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Lebensretter Im Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen

Heidewasser und die Kameraden der Zerbster Feuerwehr führen regelmäßig Übungen durch. Simuliert wurde eine Situation in einem Schacht.

Von Thomas Kirchner 20.08.2017, 14:00

Pulspforde/Zerbst l Zwei Mitarbeiter der Heidewasser GmbH arbeiten am Donnerstagnachmittag am Schmutzwasserpumpwerk mit Trockenaufstellung in Pulspforde. Julian Bierstedt steigt in den knapp fünf Meter tiefen Schacht und bricht nach wenigen Sekunden zusammen. Auf die Rufe seines Kollegen Rainer Rahntzsch oben am Einstige des Schachtes antwortet der junge Mann nicht. Als Rahntzsch nach mehrmaligem Rufen immer noch keine Antwort bekommt, alarmiert er die Rettungskräfte. Um 15.31 Uhr ertönt bei den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Zerbst das Alarmsignal. Nur 14 Minuten später trifft die Zerbster Wehr am Unglücksort in Pulspforde ein. Rainer Rahntzsch erklärt Steffen Schneider, Leiter des Einsatzes und Ortswehrleiter in Zerbst, was geschehen ist. Vermutlich seien Gase im Schacht ausgetreten.

Der Zerbster Ortswehrleiter und Christian Herschel, Leiter Dispatching/Technisches-Controlling der Heidewasser GmbH sind die Initiatoren dieses Übungsszenarios. „Wir betreiben im Auftrag des Abwasserzweckverbandes Elbe-Fläming mehrere solcher Anlagen, da sind solche oder ähnliche Unglücksfälle jederzeit möglich“, sagt Herschel. Der Arbeitsschutz spiele im Unternehmen eine äußerst wichtige Rolle und sei auf hohem Niveau. „Wir führen jährlich mindestens ein bis zwei solcher Übungen durch“, erklärt der Abteilungsleiter. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen genau dieses Szenario in Stegelitz mit den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Möckern geprobt. „Zwei wichtige Ziele verfolgen wir mit den Übungen. Erstens, die Gewährleistung größtmöglicher Sicherheit für die Mitarbeiter und zweitens, im Ernstfall auch die größtmögliche Sicherheit für die Einsatzkräfte“, betont Christian Herschel.

Ruhig und professionell verschaffen sich indes die Zerbster Kameraden einen Überblick. Zwei Trupps mit je zwei Mann legen die Atemschutzausrüstung an. Die erste Zweiergruppe steigt zu dem Verunfallten in den Schacht hinab, während die anderen beiden Kameraden bereitstehen um bei Bedarf einzugreifen. Dann die gute Nachricht: Der verunglückte Kollege ist zwar nicht bei Bewusstsein, aber er atmet und wird so auf den schonenden Transport vorbereitet. „Wäre keine Atmung feststellbar gewesen, so hätte der verunfallte Mann schnellstens aus dem Schacht gebracht werden müssen, notfalls über die Schulter gelegt“, erklärt Steffen Schneider. Jeder Handgriff sitzt, auch wenn für Außenstehende der Eindruck entstehen mag, es gehe alles etwas langsam voran. „Hast und Eile nützen in den meisten Fällen Niemandem, erst recht nicht dem Verletzten“, weiß der erfahrene Ortswehrleiter. Hier sei überlegtes, folgerichtiges Handeln nötig. Genau das sei der Grund für solche Übungen.

Etwa 30 Minuten nach dem Eintreffen der Kameraden ist der Mechatroniker Julian Bierstedt aus dem fünf Meter tiefen Schacht befreit und würde nun notärztlich versorgt werden.

Alle Beteiligten zeigen sich bei einer ersten Einschätzung zufrieden mit dem Übungsergebnis. Christian Herschel hat das Geschehen aufgezeichnet. „Wir wollen den Mitschnitt auch als Lehrfilm nutzen, denn der hier verunglückte Kollege hat einige Arbeitsschutzbestimmungen missachtet“, sagt Herschel. Dies sei bei der Übung bewusst so inszeniert worden. Die Kollegen sollen später erkennen was hier falsch gelaufen sei.

Auch wenn Ortswehrleiter Steffen Schneider weitestgehend zufrieden ist, so fehlt den Kameraden gerade bei solchen Einsätzen einiges Gerät. „Seit einiger Zeit ist das Explosionsgrenzmessgerät altersbedingt außer Betrieb genommen worden. Dies beziehungsweise ein Spezialmessgerät mit verschiedenen Messparametern wären hier hilfreich“, schätzt Schneider ein. Fehlen würde auch eine Rettungstasche mit atemumluftunabhängigem Rettungsgerät für Verunfallte im Rauch, Qualm oder bei austretenden Gasen sowie Spezialausrüstung für die Rettung aus Höhen und Tiefen, welche auch hier altersbedingt nur noch teilweise durch die Kameraden eingesetzt werden kann. An der Übung beteiligt waren neben den beiden Mitarbeitern der Heidewasser GmbH, 14 Kameraden der Zerbster Ortswehr, die mit vier Fahrzeugen anrückten.

Alle Verantwortlichen wollen sich zeitnah treffen, um die Übung genauestens auszuwerten. Einig sind sich alle schon jetzt in der Notwendigkeit solche Szenarien regelmäßig zu proben.