres wiegt schwer. Rechtsanwalt Sven Handrich, der die WG vertritt, verweist auf das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - ein Bundesgesetz. Nach seiner Lesart werde darin die Verleihung einer Dienstleistungskonzession durch den Landkreis an ein Unternehmen nicht gestattet. Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld sei innerhalb seiner Grenzen unabänderlich zuständig für die Entsorgung des Abfalls aus privaten Haushalten der kreisangehörigen Bürger.
Gesamtkonstrukt steht infrage
Sollte die WG den Rechtsstreit gewinnen, würde dies der Anhalt-Bitterfelder Abfall-entsorgungssatzung wie auch den zwischen Landkreis und Abikw geschlossenen Verträgen die Rechtskraft entziehen. Handrich schlussfolgert ferner, dass bei dieser Konstellation sämtliche "Entsorgungsverträge" zwischen den Abikw und den Haushalten unwirksam seien, somit die Rechnungslegungen der Abikw unberechtigt wären.
Die Klage wurde Ende April beim Landgericht Dessau-Roßlau eingereicht. Dieses forderte die Abikw zur Stellungnahme auf, welche am 12. Juni einging. Rechtsanwalt Veit Wolpert, der die Abikw vertritt, zugleich auch Kreistagsmitglied ist, verweist hinsichtlich der Zuständigkeit der Abikw für die Abfallwirtschaft wie auch die Rechnungslegung auf das sachsen-anhaltische Landesrecht. Demnach sei die Erhebung privater Entgelte laut Landesabfallgesetz wie auch laut Landes-Kommunalabgabengesetz zulässig.
Die Übertragung der Erfüllung der Abfallwirtschaftsaufgabe an einen privaten Dritten obliege der Organisationshoheit des Landkreises, heißt es in seiner Stellungnahme. Im Übrigen sei diese Konstellation vorab rechtlich und von der Vergabekammer geprüft worden. Die Praxis werde im Gebiet des Altkreises Bitterfeld bereits seit mehr als 20 Jahren praktiziert, so Wolpert.
In einem zweiten Begründungskomplex erklärt Sven Handrich für die Klägerin, dass die Entgeltkalkulation nicht den gesetzlichen Grundlagen entsprechen würde. Beispielsweise sei die Formulierung, die Abikw könnten weitere Dritte mit der Wahrnehmung von Einzelaufgaben betrauen, zu unbestimmt. Vielmehr müsste hier das Bestimmtheitsgebot beachtet werden.
Der Kläger-Anwalt bemängelt ferner, dass 266 941 Euro als "kalkulatorisches Unternehmenswagnis" in die Kalkulation einflossen. Dies sei falsch, da der Landkreis als alleiniger Gesellschafter für alle Unwägbarkeiten letztlich einstehen müsse. Neben vielen weiteren Details, die sich wesentlich auf ein von der WG in Auftrag gegebenes Gutachten zur Kalkulation stützen, formuliert Handrich schließlich, das Gleichbehandlungsgebot werde verletzt, wenn beispielsweise der BWZ eine Summe von 40 000 Euro, die aus zurückliegenden Zahlungsverpflichtungen herrührt, erlassen wurde. Damit werde eine unerlaubte Quersubventionierung betrieben, denn dieses Geld müssten alle anderen Entgeltzahler mit aufbringen. "Im Grunde geht es hier um die Offenlegung der Entgeltkalkulation", sagt Handrich.
"Kreistag wusste alles"
Hierzu erklärte der Abikw-Anwalt, dem Kreistag hätten sämtliche Kalkulationsunterlagen vorgelegen, als er der Kalkulation für die Entgelterhebung zustimmte. Der von der WG bemühte Gutachter sei zudem kein Abfallrechtsexperte. Viele seiner Schlussfolgerungen seien falsch.
Die Wohnungsbaugenossenschaft fordert konkret, für die eingangs genannten Wohnungen nicht die bereits für die ersten drei Monate dieses Jahres in Rechnung gestellten Entgelte zahlen zu müssen. Der Streitwert liegt bei 8280,36 Euro. Die Sitzung der Kammer für Handelssachen am Landgericht in Dessau-Roßlau findet am 11. September statt. Die Verhandlung ist öffentlich.