Ordnungsamt Mehrheit gegen Parksünder-App
In Bitterfeld-Wolfen sollen jetzt die Einwohner Parksünder über die Handy-App "Wegeheld" melden. Zieht Zerbst nach?
Zerbst l „Auch Bürger können Parkverstöße bei den Stadtverwaltungen melden und das tun sie auch, wenn beispielsweise Einfahrten oder Rettungswege zugeparkt werden“, sagt die Zerbster Ordnungsamtsleiterin Kerstin Gudella. Das sei auch ihr gutes Recht.
Dies will die Stadt Bitterfeld-Wolfen nun erleichtern. Sie unterstützt die kostenfreie Handy-App „Wegeheld“, mit der Parksünder unkompliziert gemeldet werden können. Nutzer können sich dort mit ihren Daten anmelden. Die App bestimmt bei einer beabsichtigten Meldung automatisch den Standort, und man kann innerhalb der App den konkreten Vorfall, Fahrzeugtyp und Farbe auswählen und dann posten.
Das Vergehen wird dann mit unkenntlich gemachten Nummernschildern auf der Internetseite www.wegeheld.org gepostet und kann an das zuständige Ordnungsamt weitergeleitet werden. Und um genau diesen Punkt geht es der Stadt Bitterfeld-Wolfen. In den Ordnungsämtern werden die Vorfälle dann geprüft und gegebenenfalls ein Bußgeld verhängt. Was halten die Zerbster Stadträte von dieser Möglichkeit der Anzeige?
„Meine Begeisterung für die App hält sich schwer in Grenzen“, sagt Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD). Bereits jetzt habe man auch in der Einheitsgemeinde Zerbst die Möglichkeit, Anzeigen an das Ordnungsamt zu senden. Bei dieser App sehe er persönlich eine fragwürdige bis gefährliche Tendenz, öffentlich zur Denunziationen aufzurufen. „Nach meiner Meinung geht das zu weit und ich werde die Einführung einer solchen App nicht zum Thema in unserer Stadt machen“, zeigt Dittmann klare Kante gegen die App „Wegeheld“.
„Die Nutzung solcher App finde ich sehr gut, da hier auf sehr kurzen Wegen die Befindlichkeiten und Sorgen unserer Bürger unmittelbar beziehungsweise sofort an die zuständigen Stellen geleitet werden“, meint CDU-Mann Wilfried Bustro. Es werde so ein erheblicher Verwaltungsaufwand reduziert.
„Zugeparkte Einfahrten, Rettungswege, Radwege oder Kreuzungen bieten erhebliches Gefahrenpotenzial für alle Verkehrsteilnehmer und sollten geahndet werden. Die App bietet dazu eine zusätzliche Möglichkeit, was positiv von uns gesehen wird“, betont Nicole Ifferth, Fraktionsvorsitzende der Unabhängigen Wähler (UWZ). Allerdings sollten sich die Nutzer dieser App ihrer Verantwortung bewusst sein und nur wirkliche Verstöße melden. „Anzeigen um des Petzens willen bedeutet unnötig Arbeit für die Behörden und sind schlecht für das Miteinander. Manchmal tut es schon ein persönlicher Hinweis an die betreffende Person“, ist Nicole Iffert überzeugt.
Die Linken-Fraktion im Zerbster Stadtrat spricht sich rigoros gegen die Nutzung der App „Wegeheld“ durch das Ordnungsamt aus. „Die Kommune hat originär die Aufgabe, den ruhenden Verkehr im öffentlichen Raum zu regeln. Die Verwaltung stellt die Regeln dazu auf und hat diese durchzusetzen bzw. zu kontrollieren“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken, Michael Dietze.
Es könne nicht angehen, dass diese Kontrollfunktion an nicht legitimierte Dritte, sprich an die Bürger, delegiert werde. „Sollte die Personaldecke in den Ordnungsämtern aus den verschiedensten Gründen nicht ausreichend sein, sollte man über andere Möglichkeiten, wie Amtshilfegesuche oder den Einsatz von Politessen auf Mini-Job Basis nachdenken. Wehret den Anfängen, wie soll das Ganze weitergehen? Werden demnächst demonstrierende Schüler mittels App wegen Schulschwänzerei angezeigt“, fragt Dietze.
„Das Melden von Falschparkern an das Ordnungsamt ist ja schon jetzt per Telefon oder Mail möglich“, erklärt Mario Rudolf von der Freien Fraktion Zerbst (FFZ). Das sei – wenn man selbst betroffen ist – bei blockierten Einfahrten, Geh- oder Radwegen und zugeparkten Feuerwehrzufahrten auch völlig in Ordnung. „Da kann eine App ein weiteres Kommunikationsmittel sein, meinetwegen. Was aus meiner Sicht jedoch unverhältnismäßig wäre, wenn sich nur aus dem Vorhandensein dieser App auf einmal Heerscharen mit orangenen Westen bekleidete selbst ernannte Hilfssheriffs beispielsweise über die Breite ziehen und jeden Verkehrsteilnehmer fotografieren, der mutmaßlich rechtswidrig parkt. Das geht zu weit“, so Rudolf. Er befürchte dann eine Arbeitsüberlastung des Ordnungsamtes und noch mehr Bürokratie.
„Ich sehe die App als zweischneidiges Schwert. Einerseits besteht ein anscheinend kurzer Weg, um Probleme im Park- und Haltebereich des Verkehrs zu melden“, sagt Uwe Krüger, Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion. In größeren Städten sehe er auch einen Sinn. „Aber in unserer Flächengemeinde mit ihren ländlichen Strukturen, favorisiere ich die Zwischenmenschlichkeit“, so Krüger. Den Verkehrsteilnehmer oder auch Nachbarn einfach mal ansprechen, so ließen sich häufig auch Probleme lösen. „Auch kann Mann oder Frau sich telefonisch oder persönlich an unser Ordnungsamt wenden, wo die Mitarbeiter bei der Problemlösung helfen“, erklärt Krüger. Er sehe außerdem datenschutzrechtliche Probleme bei der Wegeheld-App und lehnt die Nutzung für Zerbst ab.