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Café Abschied vom Sehnsuchtsort

Nach elf Jahren Betriebsamkeit ist die Storchenmühle nun geschlossen. Herma und Ulrich Michelsen haben aber Ideen für die nächste Saison.

Von Petra Wiese 01.10.2019, 06:00

Steckby l „Kuchen backen kann ich“, mit diesen Gedanken im Hinterkopf entschieden sich Herma und Ulrich Michelsen, es mit der Storchenmühle in Steckby zu versuchen. Das Paar aus Berlin fühlte sich zu der Gegend hingezogen, hatte eine Ferienwohnung in Tochheim und war öfter mal – oder ziemlich oft – im Café in Steckby. „Wir waren begeistert“, erzählten die Michelsens. Es war wohl eher ein Zufall, dass Herma Michelsen die Erste war, die das Exposé für den Verkauf der Storchenmühle in die Hand bekam. Sie durfte es mitnehmen, um es ihrem Mann zu zeigen. Die Freundin meinte nur „du bist wohl verrückt.“

„Wir haben eine Nacht überlegt, kein Auge zu gemacht“, erinnern sich die beiden – „am nächsten Tag haben wir gekauft.“ Im Juni 2008 war alles unter Dach und Fach. Bis Ende Februar des nächsten Jahres waren die Vorgänger noch da. Die Michelsens sprechen von einer „warmen Übergabe“. Am 1. Mai 2009 öffneten sie das Café. „Da war gleich der Teufel los“, so Herma Michelsen, am Nachmittag kamen 100 Leute. Ulrich Michelsen fand es so rührend, dass Enkel Paul sich bereit erklärte abzuwaschen und dann nachfragte, „sind wir jetzt reich?“

„Reich sind wir nicht geworden“, können die beiden nur schmunzeln. Ohne ihre regelmäßige Rente hätten sie das Café nicht betreiben können. Und wohl auch nicht ohne Gabi Schnelle aus Eichholz und Doris Wecke von nebenan –„Mit den Damen haben wir ein Glück gehabt“. Ihnen war es anzumerken, dass sie sich dem Café genauso verbunden fühlen, wie die Besitzer.

In elf Jahren hat Herma Michelsen 5000 Kuchen gebacken, etwa 20 jede Woche in der Saison. „Inzwischen kann ich‘s“, lacht sie. 30 Sorten schüttelt sie aus dem Hut, nur manchmal muss sie noch ins Rezeptbuch schauen. Aber es waren nicht die typischen „Bauernkuchen“, die es in der Storchenmühle gab. Raffiniertere Sachen waren da im Angebot, wie zum Beispiel die Orangentorte, nach einen Rezept von 1760 aus dem Schloss Oranienbaum. Nein, das Rezept hat sie niemandem weiter verraten, hielt allen Nachfragen stand.

Am vergangenen Sonnabend hatte das Café Storchenmühle nun zum letzten Mal geöffnet. „Jetzt ist es gut“, sagen die Michelsens. Ihre Kräfte sind erschöpft, sowohl körperlich als auch geistig. Mit 76 und 75 Jahren hätten sie jedes Recht, sich zur Ruhe zu setzen. Schließlich war das Café für sie nicht nur Kuchen hinstellen. Alles musste passen, der eigene Anspruch war hoch. Das fing beim Einkauf gesunder Zutaten an, reichte über die Dekoration bis hin zu den Plaudereien mit den Gästen. Sie merkten schnell, dass das Cafégeschäft unvorhersehbar ist. Kommen 20 oder 100 Leute? Manchmal wurde nur Filterkaffee getrunken, manchmal nur die Spezialitäten aus der Maschine. War der Kuchen am Sonnabend schon alle, musste Herma Michelsen auch schon mal zehn Kuchen am Sonntag nach backen. Von 6 bis 13 Uhr war das Backen immer eingeplant.

Am Anfang war Donnerstag bis Sonntag geöffnet, aber die letzten fünf Jahre nur noch ab Freitag. Der Donnerstag lohnte sich nicht. Früher war auch der ganze Garten in den Cafébetrieb einbezogen, zuletzt blieben die Gäste auf der Terrasse. Es ist diese Gartenidylle, die die Besucher lieben, der kleine Teich, die Scheune mit dem Storchennest. „Viele waren erstaunt, mitten auf dem Land so ein Café zu finden“, so Herma Michelsen, ein „Sehnsuchtsort“. Die Ausflügler kamen, Radfahrer, aber auch die Leute aus dem Dorf. „Wir fühlen uns angenommen“, sagen die Psychologin und der Soziologe.

Und sie haben auch jede Menge investiert in das Objekt – vom Dach über Fenster, Terrasse, Teich bis zur Theke – 100.000 Euro mit Muss. Die Storchenausstellung unterm Dach blieb unverändert, die mittlere Ebene nutzte Ulrich Michelsen für eigene Ausstellungen von Malereien und Fotografien. Viele Erlebnisse und Begegnungen hatten die Michelsens mit Menschen aus allen Erdteilen.

Und das Paar wird weiter vor Ort sein – „Wir bleiben hier“. Alles soll so bleiben, wie es ist, nur ohne Cafébetrieb. Dafür soll es in der nächsten Saison ein paar Veranstaltungen geben. Einige Ideen haben die beiden schon im Kopf. Ab und an eine Lesung vielleicht, wie die letzte mit Ernst Paul Dörfler. Und auch Ulrich Michelsen will seine Kunstwerke immer mal wieder zeigen.

Jetzt sollen Zeit und Kraft da sein für andere Sachen, die die beiden gerne machen – Zeit für die Elbe, mal Urlaub im Sommer und immer mal wieder Berlin mit seinen Angeboten.