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Projektpräsentation in Deetz Das "Parlament der Stühle" konstituiert sich

Von Petra Wiese 27.08.2011, 06:40

Bunte Stühle auf der grünen Wiese, Pferde auf der Weide dahinter und die Luft kuhstallduftgeschwängert. Jugendliche und junge Erwachsene lassen sich von Musik anregen. Das Publikum auf den schattigen Plätzen beobachtet das Geschehen. Eine ungewöhnliche Präsentation findet statt, so wie das Projekt selbst, in dessen Ergebnis sich das "Parlament der Stühle" konstituiert hat.

Deetz. Zweimal wurden gestern auf dem Gelände des landwirtschaftlichen Betriebes von de Vries und van Ginkel in Deetz Stühle ausgestellt. Die bunt gestalteten und mit jeweils einem Fotoporträt versehenen Sitzgelegenheiten entstanden in zwei Workshops im Jugendseeheim Deetz. Im ersten Durchgang waren es Schüler der Zerbster Förderschule am Heidetor, die kreativ tätig wurden. Beim zweiten Durchgang machten junge Frauen und Mädchen aus Deetz mit.

Dieses Projekt "Stärken vor Ort", das vom Europäischen Sozialfond gefördert wird, stellt an Orten im Land- kreis Anhalt-Bitterfeld ein "Parlament der Stühle" zusammen. Nach den beiden Workshops in Deetz wird der Berliner Künstler Kurt Buchwald im September und November noch zwei weitere Workshops in Bitterfeld und Köthen begleiten.

"Die jungen Leute sollen ihre Stärken finden und kreativ tätig werden", erläuterte Kurt Buchwald, worum es ihm geht. Stuhlprojekte gebe es einige, so der Künstler. Das besondere an seinem Projekt seien jedoch die jeweiligen Porträts der Macher an der Lehne. So kann sich jeder mit seinem Stuhl identifizieren. Wie im Parlament hat jeder seinen Sitz.

Die "kreativen Köpfe" werden nun so manches Zimmer im Landkreis beleben und den Gedanken des Parlaments thematisieren. Dieser hat sich in Großbritannien entwickelt, kommt aber aus dem Französischen. "Parlais" bedeute soviel wie Reden oder Unterhaltung. Die Stühle sprechen also für sich, bringen die Persönlichkeit des Besitzers zum Ausdruck, ob mit Hello Kitty-Motiv, den Initialen oder dem Baby im Arm. Jeder konnte seine Idee umsetzen, sich künstlerisch frei entfalten. Reglementierungen gebe es sonst schon genug, meinte der Künstler.

Aber auch die Unterhaltung sollte bei der Konstituierung in Deetz nicht zu kurz kommen. Buchwald hatte Bernard Mayo aus Berlin und dieser seine Gitarre mitgebracht. Der Musiker aus dem Kongo spielte für das Publikum einige Lieder in seiner Muttersprache und andere in Französisch.

Aus der musikalischen Umrahmung wurde ein über einstündiges kleines, aber feines Konzert. Die jungen Deetzer folgten der Aufforderung des Musikers in einige Songs mit einzustimmen. Am Ende hatten sie sogar viel Spaß bei einem kongolesischen Spiel.

Alle Teilnehmer der Workshops konnten gestern – am Mittag, als die Zerbster Förderschüler vor Ort waren, als auch die Einheimischen am späten Nachmittag – stolz auf ihre Werke blicken. Kurt Buchwald zeigte sich sehr zufrieden mit den Schmuckstücken. "Alle haben sehr gut mitgearbeitet", sagte er.

Drei Zerbster und drei von den Deetzer Stühlen wird er nun auswählen, die im Landkreis gezeigt werden sollen. Am 20. September gibt es im Mehrgenerationshaus in Wolfen-Nord eine Ausstellung. Eventuell wird auch in Köthen noch etwas stattfinden, so Buchwald. Auch will er sehen, dass das Projekt im nächsten Jahr weiterverfolgt werden kann.

In Deetz ist der Berliner kein Unbekannter mehr. Um die Bewohner des Ortes künstlerisch zu aktivieren, arbeitet das Jugendseeheim Deetz seit 2009 mit Kurt Buchwald zusammen. Angefangen hat das mit der "Anhaltinischen Porträtmanufaktur". Buchwald selbst kommt immer wieder gern in die ländliche Idylle. Und die Leiterin des Jugendseeheims, Karin Bachmann, freut sich schon, dass er in den Oktoberferien einen Doppelworkshop im Objekt am Teich durchführen will.

Die bunten Stühle sollten nach der Präsentation nicht länger auf der Wiese unter freiem Himmel stehen. Einer wurde sogleich an seine Besitzerin ausgereicht, die anderen werden es, wenn die Auswahl für die Ausstellung getroffen ist.