Dokumente aus der Zeitkapsel der Badewitzer Kirche sind am Sonntag einsehbar Inhalt entführt ins Jahr 1880
Eine unbeschädigte Zeitkapsel konnte Anfang Juni aus der abgenommenen Turmkugel der Badewitzer Kirche geborgen werden. Neben verschiedenen Zeitungsausgaben und einem Exemplar des Kirchlichen Gemeindeblatts enthielt die Hülse mehrere, in altdeutscher Handschrift beschriebene Seiten, die inzwischen in die lateinische Schrift transkribiert wurden. Am Sonntag besteht Gelegenheit, sich vor Ort über den Inhalt der Dokumente zu informieren.
Badewitz. Das wertvollste Dokument der Zeitkapsel ist entschlüsselt. Professor Dr. Wilhelm Thal übernahm es, die vier in sauberer, altdeutscher Handschrift beschriebenen A4-Seiten in die lateinische Schriftweise zu übertragen. Verfasst hatte sie vor über 130 Jahren der damals für Badewitz zuständige Pastor Otto Ehrig. Anlass war der 1880 - und nicht wie bislang angenommen bereits ab 1879 - erfolgte Neubau der Kirche, denn wie er schreibt, war "... die alte Kirche, ohne Styl und ohne Schmuck, eng und düster....". Ein hübsches, freundliches Gotteshaus sollte her.
Nach einem Kostenvoranschlag nahm die Gemeinde aufgrund der hohen Summe jedoch zunächst wieder Abstand von ihrem Vorhaben. Erst Ende 1878 entschied man sich, den Plan erneut in Angriff zu nehmen. Es gelang, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Zwei Drittel des mit 21000 Mark kalkulierten Neubaus trug das Herzogtum Anhalt. Den Entwurf für die neogotische Backsteinkirche fertigte der Zerbster Bauinspector Hummel an, unter dessen Oberaufsicht das neue, größere Gotteshaus zunehmend Gestalt annahm.
Mit dem Abbruch der alten Kirche wurde am 1. März 1880 begonnen, zuvor fand in ihr ein letzter feierlicher Gottesdienst statt. Während der Bauzeit hielten die Badewitzer ihre Gottesdienste gemeinsam mit den Straguthern in deren Kirche ab. Ihre eigene war am 28. Juli 1880 schließlich so weit fertiggestellt, dass das vergoldete Kreuz samt Kugel auf der Turmspitze aufgerichtet werden konnte.
Zuvor erfolgte die Einbringung der nun geöffneten Zeitkapsel, in die die Altvorderen mehrere Dokumente legten. Dazu gehörte neben dem "Anhaltischen Staats-Anzeiger" vom 17. Juli 1880 und dem "Reichsboten" vom 9. Juni 1880 das auf den 18. Dezember 1879 datierende "Kirchliche Gemeinde-Blatt für Anhalt". Und eben die von Otto Ehrig niedergeschriebenen Zeilen, die viele interessante Fakten enthalten.
Seine Auflistung der für den Kirchbau vergebenen Aufträge erzählt von damals bestehenden Firmen und existierenden Handwerksbetrieben. So lieferte der Ziegeleibesitzer Lux aus Roßlau die Hintermauerungssteine, während der Tischlermeister Stiel aus dem Zerbster Ankuhn die Tischlerarbeiten übernahm.
Daneben teilt der Pastor mit, dass sich der Ortsvorstand von Badewitz zu dieser Zeit aus dem Ortsschulzen Andreas Krüger sowie den Schöppen Martin Lubusch und Gottfried Krug zusammensetzte. Außerdem führt er alle Familien des Dorfs mit Namen auf. Da ist vom Schneidermeister Lehmann und dem Kossath August Sinast genauso zu lesen wie vom Gemeindehirten Carl Königstedt, dem Chausseewärter Christian Striebing oder dem Ziegeleibesitzer Carl Albe auf der Zollziegelei.
Otto Ehrig schildert ebenfalls, wie bei einem starken Gewitter ein Blitz im Gehöft des Kossathen Ritter einschlug, wobei Scheune und Stallgebäude in Flammen aufgingen. "Jedoch wurde durch schnelle Hülfe der weiteren Ausbreitung des Feuers gewehrt", erzählt er. Auch erwähnt der Pastor, dass der Badewitzer Nachwuchs aufgrund der zu geringen Anzahl schulpflichtiger Kinder "seit 1872 provisorisch, seit 1. April 1879 definitiv in die Schule von Straguth eingeschult" wurde.
Nicht zuletzt berichtet Otto Ehrig stolz von der deutschen Reichsgründung 1871, wobei er die entstandene Kluft zwischen Arm und Reich beklagt. Darüber hinaus geht er auf das Herzogtum Anhalt, die Struktur der Kirche und die Situation in Badewitz ein.
Wer nun neugierig geworden ist, der sollte am Sonntagnachmittag in der Badewitzer Kirche vorbeischauen. Zwischen 14 und 16 Uhr besteht Gelegenheit, sich über den Inhalt der Zeitkapsel-Dokumente zu informieren. Am 21. Juli soll dann das restaurierte Turmkreuz samt Kugel und neuer Hülse nach der durchgeführten Sanierung des Kirchturms wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.