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Lehrermangel Keine Zeit für Digitales

Die Nutzung der elektronischen Klassenzimmer in den Schulen der Stadt Zerbst gelingt nicht überall, zeigt ein Beispiel aus Walternienburg.

Von Thomas Höfs 30.01.2019, 00:01

Walternienburg l Die digitale Revolution kommt. Nachdem fast jeder erwachsene Bürger ein Smartphone sein Eigen nennt und auch Grundschüler heute schon im Umgang mit der Technik geübt sind, folgt der Einzug der Bits und Bytes in den Klassenräumen. 2018  noch hatte die Stadt Zerbst alle Grundschulen mit einem digitalen Klassenzimmer ausrüsten können. Im ersten Anlauf hatte dies nicht geklappt.

In den kommenden Wochen, so hatte es Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) noch zum Neujahrsempfang öffentlich versprochen, sollen die digitalen Tafeln in den „Echtbetrieb“ gehen. In allen Grundschulen wird dies nicht gelingen. Während die Ortschaften Steutz und Lindau über einen Anschluss an das Breitbandnetz besitzen, warten die Walternienburger noch auf die Erschließung. Der fehlende Breitbandanschluss ist allerdings in der kleinen Grundschule aktuell das kleinste Problem, sagt Schulleiterin Sigrid Kratky.

Seit sie Ende November eine langjährige Kollegin in den verdienten Ruhestand verabschiedet hat, verwaltet sie täglich den Mangel. Den Mangel an Personal, um die Unterrichtsstunden in allen vier Klassen abzudecken. Nur noch drei Lehrerinnen gibt es für die vier Klassen, bestätigt sie. Täglich organisiere sie den Tagesablauf und den Stundeninhalt für zwei Klassen. Eine Abhilfe sei nicht in Sicht, beschreibt sie die missliche Lage an ihrer Grundschule. Mehrfach habe sie bereits mit dem zuständigen Landesschulamt telefoniert. Eine Entlastung ist bislang nicht angekündigt. Täglich gehe es nur darum, den Betrieb aufrecht zu erhalten und dafür zu sorgen, dass die Schüler zumindest in den Kernfächern den vorgeschriebenen Unterricht bekommen. „Wenn jetzt noch in der Winterzeit eine Kollegin krankheitsbedingt ausfällt, weiß ich nicht mehr, wie ich die Lücke stopfen soll“, schildert sie die Situation.

Die Personalnot überschatte momentan alles. Dabei hatte sie mit ihrem Kollegen bereits Weiterbildung besucht, in denen es um die Arbeitsweise und Bedienung der neuen Technik gegangen war. Schön wäre es, wenn sie das damals erworbene Wissen auch einsetzen könne, blickt sie zurück. Sie habe das Gefühl, dass sie von der Weiterbildung immer mehr vergesse, wenn sie nicht dazu komme, die Technik auch einzusetzen. Bislang habe sie mit ihren Kollegen den großen, berührungsempfindlichen Monitor nur sporadisch eingesetzt. Dabei biete sich der Bildschirm im Fach Sachkunde geradezu an, wenn es darum geht, den Kindern Dinge und Abläufe in der Natur zu erklären. „Wenn wir einen brauchbaren Internetanschluss hätten, könnten wir uns in Sachkunde zu vielen Themen auch Erklärungen ansehen, die es im Netz gibt“, meint sie. Bedauerlicherweise gebe dies die Technik im Haus nicht her.

Und Zeit mit den Kollegen zusammen den Umgang mit dem Gerät zu üben, gebe es ebenfalls nicht. Wenn der Schulalltag nur noch von drei anstatt von mehr als vier Kollegen bestritten werden muss, bleiben die nicht ganz so wichtigen Dinge eben auf der Strecke, zuckt die Schulleiterin die Schultern.

Sie könne von den Kollegen nicht noch bei der angespannten Personalsituation verlangen, dass sie sich nun auch noch intensiv mit dem digitalen Klassenzimmer beschäftigen müssten, schildert sie. Dabei ist zumindest eine Personalfrage in der näheren Zukunft bereits gelöst. Sigrid Kratky wird zum Schuljahresende ebenfalls in den Ruhestand gehen. Die letzten Monate in ihrem Job genießt sie. Eine Nachfolgerin für den Chefsessel in der Grundschule gibt es bereits, freut sie sich. Eine Kollegin, die bislang noch in Schönebeck an einer Grundschule arbeitet, aber nur wenige Kilometer von Walternienburg entfernt im Jerichower Land wohnt, werde den Posten an der Schulspitze übernehmen. Das sei bereits klar.

Es würde schon helfen, wenn die neue Kollegin und Schulleiterin vielleicht schon zum Anfang des zweiten Schulhalbjahres in wenigen Wochen in Walternienburg das Team verstärken würde. Allerdings, sagte sie dann, sei ihr auch klar, dass ihr Vorschlag sehr wahrscheinlich eine neue Personallücke in der Schönebecker Schule reiße. Ebenso unklar sei, ob der fehlende Sportlehrer noch in diesem Jahr ersetzt werden könne, fügt sie hinzu.

Die Schüler bekommen von den Sorgen der Schulleiterin nur wenig mit. Gern würden sie öfter mit der neuen Technik arbeiten und damit lernen, sagt Elli aus der dritten Klasse. Es sei schon etwas aufregend mit der Technik zu arbeiten, bestätigt sie.

Zwar hat die Achtjährige noch kein eigenes Smartphone und vermisst es auch nicht. Trotzdem reizt sie die große neue Tafel schon. Für die Schulleiterin bleibt nur die Hoffnung, dass sich an der Personalsituation in den kommenden Wochen spürbar etwas ändert. Monatelang sei das kaum durchzuhalten, schätzt sie ein. Sie sei froh, dass die Kollegen mitziehen und gemeinsam versuchen die Lücke zu schließen. Doch das könne nicht die dauerhafte Lösung sein. Schließlich sei der Ruhestand für die Kollegin nicht über Nacht gekommen. Die Schulbehörde hätte den frei werdenden Posten schon viel früher ausschreiben können, um einen geeigneten Nachfolger zu finden, übt sie Kritik. Dass das im ländlich geprägten Raum zunehmend schwerer werden wird, sei zudem allgemein bekannt. Die jungen Lehrer reißen sich nicht mehr um die freien Plätze, sondern suchen sich die Stellen aus, an denen sie gern arbeiten wollen. Offenbar sei das unterschätzt worden bei der Suche nach einem Nachfolger für die Kollegin im Ruhestand.

Die beste Technik nütze nichts, wenn die Leute dafür fehlen, die sie auch bedienen und nutzen können, betont sie. Sicherer im Einsatz mit dem digitalen Klassenzimmer werden die Kollegen erst werden, wenn sie die Technik regelmäßig im Unterricht einsetzen können, zeigt sie sich aber zuversichtlich. Dann verschwinden auch die anfänglichen Unsicherheiten. Ein Fahranfänger brauche schließlich auch einige Stunden hinterm Lenkrad, bis er ein Auto sicher beherrsche, vergleicht sie.