Patriotisch gesinnte Zerbster: Bemühen um Grab des Ulrich von Celsing hält bis heute an Geheimnisvolles Grab auf Zerbster Friedhof
Zerbst l Die Befreiungskriege haben 1813 auch in Zerbst sichtbare Spuren hinterlassen. So kündet ein bis heute mit Hingabe gepflegtes Grab auf dem Frauentorfriedhof vom Tod eines schwedischen Offiziers.
Im September 1813 zog die Armee des schwedischen Befehlshabers Jean Baptiste Bernardotte von Coswig über Roßlau und Zerbst Richtung Leipzig. Bernardotte, der 1810 als Marschall von Frankreich vom schwedischen König adoptiert worden war und später selbst König werden sollte, hatte sich im Feldzug gegen Napoleons Truppen von Frankreich abgewandt und wurde schwedischer Feldherr.
In seinem engsten Gefolge diente auch Friedrich Ulrich von Celsing. Der 19-Jährige war ältester Sohn einer einflussreichen schwedischen Familie. Sein Vater stand in hohen Diensten des schwedischen Hofes. Ulrich in der Leibgarde Bernardottes. Sehr wahrscheinlich bei Gefechten um die Elbbrücke bei Roßlau wurde Celsing verletzt, so die Zerbster Historikerin Agnes-Almuth Griesbach. Er kam ins Lazarett, das im einstigen Frauenkloster auf der Breite eingerichtet war und damals eigentlich als "Schieß- und Arbeitshaus" genutzt wurde. Hier verstarb der junge Kornett (damals niedrigster Offiziersrang der Kavallerie) am 8. Oktober 1813, also zehn Tage vor der Völkerschlacht bei Leipzig.
"Es war ein wüstes Geschehen damals. Kein Wunder, dass viele verwundete Soldaten starben, denn die medizinische Versorgung war grauenhaft", erzählt Griesbach über damalige Zustände. Es fehlte an Heizmaterial genauso sehr wie an Betten, es gab keine Wäsche, Lebensmittel waren überaus knapp "und die Hygiene war katastrophal". Auch Celsing wurde Opfer dieser Zustände und starb sehr wahrscheinlich am Wundfieber.
Aufwändiges Soldatengrab auf dem Zerbster Frauentorfriedhof
Er wurde auf dem Zerbster Frauentorfriedhof beigesetzt. Der Tod des ältesten Sohnes und Stammhalters hat seine Familie im schwedischen Eskilstuna schwer getroffen. Am Grab des Sohnes auf dem Frauentorfriedhof (gleich rechts hinter dem Haupteingang) ließ sie 1824 ein großes Kreuz aus Lauchhammerguß setzen. Das war teuer: Die seit 1725 von den Kunstgießern von Lauchhammer gefertigten Erzeugnisse genossen höchste Wertschätzung. Die schwedische Familie hinterließ zudem der Kirchgemeinde eine Summe Geld für die Grabpflege.
Was das Gußeisen nicht vor der Witterung schützte. Auch die Euphorie um den Sieg bei Leipzig war längst verflogen, zumal in der DDR. In den 1970er Jahren beschloss die Kirchgemeinde St. Bartholomäi, das unansehnlich gewordene mächtige Kreuz zu entfernen und das Grab selbst einzuebnen. Hiergegen schritt Dietrich Franke, seit 1973 Kreis-oberpfarrer im Kirchenkreis Zerbst, ein. " Wer hätte helfen können, dieses Zeugnis zu bewahren? Ich suchte Kontakt zur Familie von Celsing und habe mich an die schwedische Botschaft in der DDR gewandt." Eine Ungeheuerlichkeit und ein Skandal, betrachtet man die damaligen Umstände in der DDR, wo jede Beziehung ins nicht-sozialistische Ausland scharf beäugt wurde. Franke riskierte viel und wurde tatsächlich vom damaligen Botschafter Virgin empfangen. "Ich war überaus froh, weil damals kein normaler DDR-Bürger in eine westliche Botschaft durfte", erzählt Franke. Ein "drahtiger, sehr gepflegter und kultivierter, zugleich zurückhaltend-freundlicher Herr" sei der Botschafter gewesen. "Der Familienname Celsing war ihm sofort ein Begriff. Er sagte zu, sich bemühen zu wollen. "
Riskante Kontakte zu einem nichtsozialistischem Land
Einen Monat später wurde Franke erneut in die schwedische Botschaft bestellt. "Ein abhörsicherer Raum! Überall Prunk und zugleich eine beträchtliche Anzahl von Sicherheitsleuten! Ein ganz seltsames Gefühl", erinnert er sich. Der Botschafter erklärte, die Familie habe großes Interesse am Erhalt der Grabstätte. "Wenn das Kreuz nicht zu halten wäre, soll es durch einen Stein ersetzt werden, hieß der Vorschlag. Schild und Schwert, die zu Füßen des Kreuzes angearbeitet waren, sollten möglichst übernommen werden."
Genau so besprach es Franke mit dem Zerbster Steinmetz Fritz Keck, der den Stein sehr zügig fertigte. Während die Vorderschale des dreidimensionalen Kreuzes auch auf Anraten des damaligen Zerbster Museumsleiters Heinz-Jürgen Friedrich ins Zerbster Museum kam, wurde 1977 der neue Grabstein gesetzt. "Eine ganz geheime Sache. Ohne jede Öffentlichkeit, ohne eine Zeitungsnotiz", berichtet Friedrich. Anwesend waren neben Frederic Baron von Celsing und Gattin auch Botschafter Virgin und Probst Janson, der für beide schwedische Botschaften in Deutschland zuständige höchste schwedische Geistliche. "Der Posaunenchor hat gespielt, und ich hielt eine kleine Andacht", erzählte Franke. Das Grab wird bis heute im Auftrag der Stadt von Friedhofsmitarbeitern und einer einzelnen Dame aus Zerbst tadellos gepflegt.
Das Grab des Ulrich von Celsing in Zerbst ist außergewöhnlich. Auch, weil es die Zeit überdauert hat. Der damalige Jubel über den Sieg der Völkerschlacht brachte Schüler und Lehrer der Hauptschule (heutiges Francisceum) dazu, 1814 neben der Magdeburger Straße den "Feuerberg" anzulegen. Ein Umzug, voran eine Schalmeienkapelle, führte sie am 1. Jahrestag der Völkerschlacht mit Eichenlaub-Kränzen auf den Köpfen durch Zerbst und ließ sie ein Feuer auf dem drei Meter hohen Berg anzünden, berichtet Heinz-Jürgen Friedrich. Dies wiederholte sich 1816 und 1817, danach unterband der herzögliche Hof diesen "überbordenden Patriotismus". Doch noch heute ziehen Gymnasiasten mit dem frischen Abitur in der Tasche und einem Eichenkranz auf dem Kopf mit Schwung und Kapelle durch die Stadt.