Heimatgeschichte Flachswerk prägte einst das Leben
Flachswerk Steutz lautete die Lösung beim Heimatfotorätsel in dieser Woche.
Zerbst l „Ich bin dort groß geworden“, kennt Marina Lisso das Steutzer Flachswerk ganz genau. „Mein Großeltern haben in der Villa gewohnt“, erzählt sie, dass ihr Opa Pförtner gewesen sei. „Und meine Eltern haben auch dort gearbeitet“, berichtet die jetzige Zerbsterin. Gern erinnert sie sich an ihre Kindheit an der Elbe zurück, als sie in der Aue und den Wäldern herumstromerte. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Marina Lisso.
Auch Sigrid Mazur aus Wertlau ist früher oft mit ihrer Oma in Steutz gewesen. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme mit dem mächtigen Schornstein und dem Fluss im Hintergrund war für sie deshalb leicht zuzuordnen. Genauso erging es Reimund Fuhrer aus Zerbst. Er ist ebenfalls öfter im Flachswerk gewesen, weil sein Opa zur Belegschaft gehörte. Als Lehrling sei er dort mal im Einsatz gewesen, erinnert sich derweil der Zerbster Harald Neupert.
Bei Gisela Thiem weckt das historische Heimatfoto ebenfalls Erinnerungen. „Zwischen 1945 und ‘48/49 haben wir von dort Leinsamen für die Tiere geholt“, erzählt die Zerbsterin. Vom Ankuhn aus seien sie mit dem Handwagen bis Steutz gefahren, um die Samen zu holen. Die hätten sie über die gestoppelten Kartoffeln gestreut, „damit die Hühner was zu fressen haben und wir mal ein Ei“, schildert Gisela Thiem lachend.
„Meine Großeltern hatten in Schora eine Landwirtschaft. Da wurde nach dem Krieg auch Flachs angebaut und noch nach Steutz geliefert“, berichtet Lothar Platte. Der Flachs sei per Hand gebündelt worden, blickt er zurück. Daneben verbindet er eine Bekanntschaft mit der Luftaufnahme des Werkes. „Bei der NVA in Sassnitz habe ich einen Bausoldaten - Heinrich Grosch - kennengelernt, der damals in der Flachswerksiedlung Steutz gewohnt hat“, ergänzt Lothar Platte aus Schora.
„Zu DDR-Zeiten bin ich eigentlich nur einmal dort neugierigerweise draußen vorbei gefahren“, gesteht Robert Walk. Und während der Zerbster Andreas Indenbirken dieses Mal geraten hat, war für Harry Rummel aus Steutz ebenfalls sofort klar, dass es sich bei dem gesuchten Motiv um das Flachswerk handelt.
Bereitgestellt wurde das Rätselbild von Günter Jacobs aus Steutz. Die Aufnahme stammt aus dem „Flachs-Kurier“, einer Sonderausgabe der Wandzeitung des Flachswerkes Steutz anlässlich des Weihnachtsfestes 1949. Darin ist nachzulesen, dass der Grundstein für die Gebäude des Flachswerkes 1906 gelegt wurde. „Damals wurde die Fabrikation von Maisstärke und später Kartoffelflocken betrieben“, schreibt ein Dr. F. Vogtmann im Kurier.
Erst seit 1935 wurde an der Stelle Flachsstroh aus elf Kreisen des Landes Sachsen-Anhalt zu Faser und Werg verarbeitet und zu Saat- und Schlaglein aufbereitet. Der Absatz der Fertigprodukte erfolgte an Flachsspinnereien und Ölmühlen sowie Flachsanbauer. Durchschnittlich waren rund 170 Personen im Werk beschäftigt, davon mehr als die Hälfte Frauen.
Interessant ist ebenfalls die Auflistung der sozialen Einrichtungen des Flachswerkes, das neben Werkswohnungen und einem Belegschaftshaus mit Aufenthalts-, Wasch- und Duschanlagen sowie Tischtenniseinrichtung ebenfalls eine Werksbibliothek , eine Werksküche und einen Kinderspielplatz besaß.
Darüber hinaus existierten eine Laienspielgruppe sowie eine Gesangs- und Instrumentalgruppe. „Großer Anteilnahme erfreut sich auch die Betriebssportgruppe, insbesondere der Fußball. Auch das Schachspiel wird gesellig gepflegt“, lässt sich im Kurier nachlesen.