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Ehrenamt Hilfe für Kinder muss weitergehen

Birgit Brandtscheit, Leiterin der Zerbster Kindertafel ist mit dem Verdienstkreuz geehrt worden. Trotz Ehrung will sie weitermachen.

Von Thomas Kirchner 14.10.2020, 01:01

Zerbst l Selbst im Mittelpunkt zu stehen, ist so gar nicht ihr Ding. Birgit Brandtscheit, die Leiterin der Zerbster Kindertafel – von ihren Schützlingen auch liebevoll ‚Tante Birgit‘ genannt – ist eher die Macherin, zieht die Fäden im Hintergrund und nutzt ihre über die Jahre aufgebauten Kontakte gern zum Vorteil ‚ihrer‘ Kinder, die die Einrichtung regelmäßig besuchen.

Doch kurz nachdem bekannt wurde, dass sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für ihr ehrenamtliches Engagement geehrt worden war, stand ihr Handy nicht mehr still. Unzählige Anrufe, Whatsapp-Nachrichten und SMS ließen ihr Handy fortlaufend klingeln.

„Als ich den Brief mit der Einladung ins Schloss Bellevue geöffnet hatte, war ich geplättet. Das erste was mir durch den Kopf ging, ich google jetzt erstmal: Was ist diese Auszeichnung? Was hängt da alles dran? Wie geht die Ehrung vonstatten?“, gesteht Birgit Brandtscheit lachend. Im ersten Moment habe sie sogar überlegt, ob sie überhaupt nach Berlin fährt. „Das, was ich hier mache, ist für mich etwas Selbstverständliches – nichts, wofür man mich auszeichnen muss, nichts Besonderes“, sagt sie ganz bescheiden.

Nachdem sie sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hatte, beschloss die Kindertafel-Chefin dann doch, die Auszeichnung anzunehmen und ins Schloss Bellevue zu reisen. Auch wer sie begleitet, habe schnell festgestanden. „Ich musste nicht lange überlegen, wen ich als Begleitung mitnehme. Mit Anita Graf, einer langjährigen und ehrenamtlichen Mitarbeiterin der Kindertafel, war meine Wahl schnell getroffen“, erzählt Brandtscheit.

„Als ich das Bellevue betrat, man mich ansah und ich sofort mit Namen angesprochen wurde, da wurde mir schon bewusst, dass es ein besonderer Moment ist. Im Übrigen war es auch eine warme, fast familiäre Atmosphäre. Natürlich wurde ich auch gebrieft, wie alles ablaufen wird“, schildert die Geehrte ihre Eindrücke.

Sie sei die erste gewesen, die dem Bundespräsidenten gegenüberstand. „Die Mitarbeiter hatten ein wenig Angst, wenn ich etwas falsch machen würde, dass alle anderen nach mir dann den gleichen Fehler machen“, erklärt sie schmunzelt. Das habe sie noch nervöser gemacht. Aber schlussendlich sei alles gut gegangen. „Das Gefühl, wirklich auszeichnet und geehrt zu werden, kam das durch die feierliche Atmosphäre im Saal“, so Brandtscheit.

„Nach der Ehrung haben sich der Bundespräsident und seine Frau Elke Büdenbender die Zeit genommen und sich mit jedem Ausgezeichneten unterhalten“, erzählt Brandtscheit. Das Lob und die Ehre anzunehmen, sei ihr schwer gefallen. „Was mich eher berührt hat, war das persönliche Gespräch mit Steinmeier nach der Ehrung“, verrät Brandtscheit. Sie habe dem Staatsoberhaupt gegenüber auch ihre Ängste, beispielsweise vor Altersarmut, geschildert.

„Ich habe ihm unter anderem gesagt, dass die Tausenden von Menschen, die viel Zeit für andere und damit für das Gemeinwohl opfern, wenigstens auch ein paar Rentenpunkte verdient hätten“, betont Brandtscheit. Steinmeier und seine Frau seien sehr interessiert gewesen und hätten versprochen, das Problem mitzunehmen.

„Mit den vielen Glückwünschen, Briefen aus Schulen, Anrufen und Handy-Nachrichten hat das Ganze für mich erst eine emotionale Wertigkeit bekommen“, gesteht sie. Ihr sei nicht bewusst gewesen, wie viele sich doch für das Ehrenamt bei Tafel und Kindertafel interessieren. Auch von allen Tafeln in Sachsen-Anhalt habe sie Glückwünsche bekommen. „Ich bin schon stolz, eine so hohe Würdigung bekommen zu haben“ sagt sie, wenn auch einige Bemerkungen sie ein wenig traurig gemachten haben.

Brandtscheit: „Am gleichen Tag ist von der Presse der materielle Wert der Orden bekanntgemacht worden. Da kamen dann schon so Sprüche wie: Na, hast einen 3,60 Euro Orden bekommen? Das hat mich schon geärgert“, gesteht sie. Da sehe man, dass es nur noch materielle Dinge. „Letztlich ist es doch der ideelle und emotionale Wert, auf den es ankommt“, betont Birgit Brandtscheit in ihrer ganz bescheidenen Art.

Sie macht sich indes schon wieder Sorgen, wie sie die Weihnachtsfeier und kleine Geschenke für ihre Kinder finanziert. „Ich bin mit meinen Gedanken schon beim Fest. Alle Veranstaltungen und somit unter anderem die Kuchenbasare sind in diesem Jahr ausgefallen. Mir fehlen diese Einnahmen. Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt eine Weihnachtsfeier organisieren kann, geschweige Geschenke für die Kinder“, sorgt sie sich.

„Ich freue mich sehr für Birgit Brandtscheit. Kurt Tucholsky schrieb einmal mit der ihm eigenen spitzen Feder ,Bomben und Orden treffen immer die Falschen‘, hier wird das Verdienstkreuz aber tatsächlich verdient verliehen. Auch als Mitglied des Trägervereins unserer Tafel freue ich mich über die hohe Auszeichnung, die Birgit Brandtscheid für ihren unermüdlichen Einsatz für die Kindertafel erhalten hat“, freut sich auch Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) über die hohe Ehrung für die Kindertafel-Chefin.

Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat Glückwünsche übermittelt. „Seit vielen Jahren ist es Ihnen ein besonderes Anliegen, sich für die Belange benachteiligter Menschen und deren Kinder einzusetzen. Sie haben mit Ihrem Engagement ein Zeichen über die Grenzen des Landes Sachsen-Anhalt hinaus gesetzt und in vorbildlicher Weise einen wertvollen Beitrag für unser Gemeinwohl geleistet“, heißt es in einem Schreiben des Ministerpräsidenten.