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Rettungsdienst Bei Notfällen zählt jede Sekunde

Der Rettungsdienst in Zerbst hälft die Hilfsfrist von 12 Minuten nicht immer ein. Nicht immer steckt hinter den Notrufen auch Notfälle.

Von Daniela Apel 11.08.2020, 06:00

Zerbst l Ob Verkehrsunfall, Herzinfarkt oder unglücklicher Sturz – sie versuchen alles, um möglichst schnell vor Ort zu sein. Denn jede Sekunde zählt. Doch trotz Blaulicht und Martinshorn schaffen es die Rettungssanitäter im Landkreis Anhalt-Bitterfeld nicht immer, innerhalb der vorgeschriebenen Hilfsfrist von zwölf Minuten beim Patienten oder Verletzten zu sein.

2019 gelang dies nur bei 85,11 Prozent aller Einsätze. Diese Zahl geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des innenpolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion Rüdiger Erben hervor. Bei 95 Prozent sollte die Quote im Idealfall liegen, so legt es das Rettungsdienstgesetz von Sachsen-Anhalt fest.

Hier sei anzumerken, dass aus Sicht des Landes die Hilfsfristen nur als Planungsvorgaben zu verstehen und unter gewöhnlichen Bedingungen einzuhalten sind, betont Udo Pawelczyk. Zugleich weist der Kreissprecher darauf hin, dass sich die Situation in Anhalt-Bitterfeld im Vergleich zu 2018 im vergangenen Jahr um fünf Prozentpunkte verbessert hat. „Auch die Hilfsfristerfüllung bei den Notärzten, die bei 20 Minuten liegt, konnte von 95 auf 96 Prozent gesteigert werden“, sagt er.

Als einen Grund dafür, dass zwischen dem Eingang der Notfallmeldung und dem Eintreffen am Einsatzort mehr als zwölf Minuten liegen, führt Udo Pawelczyk ein verändertes Verhalten in der Bevölkerung an: „Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst anzufordern, ist in den letzten Jahren gesunken.“ Die „unbegründete Nachfrage nach rettungsdienstlichen Leistungen“ sei gestiegen, wie es der Kreissprecher ausdrückt. Will heißen: „Nicht immer steckt hinter der Anforderung eines RTW auch ein echter Notfallpatient“, so Pawelczyk. Unter einem Notfallpatienten werde eine Person verstanden, die sich infolge einer Verletzung, Erkrankung oder aus sonstigen Gründen in Lebensgefahr befindet oder bei der schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten sind, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Hilfe erhält, bezieht er sich auf das Rettungsdienstgesetz des Landes.

Werde dennoch ein RTW alarmiert, rücke jener natürlich aus. Komme es dann zu einem wirklichen Notfall, steht dieser Rettungswagen in der Region vorerst allerdings nicht zur Verfügung, stattdessen müsse erst ein anderer aus einem angrenzenden Standort herbeieilen, schildert Udo Pawelczyk ein beispielhaftes Szenario. Das koste wertvolle Zeit, und „die Hilfsfrist kann dann nicht immer eingehalten werden“, gibt er zu bedenken.

Alle Einsätze, die nicht innerhalb der geforderten zwölf Minuten liegen, würden ausgewertet und bewertet, erklärt der Kreissprecher. „Weiterhin erfolgt regelmäßig mit den im Rettungsdienst beteiligten Personen und Einrichtungen ein Austausch, um unter anderem den Erreichungsgrad der Hilfsfristenerfüllung zu verbessern“, sagt er.

Zudem verweist Pawelczyk auf das bereits im März 2018 in Auftrag gegebene Gutachten, das die Anzahl und Vorhaltezeit von Rettungsmittel im Rettungsdienstbereich des Landkreises Anhalt-Bitterfeld sowie die Standorte der Rettungswachen untersuchte. Basierend auf dem Ergebnis wurden mehrere Maßnahmen ergriffen, um die Zeiten zu optimieren, in denen die Sanitäter und Notärzte am Einsatzort eintreffen.

Zum 1. Januar 2019 erfolgte unter anderem eine Änderung bei den Zuständigkeitsbereichen einzelner Rettungswachen. So werden die beiden Orte Kleinleitzkau und Garitz seither nicht mehr von den in Zerbst stationierten RTW aus angefahren, sondern von der Außenstelle Deetz. Daneben wurde der Rettungswachenstandort von Rödgen (Zörbig) nach Glebitzsch, einem Ortsteil von Sandersdorf-Brehna, verlegt, während zugleich die Vorhaltezeit einzelner RTW – unter anderem in Bitterfeld und Bobbau – erhöht wurde, um einige Beispiele zu nennen.

„Seit dem 1. Januar 2020 sind auch alle fünf Notarzt-einsatzfahrzeuge – kurz NTF – im Rettungsdienstbereich des Landkreises Anhalt-Bitterfeld rund um die Uhr einsatzbereit“, ergänzt Udo Pawelczyk. So sei eines der beiden NEF in Köthen bisher nur von 7 bis 19 Uhr im Einsatz gewesen.

Innerhalb des Landkreises gibt es aktuell neun Rettungswachen: in Bitterfeld, Gossa, Radegast, Glebitzsch, Bobbau, Köthen und Aken sowie Zerbst und Deetz. Insgesamt 15 RTW, fünf NTF und zwei Krankentransportwagen verteilen sich auf die verschiedenen Standorte. Diese seien so geplant, dass „von hier aus die Einhaltung der Hilfsfristen unter gewöhnlichen Bedingungen gewährleistet werden kann“, erwidert Udo Pawelczyk auf die Frage, ob mehr Rettungswachen die Lösung wären, um die Einhaltung der Hilfsfrist weiter zu verbessern.

Im Vergleich zu anderen Kommunen liegt der Landkreis Anhalt-Bitterfeld bei den RTW-Einsätzen übrigens im Mittelfeld. In Magdeburg wurde die Hilfsfrist am häufigsten eingehalten – in 91,94 Prozent der Fälle, dicht gefolgt von Dessau-Roßlau (91,89 Prozent). Am schlechtesten schnitten hingegen der Harz (75,26 Prozent), Stendal (76,31 Prozent) und Wittenberg (77,57 Prozent) ab. Das Jerichower Land brachte es auf eine Quote von 81,85 Prozent.