Die Hochwasserbetroffenen in Poleymühle packen die Sanierung an Mit viel Glück Weihnachten wieder im Haus
Der kleine Ortsteil Poleymühle war eines der Gebiete, das am stärksten in der Zerbster Region vom Hochwasser betroffen war. In drei Häusern stand das Wasser bis zu einem Meter hoch. Wie es jetzt dort aussieht und wie die Einwohner mit diesem Schicksalsschlag umgehen, erzählten sie der Volksstimme.
Poleymühle l "Wenn wir nicht so viel Humor hätten, dann würde es uns ganz anders ergehen. Und vielleicht hätten wir es dann auch gar nicht angepackt", sagt Erika Schmidt. Sie und ihr Mann Horst König wohnen im Ortsteil Poleymühle in Walternienburg. Hinter der ehemaligen Industrieanlage liegt ihr etwa 100 Jahre altes Häuschen direkt an der Nuthe.
Beim Hochwasser mussten sie es verlassen. Etwa einen Meter stand das Wasser in allen Räumen. Die Möbel hatten sie nicht rausgeräumt. "Aber die Heizung und einige elektrische Geräte haben wir gerettet", sagt sie. Die 80-Jährige ist sich des Schadens bewusst, doch aufgeben und woanders hinziehen kommt nicht in Frage. "Wir hängen an diesem Stückchen Erde", sagt sie. Und damit war es dann beschlossene Sache. Es wurden Container geholt und dann "Augen zu und weg".
Alle Böden sind jetzt herausgerissen, der feuchte Putz bis zu entsprechender Höhe herausgeschlagen. In der Sanierungszeit können die beiden natürlich nicht im Haus wohnen. Horst König handelte deshalb kurzentschlossen und kaufte einen Wohnwagen. Direkt vor dem Grundstück, gleich hinter dem Container, ist jetzt das Übergangsdomizil der 80-Jährigen und des 82-Jährigen eingerichtet. Kochmöglichkeit, Kühlschrank, Sitzecke mit Tisch, die zur Schlafstätte wird, kleine Waschmöglichkeit und für einen 15 Quadratmeter großen Raum jede Menge Staumöglichkeiten. Bärbel Schmidt findet es gemütlich - auch bei 32 Grad. "Es ist schon besser, immer vor Ort zu sein und nach dem Stand der Arbeiten schauen zu können", sagt König. Und es geht voran, jeden Tag ein Stück. "Wenn wir Weihnachten drin sein könnten, würden wir uns freuen", sagen beide.
Vielleicht schon etwas eher hoffen Horst und Gisela Klingebeil wieder in ihr Haus zu können. Kniehoch stand es in allen Räumen ihres Hauses, das im Bungalowstil gebaut ist. Auch bei ihnen sieht es derzeit aus, als ob eine Kernsanierung angesetzt wurde. Es ist einfach alles raus: Fußbodenbeläge, Tapeten, Putz und Türen. "Wir waren gerade fertig mit renovieren", sagt Gisela Klingebeil betrübt und blickt durch den Flur, den man sich auch in einem Abrisshaus vorstellen könnte.
Das Haus steht zwar wieder im Trocknen, aber es muss noch immer entfeuchten, bis es richtig losgehen kann. Aber schon jetzt gibt es genug zu tun. Jeden Tag nach der Arbeit sind die beiden vor Ort und packen an. Fast alles stemmen sie erst einmal in Eigenleistung. "Aber wir haben auch viele Freunde, die uns schon geholfen haben", berichtet die 59-Jährige. So sind auch ihre Möbel auf vier Treckerhängern verteilt, und ihre Kleidung ist in Kisten in einer Garage bei Freunden untergekommen. "Es ist ein mehr als eigenartiges Gefühl, wenn Fremde deine Sachen packen", erinnert sie sich zurück.
Dann wird sie still. "Solche Bilder habe ich noch nie zuvor gesehen. Die ersten Tage konnte ich nicht darüber reden", sagt sie langsam und ruhig über das Hochwasser. Doch deswegen umziehen, kam auch für dieses Paar nicht in Frage. "Ich werde zwar 60, aber an aufgeben habe ich nie gedacht", sagt Gisela Klingebeil.
Ebenfalls nicht unterkriegen lassen sich Bärbel und Reinhold Matthei. Auch sie bewohnen ein Häuschen in Poleymühle. "Ich bin hier geboren, ich will hier nicht weg", sagt Bärbel Matthei. Doch derzeit bleibt ihnen nichts anderes übrig, denn in fast allen Räumen surren die Trockenmaschinen. Ein Geräusch, das auch einem Besucher schon an die Nerven geht. "Wir sind bei unsrem Kind untergekommen", erzählen sie. Trotzdem sind sie natürlich jeden Tag an ihrem Haus. Doch viel ausrichten können sie noch nicht, denn die Feuchtigkeit steckt noch in allen Mauern.
"Wir wissen auch noch nicht genau, wie hoch der Schaden sein wird. Erst wenn es trocken ist, wird man das schätzen können", erklärt Bärbel Matthei. Doch bis dahin kann es durchaus noch zwei Wochen dauern. "Wenn man erst einmal sehen könnte, das überhaupt etwas passiert, das würde sich nach so langer Zeit mal wieder gut anfühlen", sagen beide und schauen sich um. Im Flur liegen noch die Fliesen - noch. In drei weiteren Räumen wurde bereits der komplette Fußboden entfernt. Hier tritt man 20 Zentimeter tiefer in den Raum und dann fühlt man Sand unter den Füßen.
Dass von den Hochwassergeschädigten noch niemand aufgegeben hat, dafür zollt Jeanine Paschke aus Bias allen großen Respekt. So hatte sie sich die Begegnungen nicht ausgemalt. Sie ist Mitglied im Club Soroptimist Dessau-Wörlitz, einem weiblichen Pendat zum Lions Club oder den Rotariern. Sie besuchte vergangene Woche all diese betroffenen Familien. Aber nicht mit leeren Händen. Rund 300 Euro gab es für jede Familie.
"Ich bin Mitglied in einem internationalen Frauenclub, der Frauen und Kindern helfen möchte. Und als das Hochwasser zu uns nach Sachsen-Anhalt kam, meldeten sich plötzlich Frauen aus Niedersachsen bei uns, die dort dem Club angehören und die wir auf größeren Treffen kennengelernt hatten. Und sie wollten uns helfen", erzählt sie. Die Frauen meldeten sich und wollten privat spenden. Mehr als 800 Euro kamen da zusammen. "Das hat uns beeindruckt. Und da Dessau Glück hatte, habe ich mich dann eingesetzt, dass es in unsere Region kommt", erzählt sie, wie es zu den Spenden kam.
"Dass es so etwas gibt", meinte Erika Schmidt. Dankbar nahmen alle die Spenden an. Denn die Hochwassergeschädigten können jeden Euro bei der Sanierung gebrauchen.