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Cowgirl aus der Nähe von Zerbst Meisterin im „Kühe-Schubsen“ - wie im wilden Westen

Bestenfalls kennt man die Szenen aus Westernfilmen: Cowboys auf ihren Pferden, die eine Herde Rinder quer übers Land treiben. Das Bild von Freiheit und Abenteuer wurde von Männern geprägt. Doch Frauen können es auch.

Von Petra Wiese 16.08.2023, 06:39
Die Buhlendorferin Mariann Kirste wurde auf ihrer Emilia Deutsche Meisterin im Ranch Sorting.
Die Buhlendorferin Mariann Kirste wurde auf ihrer Emilia Deutsche Meisterin im Ranch Sorting. Petra Wiese

Buhlendorf - Wenn auch in unserer Region die Kühe eher im Stall stehen und nicht zu Pferd von A nach B transportiert werden müssen, so hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland ein Turniersport entwickelt, bei dem sich Cowboys und vor allem auch Cowgirls tummeln, die zu Pferde mit Rindern umgehen, als wären sie im wilden Westen. Ein solches Cowgirl wohnt in Buhlendorf, einem beschaulichen Dorf bei Zerbst in Anhalt.

Eine Gürtelschnalle für den Sieg - der Buckle geht nach Buhlendorf bei Zerbst

Und nicht nur das: mit Mariann Kirste haben die Buhlendorfer jetzt sogar eine Deutsche Meisterin im Ort. Die 40-Jährige holte sich den Titel beziehungsweise den Buckle – das ist die Sieger-Gürtelschnalle - im Ranch Sorting.

Übersetzt steckt in dem Begriff „Ranch Sorting“ das etwas sortiert wird auf einer Viehfarm. So kann man sich das auch vorstellen. Das Ranch Sorting ist also eine Rinder-Disziplin, die sich von der täglichen Arbeit der Cowboys ableitet. Die Aufgabe besteht darin, Rinder in einer bestimmten Reihenfolge aus einer Herde auszusortieren. Diese Aufgabe wird von einem Team aus meist zwei Reitern gelöst.

Einzelne Rinder müssen beim Ranch Sorting aus der Herde geholt - aussortiert - werden.
Einzelne Rinder müssen beim Ranch Sorting aus der Herde geholt - aussortiert - werden.
Mariann Kirste

Die Reitbahn muss man sich als Acht vorstellen, zwei runde Pens mit 15 bis 20 Metern Durchmesser, die durch eine drei, vier Meter breite Öffnung miteinander verbunden sind. Auf der einen Seite befinden sich zwölf Rinder, von denen zehn eine Nummer tragen. Ziel ist es, mit einem zugelosten Partner - Pferd-Reiterkombination - die nummerierten Rinder in der richtigen Reihenfolge in die andere Hälfte der Acht zu sortieren. Läuft ein Rind zu früh über die Linie oder ein falsches oder ein schon aussortiertes läuft zurück, ist man raus.

Von Reining über Cutting bis Working Cow Horse

Reining: Im Galopp gerittene „Westerndressur“, die sich aus verschiedenen Manövern – Spins, Sliding Stops, Zirkel, fliegende Galoppwechsel, Roll Backs und Rückwärtsrichten - zusammensetzt.

Cutting: Der Reiter muss ein Rind aus einer Herde heraus-„schneiden“ (to cut) und es hindern, zu den anderen zurückzukehren. Der Reiter hat zweieinhalb Minuten Zeit, um die Fähigkeiten seines Pferdes am Rind zu zeigen, so lange muss er das Rind in der Mitte der Arena halten. Der Reiter darf keine Zügelhilfen mehr geben, wenn das Rind von der Herde abgesondert ist.

Working Cow Horse: Rinderdisziplin in zwei Teilen - im ersten zeigen Pferd und Reiter eine Reining, im zweiten ist Fence Work bzw. Cow Work verlangt. Reiter und Pferd halten ein Rind mit Cutting-Manövern an der kurzen Seite der Arena, anschließend muss es kontrolliert an der langen Seite gewendet werden. Den Abschluss bildet das Zirkeln mit dem Rind.

Wenn Pferde auf Kühe stehen

Da ist schon einiges Können gefragt, blitzschnell auf die Rinder zu reagieren. Bei Pferd und Reiter muss die Kommunikation stimmen, sie müssen eine Einheit bilden. Vor allem muss das Pferd Cow-Affinität (Kuh-Neigung) oder den Cow-Sense (Kuh-Sinn) haben, es darf keine Angst vor diesen Tieren haben und denen zeigen, wer der Herr im Ring ist. Genau das hat Mariann Kirste mit ihrer Emilia trainiert. „Sie ist ein Kuh-Pferd“, sagt die Buhlendorferin. Sie wurde ursprünglich für die Arbeit mit Kühen gezogen.

Dabei hatte die heute 14-jährige Stute vor Jahren sogar Angst vor Kühen und reagierte schreckhaft. Doch die junge Frau ließ sich auch nach einem schweren Unfall nicht davon abhalten, weiter mit ihrem Pferd zu arbeiten. Nach dem Motto „jetzt erst recht“ nahm sie die Rinderarbeit in Angriff. Im Internet suchte und fand sie Kurse, um ihr Pferd für Kühe fit zu machen. Zu sechs, sieben Kursen quer durchs Land fährt sie jedes Jahr, schaffte sich selbst eine Cutting Maschine an, um die Dynamik zwischen Pferd und Rind zu Hause zu trainieren.

Pferde, die sich anschleichen

Nicht nur Kühe fand Mariann Kirste schon als Kind toll. Sie war schon immer fasziniert, wie Pferde sich anschleichen, in eine Rinderherde rein gehen und eine Kuh hin und her schicken können. Vom Voltigieren im Dorf, das sie mit sechs Jahren anfing, übers Englisch Reiten, landete sie beim Westernreitverein Silent Corner in Trüben, kurz nach dessen Gründung. Sie merkte, dass das Westernreiten viel mehr ihr Ding war, war vom Quarterhorse und vom Westernsattel begeistert.

Auch ihr erstes Pferd kaufte sie von ihrer Reitlehrerin Andrea Rongelraths-Ganzer. An EWU-Turnieren nahm sie anfangs teil, bis sie Emilia hatte und seit nunmehr neun Jahren auf Kühe trainiert.

Im Oktober 2017 schaute sie dann erstmalig bei einem Rinder-Turnier zu und fing Feuer. Selber wollte sie mitmachen. Sie schloss sich dem Ranch Horse Club Germany (RHCG) an, einer Interessengemeinschaft, die sich auf Ranch Horse Disziplinen spezialisiert hat. „Da sind Leute, die gerne am Rind was machen wollen“, beschreibt es Mariann Kirste. Einige Turniere finden da übers Jahr statt.

Der RHCG hat nun im vergangenen Jahr die erste Deutsche Meisterschaft organisiert. Die Buhlendorferin war mit dabei und holte den 1. Platz im Ranch Sorting Limit und wurde Zweite in der Open-Klasse. Drei Klassen - bis 18 Jahre, Limit und Open als höchste - gibt es. Auch in diesem Jahr trat Mariann Kirste wieder in Steckelsdorf in den Disziplinen Cattle Penning und Ranch Sorting an. Da sie im vergangenen Jahr bereits den Buckle in der Limit-Klasse gewonnen hat, durfte sie diesmal nur in der höheren Open-Klasse starten.

Einzelne Rinder müssen beim Ranch Sorting aus der Herde geholt - aussortiert - werden.
Einzelne Rinder müssen beim Ranch Sorting aus der Herde geholt - aussortiert - werden.
Mariann Kirste

In einem der Vorläufe schaffte sie mit ihrem Teampartner in 40 Sekunden vier Rinder zu sortieren, im Finale dann drei. Damit war sie am Ende die Beste in dem 30 Cowboys und -girls zählendem Starterfeld. „Ein bisschen Glück gehört auch dazu“, sagt sie, „es kommt immer drauf an, wo die Kuh steht.“ Auch sieben, acht Kühe hat sie schon mal geschafft. Auf jeden Fall ist der prachtvolle Buckle ihr ganzer Stolz. Und Emilia hat bewiesen, dass sie es voll drauf hat. Die schnellen Wendungen liegen ihr eben im Blut.

In der Freizeit durchs Gelände

Neben den Kursen, zu denen sie fährt, gehört auch sonst die gesamte Freizeit der Postzustellerin ihren vier Pferden und den drei Hunden. Ab und zu fährt sie nach Trüben, um ein paar Reitstunden zu nehmen, um mal wieder die Standards korrigieren zu lassen oder um den Reitplatz mit der Cutting Maschine zu nutzen. Ansonsten ist sie mit Pferden und Hunden rund um Buhlendorf im Gelände unterwegs. Gerade lernt ein Fohlen bei ihr die Welt kennen. Es sind noch etwa eine Handvoll andere Silent Corner-Mitglieder, die es ab und zu mit Rinderarbeit probieren und mit zu Kursen fahren, aber wohl niemand so intensiv wie das Buhlendorfer Cowgirl.

Nächstes Ziel ist nun die Disziplin Working Cowhorse, die aus einer Reiningaufgabe und aus der Arbeit am Rind besteht. Die Herausforderung ist hier, dass der Reiter auf seinem Pferd mit einem Rind alleine arbeitet, das einzelne Tier sowohl an der kurzen, als auch an der langen Seite des Platzes wenden und eine Acht damit reiten muss. Eine Masteraufgabe sozusagen und eine Herausforderung, der sich die Buhlendorferin gerne stellen will.