Heimatgeschichte Historisches Foto vom Güterglücker Bahnhof weckt vielfältige Erinnerungen
Der Güterglücker Turmbahnhof ist einzigartig in der Region. Wohl auch deshalb haben viele Rätselfreunde die historische Aufnahme des oberen Bahnsteigs samt gelb geklinkertem Empfangsgebäude rasch erkannt.

Güterglück - Güterglück war einst ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Davon zeugt der bis heute erhaltene Turmbahnhof. Zwei Strecken kreuzten sich an der Stelle, an welcher der dreigeschossige gelbe Klinkerbau entstand. Ebenerdig führten die Gleise von Biederitz nach Trebnitz, über eine Brücke hinweg die der Kanonenbahn, die Berlin mit dem französischen Metz verband. An die Geschichte erinnerte Siegfried Schellin, der einiges zu der historischen Aufnahme des oberen Bahnsteigs zu erzählen wusste, die um 1909 entstand.
Der Güterglücker lenkte den Blick auf die beiden Bediensteten unmittelbar vor dem Gebäude, die in ihren weißen Jacken neben einem Plattenwagen stehen, mit dem Gepäck und Expressgut beziehungsweise auch die Post zu den Zügen befördert wurde. „Pakete und Briefe wurden mit solchen geschlossenen Plattenwagen über den so genannten Postberg, einer gepflasterten Rampe, zu den oberen Bahnsteigen transportiert, wozu immer zwei Personen bebnötigt wurden“, schilderte er. „Den Postberg haben wir als Kinder als sehr effektiven Rodelberg genutzt“, berichtete Siegfried Schellin, wie sie mitunter quer über die Straße bis zum Postgebäude schlitterten.
Lastenaufzug verfügte über Spindelantrieb
Ebenfalls zu erkennen sei der Kiosk, den die Bahnhofswirtschaft betrieb, die sich im unteren Teil des Gebäudes befand. Reisende versorgte sie bei Aufenthalten mit Speisen und Getränken. „Heute sieht es dort im oberen Bereich eher traurig aus“, erzählte der Güterglücker von der Streckenstilllegung vor einigen Jahren. „Der letzte Zug fuhr am 3. Oktober 2003 zum Tag der Deutschen Einheit mit Udo Lindenberg und Nina Hagen hier über Barby nach Magdeburg“, ergänzte Siegfried Schellin. Inzwischen sind die Gleise montiert und auch die Brücke ist gewichen.
Noch vorhanden ist der grau-blaue Anbau, der eine „Kuriosität“ enthält, so Hans-Hermann Holländer. Dabei handele es sich um einen Lastenaufzug, dessen Korb allerdings nicht mit Seilzügen zwischen dem oberen und unteren Bahnsteig Auf und Ab gelassen wurde, sondern mittels eines so genannten Schraubenspindelantriebs. Auf der gleichen Basis funktioniere das Schiffshebewerk in Magdeburg-Rothensee, sagte der Zerbster.
Als es im Viehwaggon nach Berlin ging
Gabriele Sanetra erinnerte die nachkolorierte Aufnahme an ihren Vater Josef Thomys. Jener habe nach seinem Volkswirtschaftsstudium Ende der dreißiger Jahre in Halle als Reichsbahn-Inspektor in Güterglück seinen Dienst begonnen, erzählte die Zerbsterin. Hochdeutsch sprechend musste er sich allerdings erst an die hiesige Mundart gewöhnen. Als ein Zugreisender nach „Jommern“ wollte, suchte Josef Thomys verzweifelt eine Fahrkarte dorthin. „Er war traurig, dass er keine finden konnte“, schilderte Gabriele Sanetra, wie ihm schließlich jemand verriet, dass es sich hier um Gommern handelte.
Auch Isolde Wallendorf fiel beim Anblick des Rätselmotivs sofort eine Episode zum Schmunzeln ein. Sie gehörte der Zerbster Delegation an, die 1973 zu den 10. Weltfestspielen nach Berlin reisen durfte. Das geschah mit dem Zug. In Güterglück mussten die Jugendlichen umsteigen. Statt im Personenwagen ging es für sie in einem mit Stroh ausgelegten Viehwaggon weiter, wie Isolde Wallendorf erzählte. Warum, das kann sie sich bis heute nicht erklären. Als sie jedenfalls in der Hauptstadt ankamen, „waren wir durchgeschwitzt bis auf die Haut. Wir sahen aus“, bemerkte sie lachend.
Oma stand stets winkend am Bahnsteig
Axel Voigt aus Lietzo hat den Turmbahnhof erst beim zweiten Hinsehen erkannt, wie er zugab. Dabei ist er in den achtziger Jahren immer mal mit dem Zug nach Güterglück zum Tanz gefahren. „Auf der Rückfahrt musste man dem Lokführer dann bescheid sagen, dass man in Lindau aussteigen will. Das war auch so im Fahrplan vermerkt“, erinnerte er sich.
Unterdessen hatte Christian Krause vom Rateteam der Firma Rheingold aus Loburg seine Oma vor Augen, wie sie winkend am Bahnsteig steht. „Mein Vater stammt aus Güterglück“, verriet er. Ulrich Hörer aus Steutz hat eine ähnliche Verbindung. „Mein Geburtshaus steht genau auf der anderen Seite“, erzählte er mit Blick auf den oberen Bahnsteig: „Da konnte ich als Kind genau draufschauen.“

