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Typengleicher Bau weckt beim Heimatfotorätsel der Volksstimme den Rate-Ehrgeiz der Leser Dampfmolkerei weckt vielfältige Erinnerungen

Von Daniela Apel 11.08.2012, 05:18

Im aktuellen Heimatfotorätsel suchten wir eine Dampfmolkerei. Das erkannten auch viele Leser. Schwieriger stellte sich die Frage nach dem Ort heraus. Weder Steutz noch Dobritz oder Leitzkau lautete die Lösung. Die richtige Antwort war Güterglück.

Güterglück l "Das ist die Dampfmolkerei in Güterglück", erklärt Günter Rose. "Mein Großvater hat sie mit gegründet", erzählt er, dass Otto Rose einer der 37 Landwirte gewesen war, die 1902 eine Genossenschaft zur Milchverarbeitung aus der Taufe hoben. "Ich bin mit dem Rollwagen mitgefahren und habe die Milch mit eingesammelt", bemerkt er.

"Dort auf der Schoßkelle sitzt Otto Holz", identifiziert Helmut Morbach den Kutscher des Pferdefuhrwerks auf dem historischen Schwarz-Weiß-Foto. "Er hat die Milch von den Leuten abgeholt", beschreibt der Güterglücker die Milchbänke vor den Häusern, auf denen die Milchkannen standen. "Wir haben unsere Ziegenmilch zur Molkerei gebracht", erinnert sich Helmut Morbach. Zurück bekamen sie neben etwas Geld Magermilch und zum Wochenende Quark oder Butter.

Daran kann sich Siegfried Schellin ebenfalls noch gut erinnern. "Ich habe die Ziegenmilch jeden Morgen vor der Schule hingebracht und hinterher Butter abgeholt." Den Ziegelsteinbau selbst kenne er in- und auswendig. "Mein Schulfreund hat obendrin gewohnt. Sein Vater war der Molkereileiter", berichtet Schellin. Während sich oben Wohnungen befanden, lagen hinter den vier Fenstern im Erdgeschoss die Büroräume.

Ein paarmal sei das Gebäude umgebaut worden, erzählt der Güterglücker von verschiedenen Nutzungen. Kinderkrippe, Jugendclub und sogar die Polizei waren zeitweilig darin untergebracht. "Der Dampfkessel stand da, wo jetzt der Schulungsraum der Feuerwehr ist", erläutert Siegfried Schellin. Die heutige erste Fahrzeughalle sei ursprünglich der Maschinenraum gewesen, in dem vier Zentrifugen standen. Und wo nun der Umkleide- und Toilettenbereich der Blauröcke ist, war seiner Beschreibung nach einst die Käserei zu finden.

Bevor sie 1980 anfingen, den hinteren Anbau in das Feuerwehrgerätehaus zu verwandeln, nutzte ihn die Schule als Turnhalle, wie Kamerad Schellin berichtet. "Ich durfte da drin meine Abschlussprüfung machen", verrät Wilfried Baumgart, der die Dampfmolkerei ebenfalls sofort erkannte. Er erzählt, wie sich die Milchkutscher in der benachbarten Gaststätte "Zum Deutschen Haus" zum Frühstück getroffen haben. Von einer Fuhrwerk-Wanderung auf der Bahnhofstraße spricht Siegfried Schellin.

"Ich habe unsere Ziegenmilch jeden morgen vor der Schule hingebracht."

Siegfried Schellin, Güterglück

"Ich habe drei Jahre in der Molkerei als milchwirtschaftliche Laborantin und im Büro gearbeitet", blickt Annemarie Pudicke zurück. "Das war von 1957 bis 1961", erzählt die Schoranerin, wie sie damals von der gelieferten Kuh- und Ziegenmilch Proben zur Bestimmung des Festgehalts nahm. Proben der produzierten Butter seien mit der Bahn per Express nach Halberstadt geschickt worden. Die Butter selbst sei in großen Blöcken, verpackt in 25-Kilo-Kartons nach Magdeburg gegangen, entsinnt sie sich. Auch von der Camembert-Produktion sowie der Herstellung von Quark und Sahne berichtet Annemarie Pudicke.

"Seit meiner Geburt 1963 wohne ich in dem Haus", erklärt Roberto Heinrich. Links, wo das Pferdefuhrwerk stehe, habe sich die Einfahrt der Molkerei befunden. Dort sei die Milch angeliefert worden, auf der rechten Seite verließen schließlich die leeren Kannen das Gebäude und hinten lag die Produktionsstätte, in der wie schon erwähnt später Krippe und Turnhalle einzogen und sich inzwischen die Feuerwehr auf Einsätze vorbereitet. Er lässt ebenfalls nicht unerwähnt, dass das mehrgeschossige Haus unterkellert ist. "Das war früher der Käsekeller. Da sind noch die Originalfliesen dran", weiß Roberto Heinrich. Er findet nur schade, dass die schmucken Klinker mittlerweile hinter der Fassadendämmung verschwunden sind.

"Die Milchkutscher haben sich in der benachbarten Gaststätte zum Frühstück getroffen."

Wilfried Baumgart, Güterglück

"Dann ist es die Molkerei in Güterglück", erklärt Lisbeth Straube. "Auf dem Bahnhof bin ich immer umgestiegen und manchmal hatten wir keinen Anschluss, dann sind wir ins Dorf gegangen. Wir hatten da auch Verwandtschaft." Dass auf der alten Aufnahme eine Molkerei abgebildet ist, hatte sie gleich erkannt. Allerdings tippte sie zunächst auf Dobritz. Und da ist Lisbeth Straube nicht die einzige gewesen. Andere Leser wiederum waren sich sicher, dass es sich bei dem abgedruckten Gebäude um die Molkerei in Leitzkau handelt. Aber auch Steutz fiel mehrfach als Lösungswort, was Gerhard vom Hoff nicht wundert, "... da sie meiner Molkerei in Steutz stark ähnelt", verweist er auf den Typenbau vom gleichen Architekten.

Somit war das aktuelle Heimatfotorätsel durchaus etwas knifflig. Zugleich weckte es bei den zunächst falsch liegenden Anrufern die Ratelust und ließ sie nach kurzem Grübeln gleich noch einmal zum Telefon greifen.