Michael Hanisch hat in zehnjähriger Bauzeit den Klosterhof 8 saniert / Öffentliche Einweihung ist am kommenden Montag Neues Leben fürs "kleinste Haus" von Zerbst
Das vermeintlich kleinste Haus von Zerbst steht im Klosterhof 8. Zehn Jahre lang hat Michael Hanisch das zuvor verfallene Gebäude saniert. Am kommenden Montag soll das künftige Gästehaus mit der Enthüllung eines Hauszeichens eingeweiht werden. Es ist ein historisches Datum.
Zerbst. Er hat es im Männerchor versucht. Tauchen wäre vielleicht auch eine Option gewesen. Oder irgendwas sonst. Letztlich aber all das nicht. Nichts anderes hat Michael Hanisch so gepackt wie die Liebe zu alten Häusern.
"Da hat sich was im Hinterkopf festgesetzt", erinnert sich der gebürtige Zerbster an seine Hochzeitsreise. Die führt ihn und Ehefrau Andrea 1979 nach Quedlinburg. In der historischen Innenstadt, inzwischen Weltkulturerbe, wurde damals viel restauriert. "Für mich war das ’ne andere Welt, wie ein Märchenland", so der heute 51-Jährige. In der Heimatstadt Zerbst gab es nur noch wenig, was ähnlichen Zauber verbreitete.
Der Traum vom Umgang mit altem Bauwerk bleibt. Hanischs ziehen nach Roßlau. Seit 1992 sind sie Kinderdorfeltern beim Albert-Schweitzer-Familienwerk. Wenn die letzten Kinder in wenigen Monaten die Familie verlassen werden, haben sie neben den beiden eigenen Kindern 25 weiteren Kindern ins Leben geholfen. Andrea Hanisch ist ausgebildete Erzieherin. Michael Hanisch, heute auch Personalleiter beim Familienwerk, hat, einst Berufsoffizier, noch ein Studium zum Sozialpädagogen absolviert.
"Da hat sich was im Hinterkopf festgesetzt"
"Als das vorbei war, wollten wir ein altes Haus erwerben und ausbauen." Das war 1998/99. Die Förderbedingungen waren günstig. Es brauchte relativ wenig eigenes Geld dazu. Vor allem brauchte es den Mut, etwas anzupacken. Davon hat Michael Hanisch genug. Begibt sich auf die Suche, verfolgt mehrere Spuren, findet Ansprechpartner im Zerbster Liegenschaftsamt und die gewünschten Immobilien im Klosterhof. Der gehört zum 1994 beschlossenen innerstädtischen Sanierungsgebiet "Altstadt Zerbst".
"Am Haus hing ein Schild dazu, das war fast größer als das Haus selbst", erinnert sich Michael Hanisch an die erste Begegnung mit dem Großen Klosterhof 8.
Großes Schild – kleines Haus. Kleinstes Haus! Es gibt einen Volksstimme-Ausschnitt, der dies benennt. Der Bauherr hat eigene Kindheitserinnerungen an sein neues Eigentum. "Als Kindergartenkind und so in der 1., 2. Klasse haben uns als Jungs immer die Petroleumlampen interessiert, die für Straßenabsperrungen verwendet wurden", erzählt er. Und die Frage, wo das Petroleum her kam. Bis jemand erzählte, dass das im Klosterhof verkauft wurde. Im Klosterhof 8 wohnte der Verkäufer, hatte ein Pferd auf dem Hof, "das führte er immer durch den Hausflur", und einen kleinen Wagen. Damit zog er in den 1960er Jahren durch Zerbst und verkaufte das "Steinöl", wie es hier hieß.
Wohl bis in die 70er Jahre war das später "baupolizeiliche gesperrte" Haus bewohnt, das Hanischs im März 1999 in ziemlich marodem Zustand kaufen. Anfang August 2000 bekommen sie die sanierungsrechtliche Genehmigung, im November des selben Jahres die Baugenehmigung. "Wir wollten keine Pinselinstandsetzung machen, sondern eine, die für lange Zeit hält und auch einen entsprechenden Wohnkomfort schafft", so Michael Hanisch. Eine mühselige Sanierung beginnt – und wird zehn Jahre dauern.
Das Allermeiste macht der neue Eigentümer selbst. Auch zur Einweihung am kommenden Montag wird noch zu erledigende Arbeit zu erkennen sein. Unter anderem der lange Winter hat daran seinen Anteil. "Ich habe gefragt, geguckt, viel gelesen, mir dadurch die Dinge angeeignet", erzählt Michael Hanisch und dass er etwa "allein für das Dach zwei Jahre gebraucht" hat. Oder von den fast durchweg abgefaulten Balkenköpfen der Deckenbalken, die zu ersetzen waren. Glücklicher Zufall, dass es eine zum Abriss vorgesehene Scheune in Trüben gab, von der er alte Balken bekommen konnte. Fenster und Türen hat Michael Hanisch anfertigen und einsetzen lassen. Auch die Erneuerung der Elektrik überließ er den Fachleuten.
Einen "Volksfreund" von 1929 hat er bei der Sanierung gefunden. Die Zeitung, die durch einen abgedruckten Theaterspielplan ihr Erscheinungsdatum offenbarte, steckte als Knüllpapier unter der Treppenverkleidung. Wie unter der ebenfalls ziemlich durchgefaulten Dielung jene Ofenkachelscherben mit plastischen Gesichtern.
"… der führte immer das Pferd durch den Hausflur"
Das Haus ist kein Einzeldenkmal. Dass es sich aber in einem Denkmalbereich befindet, macht ebenfalls erforderlich, bestimmte denkmalschützerischen Prämissen zu beachten. Bei allem, was sichtbar ist – die Fassade, Biberschwänze auf dem Dach, Holzfenster, die Fensterläden …
Besonderheit im Kloster- hof 8 ist eine so genannte "schwarze Küche". Den Erhalt dieser wohl nur noch selten in alten Häusern zu findenden Form des Kochens auf offenem Feuer, hier mit einem Riesenschornstein, haben die Denkmalpfleger auferlegt.
Ist sie auch ein Indiz für das Alter des Hauses? Michael Hanisch hat die Balken von Fachwerk und Dach dendrochronologisch untersuchen lassen. 1669, so das Ergebnis, sind die Bäume dafür geschlagen "und fast sicher nach barocker Bauordnung 1670 verbaut". Michael Hanischs Theorie zu seinem Klosterhof 8, der sich nicht nur durch seine "Größe", sondern auch durch seinen Giebelstand von der Nachbarbebauung unterscheidet, ist eine andere.
"Vielleicht lasse ich noch einen Stein untersuchen"
Es war übrigens der 28. Juni 1298, als das umgezogene Kloster von Rat und Bürgermeister der Stadt Zerbst von allen Abgaben freigesprochen wurde. Das verlangt Michael Hanisch nicht, wenn er ebenfalls am 28. Juni das Haus der Öffentlichkeit wieder übergibt. Sie – wie auch Rat und Bürgermeister – sind dazu am kommenden Montag eingeladen.
Ein Hauszeichen wird eingeweiht und die Bauherren haben sich noch einiges drumherum einfallen lassen (s. Info-Kasten).
Der Klosterhof 8 soll künftig ein Gästehaus sein. Soll zur Verfügung stehen für Übernachtungen, kleinere Familientreffen, Kindergeburtstage oder auch Firmenmeetings bis zehn Personen. Neben der Schlafmöglichkeit für zwei Personen sind Aufbettungen möglich, wird es zusätzlich ein Matratzenlager im Spitzboden geben. "Ein richtig solides und beheizbares Landsknechtzelt" plant Michael Hanisch für den Innenhof. Einen kleinen Bierkeller gibt es. Und wo der Steinöl-Verkäufer einst sein Pferd durch den Flur führte, ist das jetzt für Fahrräder möglich.
Auf Radfahrer freuen sich Hanischs wie auf alle anderen Gäste. Sie werden sich demnächst auch auf einer Homepage zum Klosterhof 8 informieren können. Werden erfahren, dass das kleinste Zerbster Haus "leider für große oder korpulente Gäste nicht so geeignet ist". Allen anderen versprechen Hanischs ein wenig eine Zeitreise – und eine Begegnung, auf ihre Weise "unvergesslich und einmalig".