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Handel Der Kassenbon, den keiner will

Mehrkosten für Händler, immer mehr Bürokratie - an Kritik mangelt es auch in Zerbst bei der neuen Kassensicherungsverordnung nicht.

Von Thomas Kirchner 16.01.2020, 00:01

Zerbst l Schnell zum Bäcker nebenan und ein paar Brötchen kaufen. Einen Kassenbon brauchen die meisten Kunden dafür wohl nicht. Das spielt aber keine Rolle mehr. Denn der Kassenbon muss seit 1. Januar gedruckt werden – ganz egal, ob der Kunde ihn haben möchte oder der Beleg direkt im Müll landet. Hintergrund dafür ist die Kassensicherungsverordnung, mit der unter anderem der Ausdruck des Kassenbelegs zur Pflicht geworden ist. Ziel: So soll Steuerbetrug verhindert werden. Der Bundesrechnungshof schätzt, dass durch nicht registrierte Bargeldumsätze dem Staat pro Jahr etwa zehn Milliarden Euro an Steuereinnahmen entgehen.

Kioskbetreiber, Bäckereien und Einzelhändler sind sauer wegen der Bonpflicht. Auch, weil kaum ein Kunde überhaupt einen Bon haben will. „Das ist der pure Zettel-Irrsinn. Die Kunden, die bei uns in der Bäckerei einen Bon verlangen, lassen sich an einer Hand abzählen – wohlgemerkt pro Tag“, macht Jana Handrich von der Holzofenbäckerei Handrich auf der Breite ihrem Ärger Luft. Wenn überhaupt, würden nicht mehr als fünf Kunden am Tag einen Bon mitnehmen und das auch nur, weil sie ihn irgendwo abrechnen müssen oder können.

„Wir reden jeden Tag von Ressourcen, Klimawandel, -schutz und -neutralität. Was killt CO2? Bäume. Und was brauchen wir für die Millionen von Bonrollen, die jetzt mehr benötigt werden? Richtig, Bäume!“, meint die Bäckersfrau. Da beiße sich wohl die Katze in den sprichwörtlichen Schwanz.

„Was bei uns an einem Tag an nicht mitgenommenen Kassenbons zusammenkommt, kann ich ihnen gerne zeigen“, sagt sie und holt einen großen Papiersack voller Kassenbons hervor. „Vier bis fünf Bonrollen verbrauchen wir neuerdings, täglich versteht sich – viele Kunden mit kleinen Beträgen“, ergänzt Kollegin Susanne Heyer schulterzuckend. Zum Wochenende seien es noch mehr.

Auch Kundin Julia Henning, die gerade ein Zwiebelbrötchen gekauft hat, kann der Bonpflicht so gar nichts abgewinnen und lässt den lästigen Zettel im Laden. „Für mich ist das eine einzige Verschwendung von Rohstoffen und das in einer Zeit, wo Millionen Menschen für mehr Umwelt- und Klimaschutz auf die Straße gehen“, so die Kundin.

Ähnlich sieht das auch Iris Lange im „Hofladen Bauer Weiß“ auf der Breite. „Und dann ist es auch noch Thermopapier, das nicht in der blauen Tonne entsorgt werden darf. Bei uns nimmt so gut wie kein Kunde seinen Kassenbon mit“, ärgert auch sie sich über den bürokratischen Wahnsinn. Iris Lange: „Wir leben im digitalen Zeitalter und produzieren gezwungenermaßen, wissentlich und unnötigerweise tonnenweise Thermopapiermüll.“

Susanne Hübner gesteht, dass sie neuerdings meist überall ihre Kassenbons einsteckt. „Ich mache das nicht, weil ich die Bonpflicht oder das viele Papier in meinen Taschen so toll finde, ich habe eher Bedenken, dass ich mal von Sicherheitsleuten nach Verlassen des Ladens nach meinem Einkauf und dem dazugehörigen Bon gefragt werde und am Ende nicht beweisen kann, dass ich auch bezahlt habe“, sagt die Kundin im Hofladen. Von der Pflicht bei jeder verkauften Tomate einen Kassenbon auszudrucken, halte sie aber auch nichts.

Auf die Bonpflicht angesprochen, rollen Nancy Janke, Franziska Ruhe, Anja Buchmann und Nadine Voigt gleich nebenan in „Nancy’s Friseursalon“ mit den Augen. „Bei uns nimmt so gut wie kein Kunde den Bon mit, ausgenommen sind diejenigen, die ihn abrechnen müssen, wie beispielsweise Kinder und Jugendliche aus dem Kinderheim“, schildert Nancy Janke und holt einen großen Stapel Zettel aus dem Mülleimer. Ihr und ihren Kolleginnen sei völlig unverständlich, wie man sich so etwas einfallen lassen kann und das wo alle vom Sparen reden.

„Wenn ich mir nur den Zettel-Müll bei uns im Laden ansehe, möchte ich nicht wissen, was da deutschlandweit zusammenkommt“, fragt sich Anja Buchmann. Das könne doch nicht Sinn der Sache sein, erst recht nicht im Sinne des Umweltschutzes. Die vier Frauen können bei solch einem Irrsinn nur den Kopf schütteln.

In zwei Sachen sind sich die befragten Geschäftsfrauen einig, zum einen über die maßlose Verschwendung von Rohstoffen und der zweite Punkt – was die Frauen noch viel mehr ärgert – dass alle Händler unter Generalverdacht gestellt werden, den Fiskus zu betrügen.