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Kitabeiträge Streit um Servicepauschale in Zerbst

In Zerbst wird über die Einführung einer Kita-Servicepauschale diskutiert. Bereits ab April sollen Eltern mehr bezahlen.

Von Daniela Apel 24.03.2017, 00:01

Zerbst l Anfang März wurde den Eltern, deren Kinder eine Kita der Volkssolidarität besuchen, ein Versorgungsvertrag zugestellt. Im Anschreiben erläutert der Träger – die Kinder-, Jugend- und Familienwerk gGmbH Sachsen-Anhalt – die Notwendigkeit der Einführung einer Servicepauschale. Demnach erkennt der Landkreis Anhalt-Bitterfeld die Finanzierung des Küchenpersonals nicht mehr als Betriebskosten an.

„Als Unternehmen können wir das nicht stemmen“, erklärt Geschäftsführerin Cornelia Kurowski die Erhebung der monatlichen Pauschale von 20 Euro. Zugleich bemerkt sie, dass diese nicht kostendeckend sei. So waren zunächst auch 25 Euro angekündigt. Im Zuge der Gleichbehandlung wurde letztlich jedoch der Betrag gewählt, den auch die Stadt Zerbst in ihrer kommunalen Einrichtung erhebt – der integrativen Kita „Zum Knirpsentreff“.

Dort jedoch ist die Situation eine etwas andere. Wie Sachgebietsleiter Markus Pfeifer ausführt, gibt es dort eine Vollverpflegung – neben dem Mittagessen, das ein Essensversorger anliefert, werden auch Frühstück, Vesper und Getränke bereitgestellt. Aus diesem Grund kann die Servicepauschale aus seiner Sicht nicht Eins zu Eins übertragen werden.

Fakt ist, dass in den Kitas der Volkssolidarität ebenfalls Küchenpersonal beschäftigt wird, welches unter anderem die Frühstückswagen vorbereitet, das Vespergeschirr abwäscht oder auch das Mittagessen portioniert – bei den „Zerbster Strolchen“ sind das im Schnitt immerhin 170 Portionen.

Bleibt die Frage, wer diese Leistungen finanziert. In Paragraph 13, Absatz 7 des Kinderförderungsgesetzes steht allein der Satz: „Die Verpflegungskosten tragen die Eltern.“ „Weiterführende Regelungen sind nicht enthalten, so dass der Landkreis das Gesetz so ausgelegt hat, dass alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Verpflegung stehen, von den Eltern aufgebracht werden müssen“, erläutert Pressesprecher Udo Pawelczyk die Sichtweise des Kreises Anhalt-Bitterfeld.

„Die Fragestellung, ob und in welchem Umfang Hauswirtschaftskräfte im Rahmen von Leistungs- und Entgeltverhandlungen als betriebsnotwendig anerkannt werden können und welcher Personalsschlüssel zu Grunde zu legen ist, bleibt den zwischen dem Träger und dem Landkreis zu schließenden Vereinbarungen vorbehalten“, heißt es aus dem Sozialministerium des Landes. Weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung regeln konkret, was im Einzelnen unter Verpflegungskosten fällt, wie Pressesprecherin Ute Albersmann anmerkt. Sie führt aber auch aus, dass eine Gemeinde die Kosten für die Erstellung des Mittagessens ganz oder teilweise übernehmen könne. „Bei Catering dürfen die Kosten jedoch in vollem Umfang an die Eltern weitergegeben werden.“

Auch das Albert-Schweitzer-Familienwerk, das in der Einheitsgemeinde Zerbst vier Kitas betreibt, will eine Servicepauschale einführen. Ausgenommen ist einzig die Kita „Benjamin Blümchen“, wo es wie im „Knirpsentreff“ eine Vollversorgung gibt. Eine Servicepauschale wird dort schon jetzt über das Essensgeld mit entrichtet.

Zurück zu den Einrichtungen der Volkssolidarität, in denen die Eltern die frisch gedruckten Versorgungsverträge in Händen halten, die ab 1. April 2017 auf unbestimmte Zeit gelten. In diesen wird die Zahlung eines „monatlichen Unkostenbeitrages“ in Höhe von 20 Euro festgeschrieben, der unabhängig von der Teilnahme an der Essens- und Getränkeversorgung für jedes angemeldete Kind zu zahlen ist.

Unterschreiben oder nicht? Niemand sei gezwungen, solch einen Vertrag einzugehen, sagt der Zerbster Rechtsanwalt Sven Handrich. Im Auftrag einer Mandantin hat er sich ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt. Als eigentlichen Verursacher der aktuellen Problematik sieht er den Gesetzgeber, sprich das Land, das 2013 ein neues Kinderförderungsgesetz verabschiedet hat. Dieses beinhaltet unter anderem die Übertragung der Zuständigkeit der Kinderbetreuung von den Gemeinden auf die Kreise. 63 Kommunen klagten dagegen vor dem Landesverfassungsgericht – Zerbst gehörte dazu. Im Ergebnis hat das Gericht das Kifög in Teilen für verfassungswidrig erklärt und das Land aufgefordert, bis Ende 2017 die Finanzierung der Kita-Leistungen ordentlich zu regeln. Unterdessen wird das Bundesverfassungsgericht am 12. April eine Beschwerde von acht Städten verhandeln – auch darunter ist Zerbst –, die sich auf diese Verantwortungsverlagerung bezieht, durch welche sich der Verwaltungsaufwand erhöht hat. „Gegenwärtig können die Gemeinden sagen, das Kifög ist nicht verfassungskonform“, gibt Sven Handrich zu bedenken.

Für ihn müssen sachliche Gründe vorherrschen, um ein bestehendes Gesetz zu ändern. Diese lagen für ihn nicht vor. Zumal das geänderte Kifög von Anfang an von einer breiten Masse der Bevölkerung abgelehnt wurde. Aus seiner Sicht produzierte es „für jeden Juristen erkennbar“ vielmehr Interessenskonflikte. Denn im Gesetz ist formuliert, dass die Finanzierung der Kita-Leistungen von einem Quartett aufgebracht wird: Land, Kreis, Kommunen und Eltern. Und jeder verfolgt nun einmal eigene Interessen. Zumal die Finanzausstattung von Kreisen und Kommunen angespannt ist. „Und wenn es eng ist, muss beim sparsamen Wirtschaften nach Einsparungen geschaut werden“, ist Sven Handrich bewusst. „Trotzdem ist man verpflichtet, sich ans Gesetz zu halten“, betont er.

Ihn als Anwalt beschäftigt vordergründig die Frage, welche Kosten haben die Eltern zu tragen. Zum einen sind das ganz klar die „klassischen“ Kita-Beiträge, zum anderen eben die Verpflegungskosten. Aus seiner Interpretation des Kifög ist darin allein festgeschrieben, dass die Eltern die Kosten der Mittagsverpflegung zu tragen haben. Anknüpfungspunkte, dass darüber hinausgehende Kosten ebenfalls von den Eltern zu übernehmen sind, würden sich nicht darin finden. Die Erhebung einer Servicepausche wird seiner Meinung nach nicht durch das Kifög gedeckt. Bisher seien die Leistungen auch erbracht und finanziert worden, erachtet er es als falsch, die Kosten nun auf die Eltern zu schieben.

Im Falle der Volkssolidarität kommt noch hinzu, dass diese nicht selbst als Vertragspartner auftaucht, sondern die mit dem Küchenservice beauftragte KJW Service GmbH. „Eine Beteiligung Dritter ist im Kifög nicht vorgesehen“, äußert Sven Handrich erhebliche Bedenken und verweist auf die in Deutschland geltende Vertragsfreiheit. Laut dieser besteht keine Verpflichtung zu einem Vertragsabschluss. Die Finanzierung der Küchenkräfte müsste anders gelöst werden, findet er.