Hunde aus Kerchau haben mehrfach Schafe und Damwild gerissen / Halter: "Die beiden Hunde tun keinem Menschen was"
Zwei Hunde sorgen in und um Kerchau für Unruhe. Mehrfach rissen sie aus, töteten bislang mindestens neun Schafe und drei Stück Damwild. Das Zerbster Ordnungsamt hat die Hunde nun als "gefährlich" eingestuft. Will der Halter sie behalten, muss er dem Kampfhundegesetz entsprechend eine Erlaubnis einholen. Unter anderem müssen die Hunde einem Wesenstest unterzogen werden.
Kerchau/Zerbst. Heute müssen sich Maria und Wilhelm Kohrs aus Kerchau festlegen: Beantragen sie eine Erlaubnis zum Halten ihrer neun Jahre alten Husky-Hündin und deren vierjähriger Tochter, eine Mischlingshündin? Seit Donnerstag voriger Woche sind die beiden Hunde amtlich bescheinigt "gefährlich". Entweder abschaffen oder eine Genehmigung zum Halten gefährlicher Hunde beantragen. Und sofort für ein wirksam eingefriedetes Grundstück sorgen – das sind die Auflagen des Zerbster Ordnungsamtes.
Vater und Tochter Kohrs, die vor rund sieben Jahren ein Gehöft in Kerchau erworben hatten und so gut es geht versuchen, es zu sanieren, müssen genau überlegen. Die "Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes" ist mit vielerlei Nachweisen und entsprechenden Kosten verbunden. "Ich weiß noch nicht, ob und wie das gehen kann", meint Tochter Maria vorigen Freitag.
Die Hunde hatten im Sommer 2009 das Weite gesucht und bei einem Nachbarn im Dorf fünf Schafe zur Strecke gebracht. Rund ein Jahr später, am 22. Juli, büxte das Duo erneut durch das rückwärtige Scheunentor des Vierseitenhofes aus. Während Maria Kohrs durchs Dorf lief und die Hunde suchte, zugleich die Nachbarn und Einwohner informierte, bissen die Hunde vielleicht 500 Meter von Kerchau entfernt auf einer Koppel der Zollmühle vier Mutterschafe zu Boden. Drei waren gleich tot. Das vierte Zuchttier starb wenig später.
Polizei verhängt wegen toter Schafe Bußgeld
Monika Fink, die Halterin, zeigte dies der Polizei an. Sie meinte, dass so auch die Ordnungsbehörden wegen der Sicherheit vor gefährlichen Tieren oder auch die Tierschutz-Zuständigen Kenntnis von den wildernden Hunden aus Kerchau erhielten. Doch die Polizei verhängte lediglich ein Bußgeld. Im September erkundigte sich Frau Fink aus eigenem Antrieb beim Zerbster Ordnungsamt. Dort ließen sich lediglich die Geschehnisse vom Sommer 2009 in den Akten finden. "Ich war baff. Wieso gibt die Polizei diese Informationen nicht weiter? Wir hatten doch wohl schon genug tragische Fälle, bei denen Kinder beißwütigen Hunden zum Opfer fielen."
Ihre Befürchtungen stiegen, als sie erfuhr, dass die Hunde am 21. Oktober erneut durch Kerchau liefen, in ein benachbartes Damwild-Gehege eindrangen, dort zwei Rehe zur Strecke brachten und einen großen Hirsch. "Hat das Ordnungsamt überhaupt etwas unternommen?", fragte Frau Fink
"Wir haben das Kampfhundegesetz zu beachten, und selbstverständlich werden wir im Rahmen des Gefahrenabwehrgesetzes aktiv. Dies ist dann auch unmittelbar geschehen", erklärte Arne Haberland, zuständiger Sachbearbeiter im Ordnungsamt. Er hatte Maria Kohrs unter entsprechender Fristwahrung ins Amt bestellt, doch sie erschien nicht. Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass Vater Wilhelm die Hundesteuern zahlt, folglich der Halter ist. "Wir trennen das nicht. Es sind unsere Hunde", meinte Kohrs am Freitag im Volksstimme-Gespräch.
Priorität hat der Schutz der Allgemeinheit
Haberland beraumte Anfang Oktober einen nun kurzfristiger statthaften Termin an – und dieses Mal kamen Vater und Tochter. Ihnen wurde eröffnet: Beide Hunde sind von der Behörde als gefährlich eingestuft worden. Ihnen ist aufgegeben, unverzüglich für eine wirksame Einfriedung des Gehöftes zu sorgen oder die Hunde anderweitig unter Verschluss zu halten. "Ferner hat der Halter bis zum 2. November Zeit, sich zu überlegen, ob er einen Antrag auf Erlaubnis zur Haltung gefährlicher Hunde stellen möchte. Tut er dies, hat er ein Vierteljahr Zeit, die entsprechenden Nachweise zu erbringen. Tut er es nicht, muss er die Hunde abschaffen. Unterbleibt auch dies, sind sie ihm zu entziehen und anderweitig unterzubringen. Höchste Priorität hat der Schutz der Allgemeinheit vor den Tieren", so Ordnungsdezernent Andreas Fischer am Freitag auf Nachfrage zum aktuellen Stand.
"Als wir hier ankamen, da hatte keiner was gegen unsere Hündin. Sie lief manches Mal frei durchs Dorf, es war überhaupt nichts dabei. Die Leute haben gesagt: Was für ein schöner Hund", erzählt Maria Kohrs. Vor vier Jahren dann kamen fünf Welpen. Vier wurden weggegeben, der ängstlichste – eine Hündin – blieb auf dem Hof. "Ob das dieser Mutterinstinkt ist? Ich weiß nicht." Die gerissenen Tiere? "Das ist der Jagdtrieb, der kommt da durch. Aber zu Menschen sind sie stets freundlich. Wenn wir was anderes befürchten müssten, dann hätten wir sie längst nicht mehr. Die Hunde tun keinem Menschen was!", beteuert auch Wilhelm Kohrs. Natürlich wolle man niemandem Schaden zufügen.
Und Schadensregulierung? Die Rechnung wegen der toten Mutterschafe ist noch komplett offen. "Wir hätten das auch schon gern aus der Welt, aber bis jetzt ging es nicht", meinte Maria Kohrs, während ihr beide Hunde in trauter Zweisamkeit zu Füßen lagen oder um Streicheleinheiten bettelten. Ganz normale Hunde? An dem Tag und in der Situation auf jeden Fall. Doch wenn Gefahr für Dritte nicht komplett ausgeschlossen werden kann, dann müssen sie in sichere Verwahrung. Die schlackrigen, mehrfach quervernagelt reparierten alten Hoftore, jüngst erst nur halbherzig verriegelt und so vom Wind aufgedrückt, können solchen Schutz sicher nicht bieten.