Heimatfotorätsel: Gesucht war die Färberstraße, die Ende der 70er abgerissen wurde Die "Clique" ist und bleibt eng verbunden
In dieser Woche suchten wir beim Heimatfotorätsel eine Straße, die es heute nicht mehr gibt. Lediglich zwei historische Schilder entlang der Stadtmauer erinnern an die Färberstraße. Doch zahlreiche Zerbster tragen sie noch in ihrem Herzen.
Zerbst l "Als ich das historische Foto unserer Färberstraße in der Zeitung sah, musste ich gleich anrufen." Wie Gisela Wehe ging es am Donnerstag einigen Zerbstern. "Ich habe dort meine Kindheit und Jugend verbracht", erzählt Gisela Wehe. Während sie als Kinder auf der Straße spielten, saßen an so manchem Abend die Eltern auf den Fußtritten ihrer Häuser und sangen. "Oder wir haben Verstecken gespielt, nachdem wir die Straßenlampen ausgemacht hatten. Damals ging das noch durch einen Schalter an der Lampe."
Doch wenn sich die Bewohner der Färberstraße an die alten Zeiten erinnern, schwingt auch immer etwas Wehmut mit. Denn im Jahr 1976 begann der Abriss der Wohnhäuser. Die mussten nach und nach dem Wohnkomplex Zerbst-Nord weichen. "Wir sind 1977 aus unserem Haus ausgezogen, 1978 wurden auch die letzten Häuser in der Broihansgasse geräumt", erinnert sich Gisela Wehe. Manch Anwohner zog in einen der Neubaublöcke, andere bezogen beispielsweise Häuser im Ankuhn.
Doch die Färberstraße blieb ihren Anwohnern unvergessen, genauso das Miteinander. Im Jahr 2006 organisierte Gisela Wehe das erste Färberstraßen- und Broihansgassen-Treffen. "Etwa 60 Besucher kamen", erinnert sich die 71-Jährige. Ein Jahr später, dank Unterstützung durch Bürgermeister Helmut Behrendt und Bernd Köhler vom Bauamt, konnten sogar zwei historische Straßenschilder eingeweiht werden, die heute auf den einstigen Verlauf der Färberstraße hinweisen. Eines steht am Wiekhaus, das andere Ecke Martin-Luther-Promenade/Ankuhnsche Straße. "Dort, wo heute das Schild steht, stand einst die Gardinenspannerei Gramsow, die auf dem historischen Foto ganz rechts zu sehen ist", erklärt Gisela Wehe, deren Bruder das Foto der Volksstimme zur Verfügung stellte. "Ohne, dass er mir davon erzählt hat."
Zur Färberstraßen-Gemeinschaft gehört auch Carola Klingenberg (geb. Els). "Mein Elternhaus war die 17", erzählt die Zerbsterin. Wie Gisela Wehe kann auch sie die Familien der Straße noch Haus für Haus aufzählen, erinnert sich an die vielen Kinder, mit denen sie zusammen aufwuchs. "Wir waren eine richtige Clique."
"Es war einfach schön da", erzählt auch Lucie Becker. Über 80 Jahre ist die Zerbsterin mittlerweile alt. "Wir haben dort Ball gespielt. An der rechten Ecke, die das Bild nicht mehr zeigt, haben Klitsches gewohnt", erinnert sie sich noch. "Früher haben wir immer gesungen: Bei Klitsches im Laden gibt\'s Käse mit Maden", erzählt die Seniorin und muss herzhaft lachen.
"Ich bin auch in der Ecke geboren und kenne das alles", hat Annemarie Gründer die Färberstraße sofort erkannt. Zumal ihre Schwester einst in der ebenfalls nicht mehr existierenden Broihansgasse wohnte. "Und dann kam schon die Stadtmauer", erinnert sich die Zerbsterin, wie ihr Sohn dort immer mit einem Freund spielte.
Lothar Krüger besuchte sogar extra die Lokalredaktion, um das Rätsel zu lösen. "Ich sammle historische Dokumente aus Zerbst und habe hier eine Liste mit den Namen der Bewohner der Färberstraße." Stolz präsentiert er sie zusammen mit einer historischen Karte, auf der die Straße noch eingezeichnet ist. "Das Wohnhaus ganz rechts muss die Nummer 14 gewesen sein", ist sich der Zerbster sicher. Doch noch sicherer ist sich Gisela Wehe. "Das ist mein Elternhaus, die Nummer 12 war das.".
Der Schildereinweihung 2007 schloss sich direkt das zweite Treffen der ehemaligen Bewohner an. Rund 100 Gäste aus nah und fern folgten der Einladung. "Es war ein schönes Danke, als sie zu mir sagten: Gisela, wir sind wieder zu Hause", erzählt die 71-Jährige. Und so langsam werde sie auch immer wieder nach einem dritten Treffen gefragt. "Wer weiß, was sie jetzt mit dem Bild losgetreten haben", sagt Gisela Wehe beim Vor-Ort-Termin und muss lachen. Doch ein weiteres Treffen wäre auch ihr sehr recht. "Irgendwann wird es sicherlich noch eines geben."
Über den Gewinn eines Regenschirmes kann sich Gisela Wehe freuen. Er kann ab Montag um 9 Uhr in der Lokalredaktion, Alte Brücke 45, abgeholt werden.